Ein Pfahl gegen die Vergangenheit

Dokumentationszentrum am ehemaligen Reichsparteitagsgelände Für den Architekten Günther Domenig ist der Entwurf auch eine Auseinandersetzung mit seiner Familiengeschichte

Ich schieße einen Speer in den Speer hinein", fasst Günther Domenig sein Projekt zusammen. Das ist die Antwort des Österreichers auf Hitlers Machtdemonstration, die bösartige Sache, die da stattgefunden hat. Der Speer soll ein Symbol sein und er soll durch die Kongresshalle, dem Kopf des Reichsparteitagsgeländes gehen. Domenig will damit die Ideologie der Architektur entmachten. Nach einigen Tassen Espresso, während er den Rauch der x-ten Zigarette in den Besprechungsraum des Nürnberger Albrecht-Dürer-Hotels bläst, fügt der Architekt der Grazer Schule noch hinzu: "Aber ich bin ka Dichter und wenn Architekten anfangen ihre Architektur zu erklären ist eh scho schlecht."

Domenig hat sich durch eine Kärntner Landesausstellung 1995 mit der Wiederbelebung einer Erzproduktionstätte der "Toten Steine" weltweit einen Namen gemacht. Für diese Aufgabe hat der gebürtige Kärntner, wie er sagt, wie ein Verrückter gekämpft. So richtig kann er sich seine Motivation selbst nicht erklären. Vielleicht waren es befremdlichen Heimatgefühle, die ihn getrieben haben:"Ich liebe das Land, ich liebe die Berge und ich hasse die vertrottelten Kärntner." Die Konstruktion am Reichsparteitagsgelände ist so direkt und geradlinig wie Domenigs Sprache. Seine unnachgiebige und, wie er sagt, "bösartige" Konfrontation mit den steinernen Zeugen deutscher Geschichte, liegt vor allem in der Biografie des Österreichers begründet.

Lange Zeit habe er versucht, seine persönliche Vergangenheit zu verschweigen:"Ich hab dann gesehen, es hat keinen Sinn, ganz im Gegenteil, es ist deshalb wesentlich, weil ich mit meinem Bruder radikal nationalsozialistisch erzogen worden bin. Wir haben nie etwas anderes gelernt als eine antisemitische Einstellung. Das hier ist die Aufarbeitung meiner Geschichte." Domenig stammt aus einer bekannten Richterfamilie in Österreich. Der Vater, ein Bezirksrichter in Kärnten, war in der Erinnerung des Sohnes ein gutaussehender Mann in Uniform, der sich gern im Spiegel betrachtet hat, ein perfekter Rhetoriker, der Menschen überzeugen konnte. Während des Krieges war er auch in Triest eingesetzt, wo er mit Todesurteilen von Partisanen zu tun hatte. "Er war ein besessener- wie sagt man - ein versessener Nationalsozialist", sagt Günther Domenig und erzählt dann noch, dass der Vater die Finger von den Frauen nicht lassen hat können. Eine fatale Schwäche, denn nach einem amourösen Abenteuer lauerte ihn eine Gruppe von Partisanen auf, die ihn dann hingerichtet haben. Das muss gegen Ende 1944 gewesen sein - doch daran kann sich der 68-jährige Architekt kaum noch erinnern. Von der Vaterfigur ist beim Sohn vor allem das Bild des attraktiven Mannes hängengeblieben, der "schöner war als wir zwei Brüder zusammen."

Domenigs Mutter, eine Funktionärin der NSDAP, hatte nach dem Krieg massive Schwierigkeiten, sich in der veränderten politischen Situation zurecht zu finden. Dass seine Mutter ihm und seinen Bruder einmal rechts und links eine gescheuert hat, nur weil sie "Negermusik" der Besatzungsmächte gehört haben, das weiß Günther Domenig heute noch ganz genau und er fängt an zu summen - "In the Mood" von Georg Harris. Dann singt er so heftig, als wolle er jetzt noch seiner Mutter trotzen, die erst im hohen Alter die "Fehlerhaftigkeit" des damaligen Systems eingestanden hat. Die genauen Umstände seiner Familiengeschichte hat Günther Domenig erst als junger Mann erfahren, als er anfing, sich mit seiner eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Heute hat er jüdische Freunde und ist, wie er sagt, "weg von der antisemitischen Einstellung". Doch auf einem Spaziergang in den Altstadtgassen der Stadt der Reichsparteitage und der Rassengesetze, ist es ihm durch den Kopf geschossen, dass er sich bis heute wie unter Zwang immer noch fragt: "Is es a Jud oder is es kaner?" Das ist etwas, "was er noch nicht geschafft hat", und es ärgert Günther Domenig ganz "fürchterlich". Es hat ihn soviel Zeit gekostet - die Aufarbeitung der eigenen Geschichte. "Ganze 10 Jahre", sagt er leise, "nur um sich selbst zu befreien".Vielleicht ist er auch deswegen so stolz auf seinen "Pfahl" und auf sein anderes Lieblingsobjekt, "Das Steinhaus" in Steindorf, seine "gebaute Biografie", wie er sie nennt.

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