Das Zerstörungspotenzial von Atommüll ist unvorstellbar. Plutomium etwa hat eine Halbwertszeit von über 24.000 Jahren, und wer schon ein Millionstel Gramm davon einatmet, kann an Lungenkrebs erkranken. Der besonders gefährliche hochradioaktive Abfall, welcher auch Plutonium enthält, summiert sich in Deutschland inzwischen auf knapp 16.000 Tonnen. Sein Volumen umfasst nur 10 Prozent der Gesamtmenge an Atommüll. Die restlichen 90 Prozent sind schwach- oder mittelradioaktiv.
Ob es in Zukunft gelingen kann, diese Hinterlassenschaft der Atomkraftnutzung lange und sicher genug von dem Lebensraum nachfolgender Generationen abzuschirmen, ist fraglich. Bis heute gibt es weltweit weder ein Endlager noch ein überzeugendes Konzept für ein solches. Die "Zwischenla
Zwischenlagerung" ist zumindest in Deutschland völlig unzureichend und die Behälter, in denen die abgebrannten Brennelemente eingeschlossen sind, halten höchstens 40 Jahre lang.Kaum jemand würde heute bestreiten, dass das Grundproblem die Produktion des Atommülls ist. Man sollte meinen, es sei deshalb eine Selbstverständlichkeit, zuerst das Grundproblem zu beseitigen, bevor man über die Finanzierung der "Entsorgung" verhandelt. Um das zu erreichen, müsste die Regierung nicht einmal die offizielle Laufzeit der Reaktoren per Gesetz verkürzen. Bestimmte Maßnahmen – zum Beispiel eine Erhöhung der Brennelementesteuer – würden schon ausreichen, um den Betrieb der AKW unrentabel zu machen. Doch die Bundesregierung beabsichtigt genau das Gegenteil. Nach jetziger Beschlusslage wird Ende diesen Jahres die Brennelementesteuer wegfallen.Dass die Energiekonzerne von der Regierung protegiert werden, spiegelte sich auch in den Verhandlungen jener Kommission wider, deren Name bereits irreführend ist: "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs." Um es klarzustellen: Es geht hier um die Folgekosten der Atomkraftnutzung, nicht um die des Atomausstiegs. Die Zusammensetzung der Kommission ist genauso kritikwürdig. Wer Vertreter und Vertreterinnen von Zivilgesellschaft und Politik mit jenen der Atomwirtschaft über das Verursacherprinzip verhandeln lässt, stellt dieses zur Disposition. Schon im Ansatz ist das äußerst bedenklich. So verwundert nicht, dass ein Ergebnis zustande kam, das von fast allen Umweltorganisationen zurecht scharf kritisiert wird.Nach dem Vorschlag der Kommission soll die Verantwortung für Stilllegung und Rückbau der Reaktoren zwar bei den Betreibern belassen werden. In Bezug auf den Atommüll wird das Verursacherprinzip jedoch ausgehebelt. Gegen die Zahlung einer viel zu geringen Summe von 23,3 Milliarden Euro soll der Staat alle Aufgaben und Finanzierungen übernehmen, die mit der Zwischen- und Endlagerung des radioaktiven Abfalls verbunden sind. Die Summe setzt sich zusammen aus den angenommen Kosten und einem Risikozuschlag.Es ließe sich viel sagen über die Unwägbarkeiten eines sogenannten Endlagers und die damit einhergehende Kostenexplosion. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass Ausbau, Betrieb und beginnende Sanierung des "Versuchsendlagers" Asse bereits zehn Miliarden Euro verschlungen haben – ein Vielfaches der ursprünglich veranschlagten Summe. Niemand kann ausschließen, dass sich in Zukunft ein ähnliches Desaster in einem betriebenen Endlager wiederholt, egal wie sorgsam dieses ausgewählt wurde. Handelt es sich dann noch um hochradioaktiven Müll, der wesentlich gefährlicher und komplizierter zu bergen ist als das Material in der Asse, dann bilden zehn Milliarden Euro nur einen Bruchteil dessen, was für die Sanierung gebraucht würde. Im Vergleich dazu wirkt der mühsam errungene Risikozuschlag von sechs Milliarden Euro geradezu lächerlich.Auch die sogenannte Zwischenlagerung birgt enorme Risiken, und sie kommen innerhalb der nächsten Jahre bereits zum Tragen. Die bestehenden Lagerhallen bieten nicht viel mehr als einen Sicht- und Regenschutz. Zum Teil sind sie noch dünnwandiger als die Halle in Brunsbüttel, deren Betriebsgenehmigung durch ein Gerichtsurteil entzogen wurde. Die Sachverständige Oda Becker legte während des Prozesses dar, wie wenig das Gebäude gegen den Absturz eines Passagierflugzeuges oder den Angriff mit panzerbrechenden Waffen geschützt ist. Wenn man sich vor Augen hält, dass in nur einem befüllten Castor so viel Radioaktivität enthalten ist wie in Tschernobyl freigesetzt wurde, dann erahnt man vielleicht, was passieren kann, wenn ein Zwischenlager stark beschädigt wird.Auch ohne äußere Einwirkungen können Rost und undicht werdende Stellen bei den Lagerbehältern zur verstärkten Freisetzung von Radioaktovität führen. Diese gelangt dann ungehindert durch die Lüftungsschächte in die Umgebung. Eine in dem Fall notwendige Umverpackung des Mülls ist wesentlich aufwändiger als man denken könnte. Da sie nicht im Zwischenlager stattfinden kann, erfolgt diese Prozedur im Gebäude des dazugehörigen Atomkraftwerks. Sobald der Rückbau jedoch abgeschlossen ist, fehlt auch der Schutzraum für die Umverpackung. Eine sogenannte heiße Zelle könnte diesen Zweck erfüllen, sofern sie denn errichtet wird.So unzureichend die Zwischenlager auch sind – noch schwieriger wird die Situation, wenn deren Betriebszeit nach spätestens 40 Jahren ausläuft und ein Endlager noch nicht bereit steht. Allen Experten auf dem Gebiet ist klar, dass für diese Phase eine andere Art von Zwischenlagerung benötigt wird, und der Atommüll neu verpackt werden muss.All diese Schritte sind sehr teuer, und sie wurden von der Atomfinanz-Kommission nicht annähernd berücksichtigt. Ein Posten, der zwar aufgeführt, doch stark unterschätzt wird, ist die "endlagergerechte Verpackung" des Mülls. Auch dafür – wie für jede Art von Umverpackung – soll der Staat aufkommen. Es sind übrigens Kosten, die mit jedem zusätzlichen Castor ansteigen. Da die Konzerne davon befreit werden sollen, können sie dann vollkommen sorglos Müll produzieren. Die Regierung würde also, sofern sie die Empfehlung der Kommission umsetzt, die Restlaufzeiten der AKW noch stärker gewährleisten, statt sie zu verkürzen.Dass man die Kuh nicht schlachten soll, die man melken will – dieses viel beschworene Argument kann nicht für diese Klientelpolitik herhalten. Eine Beibehaltung der Nachschusspflicht bei steigenden Kosten würde die Stromkonzerne wohl kaum in den Ruin treiben. Nichts spricht dagegen, sie kontinierlich und entsprechend ihrer weiteren Einnahmen in den öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen zu lassen. Das würde ihnen den Zugang zu billigem Geld vielleicht erschweren. Für eine Risikobranche ist das allerdings nicht ungewöhnlich. Auch das frühzeitige Abschalten der Atomkraftwerke könnten die Konzerne ohne Weiteres verkraften.Dass sie trotz der riesigen Vorteile für sie das "Kompromisspapier" zunächst abgelehnt haben, ist reine Taktik und zeugt von einer Dreistigkeit, die kaum zu überbieten ist.