Bereit sein ist alles: Hamlets berühmtes Wort galt auch 1916
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Es war der erste große bewaffnete Aufstand gegen das britische Empire im noch relativ jungen 20. Jahrhundert. Hundert Jahre später gilt er in Irland als Wendepunkt im Kampf um Unabhängigkeit von fremder Herrschaft. Doch nährt der Jahrestag des Dubliner Aufruhrs von 1916, der als Easter Rising in die Geschichte einging, auch Befürchtungen. Die Erinnerung an den Heroismus der Rebellen von einst, die es schlecht ausgerüstet mit der britischen Armee aufnahmen, könnte den noch immer fragilen Frieden in Nordirland gefährden. Schließlich nehmen republikanische Dissidenten für sich in Anspruch, die wahren Erben der Easter Week von 1916 zu sein.
Die seinerzeit von einigen Literaten, Liebhabern der irischen Sprache, ehemaligen britischen Soldaten und
daten und einem revolutionären Marxisten organisierte Revolte sorgte international für Schlagzeilen. Brisant war sie auch deshalb, weil zu jener Zeit die britische Armee, einschließlich zehntausender Iren, in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges feststeckte.Hundert Jahre später werden Soldaten der republikanischen Armee in die entlegensten Winkel der grünen Insel entsandt, um vor Schulen die grün-weiß-orangene Trikolore zu hissen. Doch hat Kulturministerin Heather Humphreys versichert, ihre Regierung werde nicht zulassen, dass der Jahrestag von republikanischen Hardlinern dazu missbraucht wird, Terrorakte im heutigen Nordirland zu legitimieren.Heimtückischer DolchstoßEinige Historiker glauben, der Jahrestag könnte Republikaner, die den Friedensprozess ablehnen, zu der Behauptung animieren, der Aufstand von einst habe sein Ziel eines vereinten und sozialistischen Irland noch nicht erreicht. Deshalb, so Humphreys, sei die Regierung darum bemüht, auf die Empfindlichkeiten der probritischen Unionisten Rücksicht zu nehmen. Wozu aller Anlass besteht. Die meisten von ihnen sehen den Osteraufstand bis heute als Verrat. Großbritannien habe 1916 im Krieg gegen das Deutsche Reich gestanden, von dem die Rebellen unterstützt wurden. Das sei ein feiger und heimtückischer Dolchstoß in den Rücken der ruhmreichen britischen Streitkräfte gewesen.„Als jemand, der in der Nähe der Grenze zu Nordirland aufgewachsen ist, bin ich mir der bis heute existierenden Empfindlichkeiten bei diesem Thema sehr wohl bewusst. Mit ‚Ireland 2016‘ (so der Name des Programms zur 100-Jahr-Feier) laden wir alle Menschen auf dieser Insel ein, sich zusammen an die Ereignisse zu erinnern. Ich habe Mitglieder der unionistischen Community persönlich getroffen, um mit ihnen über das Programm zu sprechen und sicherzugehen, dass vollauf verstanden wird, mit welcher Haltung die Regierung das Gedenken angeht“, so Humphreys. Sie jedenfalls sei sich bewusst, dass 1916 nicht allein für das Jahr des Osteraufstands stehe, sondern ebenso für die Schlacht an der Somme in Frankreich, die den Unionisten wegen der hohen Verluste – besonders in den Reihen der 36th Ulster Division – geradezu heilig sei. „Die drei Begriffe, die ich verwende, um die Feierlichkeiten zu beschreiben, lauten Respekt, Inklusion und Angemessenheit. Ich denke, es ist die Pflicht des Staates, den Ton vorzugeben, damit das Gedenken niemanden brüskiert. Es darf nicht vergessen werden, dass die Menschen mit Ostern 1916 Unterschiedliches verbinden.“ So hat die Regierung zur Erinnerung an die Schlacht an der Somme das „Somme Commemorative Programme 2016“ aufgelegt, um auch der Kriegszeit gerecht zu werden. Nach den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Easter Rising im April 1966 dauerte es nur drei Jahre, bis es zu den schweren Unruhen kam, die in einen Bürgerkrieg übergingen und fast 4.000 Menschen das Leben kosteten.Placeholder infobox-1David Trimble, einst Erster Minister von Nordirland, der in den 80ern die Entscheidung der britischen Armee rechtfertigte, Patrick Pearse und andere Anführer des Osteraufstandes zu exekutieren, erzählt davon, wie 1966 der Anblick tausender Bewaffneter in den Uniformen der alten IRA, die die O’Connell Street entlangmarschierten, Teile der unionistischen Community aufschrecken ließ. Man dürfe nicht vergessen, dass Reverend Ian Paisley als unionistischer Hardliner vor Ostern 1966 lediglich ein paar hundert Leute auf die Straße bekam, um gegen das Hissen der republikanischen Flagge in Belfast zu protestieren, so Trimble. „Am Ostersonntag 1966 organisierte Paisley dann eine Demonstration gegen die Gedenkfeier zum Osteraufstand. Und diesmal folgten 5.000 seinem Ruf. Von da an baute er seine Machtbasis kontinuierlich aus. Wäre es Ostern 1966 nicht zu diesem chauvinistischen Aufmarsch des Republikanismus gekommen, wäre Paisley vielleicht eine Randfigur geblieben. Ohne seinen Aufstieg und ohne seinen Widerstand gegen Reformen in Nordirland hätte es auch keine Unruhen gegeben“, ist Trimble überzeugt.Darüber, wie die Republik Irland der Ereignisse vor hundert Jahren gedenkt und wie sie die zu interpretieren hat, gehen die Meinungen natürlich auch im Süden der geteilten Insel auseinander. Sinn Féin hat sich entschlossen, das Jubiläum mit einer Reihe eigener Veranstaltungen zu begehen, unabhängig vom offiziellen Regierungsprogramm. Die Partei steht hinter einer großen Ausstellung über den Osteraufstand, die in einem ehemaligen Kino nördlich der O’Connell Street zu sehen ist. Abtrünnige Republikaner, die den mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 besiegelten Kompromissfrieden in Nordirland ablehnen, finden sich unterdessen unter dem Dach der sogenannten „1916 Societies“ zusammen.„Diese Klubs sind ein separatistischer irischer Verbund, der sich seit seiner Gründung 2009 unauffällig, aber schnell ausgebreitet hat und mittlerweile in ganz Irland präsent ist“, so Trimble. „Sie werden von einer Mehrheit der Familien unterstützt, deren Angehörige auf der Ehrenliste der IRA stehen. Es werden immer mehr Nachkommen gefallener IRA-Kombattanten, die sich an die Societies wenden, um ihrer Toten zu gedenken.“Das Erbe der MärtyrerPaul Bew, Professor für irische Politik an der Queen’s University in Belfast, hält das offizielle Programm für ausgewogen. Am besten begehe man den Jahrestag, „indem man die Komplexitäten der Zeit auslotet, anstatt sich in plumpem Nationalismus zu ergehen“. Aus diesem Grund werde dem Umstand Rechnung getragen, „dass während des Aufstandes nicht nur Iren gegen Briten gekämpft haben, sondern dass es sich zugleich um einen inneririschen Konflikt handelte“.Jedenfalls war Irland 1916 noch keine Unabhängigkeit vergönnt. Die Hinrichtung der Anführer des Aufstandes, die dekretierte Wehrpflicht und die Säuberungsaktionen der britischen Armee – einschließlich des Einsatzes der paramilitärischen Black and Tans – trieb die Mehrheit der Bevölkerung in den 26 Counties, aus denen die irische Republik heute besteht, in die Arme von IRA und Sinn Féin. Es war nur folgerichtig, dass mit der Abspaltung der Provinz Nordirland ein noch blutigerer Bürgerkrieg zwischen der unionistischen Mehrheit, die den Anglo-Irish Treaty von 1921 unterstützte, und den katholischen Hardlinern begann, die ihn ablehnten.Im Augenblick amtiert mit Enda Kenny ein Premier der Fine-Gael-Partei, die direkt auf Michael Collins und die von diesem geführte Fraktion der IRA zurückgeht, die 1921 das Abkommen mit Großbritannien akzeptierte. Sie wurde daraufhin durch Generationen von Republikanern beschuldigt, das Erbe der Märtyrer von 1916 verraten zu haben.Placeholder authorbio-1
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