Ein Ex-Cop setzt sich durch

USA New York könnte mit Eric Adams bald einen Law-and-Order-Bürgermeister wählen
Ausgabe 28/2021
Ein Adams für den Big Apple
Ein Adams für den Big Apple

Foto: Spencer Platt/Getty Images

New York City wählt einen neuen Bürgermeister. Ausgerechnet in der größten Stadt der USA, mit diverser Wählerschaft und aus dem Beton sprießenden linken Gruppen um die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, dürfte im November ein Ex-Polizist gewinnen. Der Mann heißt Eric Adams (60), ist Afroamerikaner und Demokrat. Seine Ideen besonders zur Polizei kollidieren mit so manchem, was dem progressiven New York wichtig ist. Bei Vorwahlen hat sich Adams soeben knapp gegen ein gutes Dutzend Rivalen durchgesetzt. In New York mit seiner haushohen demokratischen Mehrheit in der Bevölkerung ist der Vorwahlsieg ein Ticket mit sechs Richtigen für die Hauptwahl in vier Monaten.

Nicht so leicht zu erklären, wie das zustande kam, findet Kristin Richardson Jordan. Sie hat bei der Stadtratswahl im Bezirk Harlem als Sozialistin mit der Ansage gewonnen, sie wolle der Polizei den Geldhahn zudrehen. Dem Magazin The Nation sagte Jordan, in ihrem Viertel hätten bei der Bürgermeisterwahl 50 Prozent für Adams gestimmt und bei der gleichzeitigen Stadtratswahl 50 Prozent für sie, das sei bizarr. Aber die Suche nach Mehrheiten bei demokratischen Vorwahlen ist bei so vielen konkurrierenden Wählergruppen nicht einfach. In New York City erst recht: Hier gibt es mehr als anderswo die alternativen Linken, die Gewerkschaften, die Wall Street wie die Superreichen in Manhattan, die LGBTQ-Bevölkerung, die Mittelklasse in ihren Reihenhäusern und die unteren Einkommensschichten in den Sozialwohnungen, Latinos und Afroamerikaner.

Gut 33.000 Menschen sind in dieser Stadt bisher an Covid-19 gestorben. Zugleich haben die dramatischen Einkommensunterschiede zwischen Manhattan und der Bronx oder Queens Existenzen zerstört. Eric Adams hat es offenbar verstanden, das aufzugreifen, und die Gewerkschaften hinter sich gebracht. Eine Analyse vermerkt, die „althergebrachte demokratische Koalition von Schwarzen und Latinos aus der Arbeiterschicht und gemäßigten weißen Wählern“ habe für ihn gestimmt. Abgesahnt habe er in den ärmsten Bezirken. Doch Klassenkampf ist nicht Adams’ Sache. Seine Agenda vermengt finanzielle Stützen für Bedürftige und für Vorschulen mit Begünstigungen für Unternehmen.

Und bei der Polizeifrage rudert Adams gegen den vermeintlich progressiven Zeitgeist. „Wenn Schwarze Leben wirklich zählen, kann es nicht nur um polizeiliche Übergriffe gehen. Wir müssen uns auch mit der Gewalt befassen, die unsere Communitys auseinanderreißt.“ Gemeint sind die vielen Todesopfer von Gewaltkriminalität in Schwarzen und Latino-Vierteln. Rechte US-Politiker kommen gern mit der Vorhaltung, dass Gewalt von Schwarzen gegen Schwarze viel schlimmer sei als tödliche Polizeischüsse. Adams ist anders und erscheint vielen glaubwürdig. Er verlangt eine bessere Polizei und mehr Einsatz gegen Schusswaffenkriminalität. Ohne Sicherheit gebe es keinen Aufschwung nach der Pandemie. Mit 15 sei er nach einer Festnahme von einem Polizisten verprügelt worden und habe beschlossen, Polizist zu werden, um die Zustände zu ändern. Für viele US-Amerikaner aus unteren Einkommensschichten ist die Sache mit der Polizei schwierig: Sie sind überproportional Opfer von Kriminalität und Polizeigewalt.

Nach dem Polizeidienst wurde Adams 2006 auf einen Senatsposten im Staat New York gewählt und 2013 zum Stadtteilpräsidenten in Brooklyn, ein eher beratendes Amt. Er galt als politisches Chamäleon, wechselte von der Demokratischen zur Republikanischen Partei und wieder zurück. Adams sei vorrangig an Adams interessiert, war häufig die Kritik. Derzeit wird viel gefragt, welche Bedeutung sein Erfolg für New York City und die nationale Ebene hat. Klar linke Bewerber sind gegen Adams auf der Strecke geblieben. Dass Kristin Richardson Jordan und andere linke Demokraten in den Stadtrat kommen, kann kein Trost sein. Vielleicht hat man beim Thema Polizei nicht den richtigen Ton getroffen.

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