Hatte man ihnen das nicht jederzeit zugetraut? Gerhard Schröder und Joseph Fischer hielten sich aus dem Irak-Krieg heraus und führten ihn trotzdem heimlich mit. Allerdings kollidierte diese instinktive Vermutung stets mit einer realpolitischen Wahrnehmung. Und die besagte: Schröder und Fischer hegen keinerlei Illusionen über das ungeheure Risiko dieses Feldzuges. Sie wissen um das selbstmörderische Risiko, deutsche Soldaten in ein solches Abenteuer zu schicken und bleiben deshalb George Bush die Einheitsfront des Westens gegen Saddam Hussein schuldig. Sie gehen auf Distanz, weil sie offenkundig davon überzeugt sind, dass eine Besetzung des Irak kaum beherrschbare Folgen haben und die konfrontative Logik des 11. September 2001 fortschreiben wird - einen wirksam
sameren Motivationsschub konnte sich islamistischer Terror bekanntlich kaum wünschen.Wenn all das so war - und dafür spricht einiges - ist eine mögliche Kollaboration des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit den Amerikanern vor und während der Intervention vom Frühjahr 2003 gewiss keine Marginalie, aber auch kein Anlass, jüngste Geschichte vollends umzuschreiben. Schröder und Fischer entzogen sich einer "Koalition der Willigen" aus pragmatischen Gründen, was nicht ausschließt, dass sie ihr in Maßen gefällig waren. In welchem Maße - das wird der anstehende parlamentarische Untersuchungsausschuss zu ergründen suchen, sofern er dazu Gelegenheit erhält. In welchem Ausmaß und mit welchen Konsequenzen, so wird dort zu fragen sein, wurde der Dissens mit den Amerikaner durch dezente Dienste für die Amerikaner weich gespült oder gar kompensiert?Was dazu an Mutmaßungen kursiert, entbehrt nicht der innenpolitischen Brisanz. Schröder und Fischer hatten im Spätsommer 2002 Gefallen daran gefunden, als Heroen der Standhaftigkeit und Friedensliebe eine Bundestagswahl zu gewinnen, die sie ohne den Irak verdient verloren hätten. Wer jetzt freilich wegen der BND-Affäre vom großen Wahlbetrug redet, muss sich fragen lassen, ob das Land mit einem Kanzler Stoiber besser bedient - sprich: weniger "betrogen" - gewesen wäre. Hätte der am 22. September 2002 "verdient" gewonnen, weil er als Regierungschef auf Tuchfühlung mit Bushs "Koalition der Willigen" gegangen wäre, wie zuvor in Aussicht gestellt? Womit einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung nicht a priori untergeschoben werden soll, sie hätte mit deutschen Kampfeinheiten im Irak-Krieg dabei sein mögen.Auch war es seinerzeit, während des Wahlkampfes, niemandem verwehrt, sich der übereifrigen "uneingeschränkten Solidarität" zu erinnern, mit der sich Kanzler Schröder nach dem 11. September 2001 an die Seite des US-Präsidenten gedrängt hatte. Oder der Umstände, unter denen ein aktiver deutscher Part im Anti-Terror-Krieg ("Enduring Freedom") der USA durchgesetzt wurde. Die fällige Abstimmung im Bundestag am 22. Dezember 2001 verband Schröder mit der Vertrauensfrage, so dass sich seine rot-grüne Gefolgschaft zwischen Koalitionsdisziplin und Koalitionsbruch entscheiden durfte. Wie weit die Perfidie gewichtigen Personals in dieser Bundesregierung gelegentlich ins Kraut schießen konnte, wusste man spätestens seit März 1999, als Außenminister Fischer den Kosovo-Krieg und die Bombardierung jugoslawischer Städte als eine Art Sühne für Auschwitz anbot.Zurück zu den Tatbeständen, die einen Untersuchungssausschuss beschäftigen sollten. Während des Angriffs auf den Irak im März/April 2003 gab es Überflugrechte und logistischen Beistand für die US-Armee innerhalb des AWACS-Systems wie auch die Bewachung von US-Objekten in Deutschland durch die Bundeswehr - das seien Dienstleistungen, hieß es stets, die als Bündnispflicht unumgänglich, keinesfalls aber als passiver Kriegseinsatz zu verstehen waren. Warum sollte diese völkerrechtliche Grauzone jetzt nicht ebenso ausgeleuchtet wie der Frage nachgegangen werden: Wie wäre es zu bewerten, sollte der Bundesnachrichtendienst - unter der Obhut von Schröder, Fischer und Steinmeier - tatsächlich Verteidigungspläne Bagdads der US-Armee zugespielt haben? Wären die dafür politisch Verantwortlichen dann nicht in die Vorbereitung eines Angriffskrieges verstrickt? Hätten sie nicht das Grundgesetz verletzt und ihren Amtseid gebrochen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden? Könnte unter diesen Umständen statt eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht eher der Generalbundesanwalt gefordert sein? Wie schon im Frühjahr 1999, als sich die Bundeswehr am Luftkrieg gegen Jugoslawien beteiligte. Mit der Bombardierung serbischer und montenegrinischer Städte fand damals keine humanitäre Intervention statt, wie gern behauptet wurde, sondern eine glasklare Aggression, die zu ächten sich die Bundesrepublik Deutschland spätestens 1973 mit ihrem Eintritt in die UNO und dem damit verbundenen Bekenntnis zur deren Charta verpflichtet hatte.Der Kosovo-Krieg an sich wie der Umstand, dass er ohne rechtliche Folgen blieb und eine zweifelhafte Kultur der Straflosigkeit begründen half, sorgten letzten Endes für einen Präzedenzfall, dessen ganze Tragweite sich erst im Rückblick so recht begreifen lässt. Seine Botschaft lautet schlicht: Wird der Krieg wieder als legitimes Mittel der Politik in seine fragwürdigen Rechte eingesetzt, darf eine Bundesregierung das Völkerrecht und das Grundgesetz einfach beiseite legen - politisch und moralisch begründete Entscheidungen stehen darüber. Wer einmal auf diese schiefe Ebene gerät, verliert schnell jeden Halt - ob er nun als Kanzler Entscheidungen trifft oder als BND-Mitarbeiter in Bagdad Dienst tut. Dies zu untersuchen, dürfte sich lohnen.