Ein Schritt vorwärts, zwei zurück?

Italien Die Partei "Rifondazione Comunista" erneuert sich durch Tradition - Thesengewitter vor dem Parteikongress im April

Dem Protest der 500.000 am vergangenen Wochenende gegen Berlusconi mochte sich Rifondazione Comunista (PRC) nicht durch einen eigenen Aufruf anschließen. Zu groß sind noch immer die Differenzen mit der Mitte-Links-Allianz des Ulivo über eine erfolgversprechende Oppositionsstrategie. Außerdem ist der PRC zur Zeit schwer mit sich selbst beschäftigt. Nachgedacht wird über Identität und Ziele einer Partei, die angesichts einer schwindenden Mitgliedschaft gern vom Zulauf der Anti-Globalisierungsbewegung profitieren würde.
Dem Parteikongress Anfang April liegen nun 63 Thesen vor, deren Quintessenz auf die Formel zu bringen wäre: Wir müssen auf all jene zugehen, die in Porto Alegre, Göteborg oder Genua für "eine andere Welt" auf der Straße waren. Wir wollen uns öffnen - ohne Hegemoniebestrebungen. Parteichef Fausto Bertinotti spricht gern von der "Bewegung der Bewegungen", die in seinen Augen eine "eher traditionell gefärbte Arbeiterbewegung" ersetzen könnte.
"Unsere Thesen sind Zeichen für das Entstehen der neuen politischen Kultur eines revolutionären Kommunismus", meint Marco Berlinguer, Sohn des legendären Sekretärs der einstigen Kommunistischen Partei Italiens (PCI) Enrico Berlinguer. Dabei gehe es nicht etwa um gemäßigte, sondern um scharf links konturierte Positionen. Aufgrund der durch die neoliberale Globalisierung provozierten Widersprüche sei die Revolution wieder eine Möglichkeit, heißt es in These 3 ("Sozialismus oder Barbarei"), "ein mögliches Ziel der Menschheitsgeschichte". In der Präambel zu den Thesen beruft sie die Partei denn auch explizit auf die Ideen von Karl Marx (im Gegensatz zu anders lautenden Pressemeldungen gab es in der alten Version keinerlei Hinweis auf sozialistische Denker Italiens, weder auf Gramsci, noch auf Togliatti).
Über die Frage einer Annäherung zwischen Arbeiterbewegung und Globalisierungskritikern hat sich allerdings innerhalb der Partei eine Minderheit herausgebildet, die zu einigen der 63 Thesen Alternativ-Vorschläge präsentiert. Für Marco Berlinguer - selbst Vertreter der Mehrheitslinie - erscheinen sie "bemerkenswert traditionalistisch" im Sinne einer stärkeren Bindung an Identität und Prinzipien einer Kommunistischen Partei. Entscheidende Unterschiede zwischen beiden Fraktionen finden sich vor allem dort, wo es um die Umstände geht, unter denen das strategische Ziel, eine "alternative und plurale Linke Italiens" aufzubauen, erreicht werden kann. Einig ist man sich über die unverzichtbare Allianz mit den Linksdemokraten (DS). Ein erheblicher Dissens entsteht aber, wenn die Minderheiten-Position klar auf die Übernahme von Regierungsverantwortung reflektiert, während sich im Text der Mehrheit darauf kein Hinweis findet. Dort wird lediglich von einer "Plattform der Opposition zur Regierung" gesprochen. Vereinfacht könnte man sagen, dass die Parteimehrheit alles auf die Bewegung und den Aufbau einer oppositionellen Kraft in der Gesellschaft setzt, während die Minderheit am Ende doch eine Regierungsbeteiligung anstrebt.
Beide Seiten plädieren dann wieder einhellig für eine "kapillarische Präsenz" von Rifondazione im ganzen Land, nicht zuletzt, um einer Abkehr der Mitgliedschaft Einhalt zu gebieten. Was die Mehrheit als "Selbstreform der Partei" bezeichnet, wird bei der Minderheit zu "Von den Fundamenten ausgehen: Die Partei potenzieren". Da schimmert das Verständnis der alten Avantgarde-Funktion linker Parteien durch, besonders wenn es heißt: "Aufgabe der Kommunisten ist es, die sozialen Subjekte zu organisieren, die - aufgrund ihrer objektiven Einordnung in die kapitalistische Produktion - potentiell Träger eines Gesellschaftsprojekts alternativ zum Kapitalismus sind: in erster Linie die Arbeiterklasse, die Angestellten, die unsicheren Beschäftigungsverhältnisse und die Arbeitslosen, die feministischen, pazifistischen und ökologischen Bewegungen. Unsere Partei setzt sich das langfristige Ziel, einen sozialen und politischen Block zu bilden, der die Mehrheit der Arbeiterklassen und der Unterdrückten repräsentiert." Dieser Passus fehlt - aus nachvollziehbaren Gründen - in der Mehrheitsversion gänzlich.

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