Ein Wechsel im Ton, keiner im Kurs

USA/Frankreich Paris baut an der Bühne für die nächste Runde der Konfrontation

Im Grunde wird die Europareise des US-Präsidenten ganz ordentlich für die französische Diplomatie laufen. George W. Bush meidet bei seiner Begegnung mit der Alten Welt die Lichterstadt Paris und damit den Irak-Schwächling und Iran-Appeaser Frankreich. Jacques Chirac gibt dafür den Sonnenkönig der EU in Brüssel. Dort betritt der amerikanische Präsident schließlich erstmals Terrain der EU-Kommission, jene sonderbare Welt der 25, deren Ansprüche ihm Chirac bei einem Treffen unter vier Augen ganz ohne Zweifel auseinandersetzen dürfte. George und Jacques werden keine dicken Freunde mehr, und sehr wahrscheinlich wollen sie es auch nicht: Die Konfrontation mit Washington bringt schließlich politisches Kapital, mit dem die Franzosen zu hantieren verstehen. Das war kaum je anders seit Ende des Zweiten Weltkrieges - mehr als friedliche Koexistenz soll nun auch in den verbleibenden zwei Amtsjahren des französischen Staatschefs nicht sein. Dem Republikaner und Wahl-Texaner Bush sind die Franzosen ohnehin viel zu kompliziert.

An der Bühne für ein neues Kräftemessen zwischen Washington und Paris nach dem Drama des Irak-Krieges wird schon heftig gearbeitet. Das Dekor ist zurückhaltender, das Licht sanfter. "Es gibt einen Tonwechsel, aber keinen Kurswechsel", sagt Pierre Lellouche, der sicherheitspolitische Experte der Regierungspartei UMP, über die neue Freundlichkeit und den alten Starrsinn der Regierung Bush. Und die Franzosen tun es den Amerikanern sehr wohl gleich: Artig empfing die Regierung die neue US-Außenministerin in Paris und tat doch nichts, um die Kommentare über Condoleezza Rices allzu schlichte Rede zu den transatlantischen Beziehungen ("Wir auf der richtigen Seite der Freiheit haben die Pflicht, jenen Unglücklichen, die auf der falschen Seite geboren wurden, zu helfen.") zurecht zu rücken. Nicht alle Probleme dieser Welt ließen sich mit der Verbreitung von Freiheit lösen, merkte etwa der ehemalige Präsident Valéry Giscard d´Estaing an.

Erstmals seit dem von Charles de Gaulle verfügten Hinauswurf der NATO aus Frankreich 1966 lud die Regierung zu einem Treffen der Verteidigungsminister der Allianz nach Nizza ein. Michèle Alliot-Marie nutzte das Forum gern, um ihrem Kollegen Donald Rumsfeld die Unabhängigkeit der Europäer zu demonstrieren. In der NATO gebe es zwei Ebenen, so belehrte die französische Verteidigungsministerin, die im persönlichen Umgang mindestens so rüde sein kann wie der Pentagon-Chef, "die politische Ebene, die auf dem Konsens beruht, und die technische Anwendung, die bedeutet, dass jedes Land - als Herr seiner eigenen Truppen und Mittel - an den Operationen teilnimmt oder nicht teilnimmt".

Auf dem Grat zwischen "Politik" und ihrer "technischen Anwendung" innerhalb der NATO wird Frankreich in den kommenden Jahren wandern und dabei die USA herausfordern. Den Wunsch nach einer eigenständigen europäischen - will heißen: von Paris dominierten - Verteidigungsorganisation hat man nicht aufgegeben. Der Nizza-Gipfel Anfang des Monats schien allerdings eine weitere Etappe auf dem Weg zurück in die Allianz, aus deren militärischer Integration Frankreich vor bald 40 Jahren ausgestiegen war. Ohne Präsenz in den NATO-Gremien, so sieht es Paris realistisch, wird man die nun geplante Ausdehnung von Militärbündnissen der NATO auf den "größeren Nahen Osten" von Kairo bis Kabul nicht mitsteuern können. An frazösischen Co-Piloten ist Washington allerdings nicht interessiert, wie Pierre Lellouche zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz feststellen konnte. Der Parlamentarier forderte Donald Rumsfeld heraus und fragte, ob der Glaubenssatz, "the mission determines the coalition" - "der Auftrag bestimmt die Koalition" wie zu Zeiten des Irak- und Afghanistan-Krieges noch gelte. Sollte das der Fall sein, so Lellouche, dann sei "für die NATO kein Platz mehr". Er erhielt eine prompte Abfuhr. Die USA wollten auch künftig keine langen Debatten über Militäreinsätze führen, sondern willige Bündnispartner einsammeln - "die Welt ist, wie sie ist", schloss Rumsfelds Antwort.


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