Der eine Lotse geht diese Woche von Bord: Co-Chefredakteur Kenneth Angst, erst vor sieben Monaten von der Neuen Zürcher Zeitung zur Weltwoche gestoßen, verlässt bereits wieder die Brücke des in schwere See geratenen Flaggschiffs des Zürcher Jean Frey-Verlags. Führungslos ist die so traditions- wie einflussreiche Autorenzeitung deshalb jedoch keineswegs. Vielmehr hat der andere Co-Chef Roger Köppel, den Die Zeit kürzlich zum "größten Talent des Schweizer Journalismus" kürte, jetzt endlich freie Bahn, um den schlingernden Meinungsdampfer ganz auf seinen rechtsliberalen "Anti-Correctness"-Kurs zu bringen. Auch dem verschiedentlich verschobenen Neuauftritt als Mattglanz-Magazin, das zweifellos besser zu Köppels zeitgeistigem Glamour-J
zeitgeistigem Glamour-Journalismus passen würde als das vergleichsweise spröde heutige Layout, stehen nun keine chefredaktionellen Vorbehalte mehr entgegen.Ringier nutzte die Gunst der StundeMit dem für April angekündigten Formatwechsel, mehr noch aber mit seiner politischen Richtungskorrektur leitete der gerade mal 36-Jährige Mitte 2001 den ersten "Braindrain" ein; reihenweise wandten sich damals renommierte Journalisten von der 1932 als antifaschistisches Sprachrohr gegründeten und nun unter Ideologieverdacht stehenden Weltwoche ab. Ende vergangenen Jahres, als sich Ringier den Jean Frey-Verlag krallte, folgte dann der nächste personelle Substanzverlust. Das größte Verlagshaus der Schweiz, unter vielem anderen auch Herausgeberin des Schweizer Bild-Äquivalents Blick, wollte mit aller Finanzmacht aus der Boulevard-Ecke raus und machte der in Liquiditätsschwierigkeiten steckenden bisherigen Besitzerin, der Basler Mediengruppe (BMG), das lukrativste Angebot. 80 Millionen Franken hat Ringier für die seit Jahren defizitäre Weltwoche und ihre unter dem Jean Frey-Dach vereinten drei Schwesterpublikationen Bilanz, Beobachter und TR7 geboten. Angesichts so vieler Nullen bekam das bis dato Ringier-resistente BMG-Management weiche Knie und unterzeichnete einen Vorvertrag - wohl wissend, dass dieser Ausverkauf der Ideale nicht nur weitere Redakteure in die Flucht schlagen, sondern Ringier auch vom Stammtisch bis zum Uniseminar zum gefährlichen Meinungsmonopolisten machen würde. (Nur so zum Vergleich: Man stelle sich vor, Springer übernähme Die Zeit, um die bildungsbürgerliche Bettdecke in ein proletarisches Wärmekissen umzupolen.) Bevor aber die Berner Wettbewerbsbehörde überhaupt aktiv werden konnte, war der Deal auch schon wieder geplatzt: Nach eingehender Buchprüfung schraubte Ringier seine Kaufofferte drastisch runter - und wurde prompt von einem anderen Interessenten überboten. Vom Schmierentheater zum SchurkenstückWomit wir beim - vorerst - letzten Kapitel der wechselhaften Geschichte eines Schweizer Leitmediums wären, zu deren Besitzern in den letzten 15 Jahren unter anderem ein berüchtigter Bankrotteur, ein naiver Lebensmittelhändler und eine stümperhaft operierende Basler Mediengruppe zählten. Mit dem jüngsten Coup droht aus dem bisherigen Schmierentheater nun allerdings definitiv ein helvetisches Schurkenstück zu werden. Denn merke: Medien schaffen Öffentlichkeit und sorgen für Transparenz, auch und gerade im basisdemokratischen Musterländli. Also kann jemand nach landläufiger Meinung nicht Besitzer einer meinungsbildenden Zeitung wie der Weltwoche werden und sich gleichzeitig bedeckt halten. Sollte man zumindest meinen. Aber die Schweiz mit ihren Nummernkonti und Bankgeheimnissen ist in Sachen Heimlichtuerei nun mal bekanntlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Diesem Image macht das Geldwäscher- und Steuerflüchtlingsparadies neuerdings auch medienökonomisch alle Ehre. Als die BMG am 8. Februar bekannt gab, dass Ringier aus dem Rennen und eine kleine Investmentbank namens Swissfirst neue Besitzerin des Jean Frey-Verlags sei, kursierten sofort die wildesten Gerüchte über die Hintermänner dieses selbst für Weltwoche-Verhältnisse spektakulären Deals. Klar war sofort: Die Zuger Privatbanker handelten im Auftrag einer Investorengruppe, schließlich geht das Volumen der Private-Equity-Transaktion in den dreistelligen Millionenbereich. Völlig unklar hingegen ist bis heute die Identität der Anleger, die das Aktienkapital von Weltwoche Co zunächst um 20 bis 30 Millionen Franken aufstocken und die Jean-Frey-Gruppe dann "in drei bis fünf Jahren" in die Gewinnzone zurückbringen wollen. Der Swissfirst-Boss spricht von 20 topseriösen Investoren, die an den Schweizer Medienmarkt glauben und keinerlei politische Interessen verfolgen; linksliberale Stimmen hingegen sprechen von einem "publizistischen Putsch" (Tages-Anzeiger) und fürchten, dass sich Strohmänner des Rechtspopulisten und Milliardärs Christoph Blocher das Blatt unter den Nagel gerissen haben. Für diese Vermutung gibt es zwar eine Reihe von Indizien, der Chemie-Multi und SVP-Einpeitscher selbst aber hat postwendend dementiert. Auch Blocher-Intimus Martin Ebner, Inhaber der BZ-Bank und als solcher reichster Mann der Schweiz, will mit der heiklen Sache nichts zu tun haben. Die Redaktion macht DruckDa solche (in der Tat naheliegenden) Verschwörungstheorien der ohnehin lädierten Glaubwürdigkeit der Weltwoche noch zusätzlich schaden, will die Swissfirst Ende März nun doch den Schleier lüften. Dieses Einlenken hat wohlgemerkt rein wirtschaftliche Gründe, denn ohne Vertrauen der Leserschaft in die Unabhängigkeit ihrer politischen Wochenzeitung lässt sich damit auch kein Geld verdienen. Ohne die ultimative Forderung der Redaktion nach Offenlegung der neuen Eigentumsverhältnisse - "Legen Sie die Karten auf den Tisch" hieß es in einem offenen Brief An unsere Besitzer, der am 12. Februar die Titelseite zierte - würden die Investoren ihre Masken wohl kaum fallen lassen. Im Grunde sind Roger Köppel und seine Crew jedoch ganz froh darüber, dass sie statt dem Ringier-Reich einverleibt zu werden jetzt plötzlich die Selbständigkeit ihrer Zeitung in Aussicht gestellt bekommen. Der um sein intellektuelles Feigenblatt geprellte Blick-Verleger hat derweil offiziell Rache geschworen. In der Weltwoche (!) von letzter Woche versicherte Michael Ringier frank und frei: "Ich will euch weiterhin kaufen". Und die Chancen des Zürcher Tycoons, noch mal zum Zug zu kommen, stehen gar nicht so schlecht: Denn wer immer hinter dieser Übernahme steht, hat zwar ein kurzweiliges Kapitel Schweizer Mediengeschichte geschrieben, aber deshalb noch lange keine Ahnung vom Verlagsgeschäft. Oliver Classen ist Medien- und Kulturjournalist in Zürich.