Ein Windpark ist keine Autofirma

EU-Politik Trotz sich häufender Gipfelkonferenzen der EU bleibt offen, ob dem Europa der 27 eine gemeinsame Reaktion auf die Krise gelingt. Nationale Egoismen drängen sich vor

Jetzt streitet die EU über ihr Konjunkturprogramm. Ein Vorschlag der EU-Kommission spaltet Europa in drei Lager. Das Programm, das fünf Milliarden Euro umfasst, sollte größtenteils für schnell wirkende Maßnahmen im Energiesektor ausgegeben werden: die Gaspipeline Nabucco, Energie-Verbindungsstellen im Baltikum und Südeuropa, Windparks in der Nordsee, Pilotprojekte für die Lagerung von Kohlendioxid. Da das Programm vor allem Projekte osteuropäischer Länder finanzieren würde, wird es von diesen unterstützt, und der tschechische Ratsvorsitz macht sich dafür stark; aus dem gleichen Grund behauptet Österreichs Außenminister Spindelegger, das Programm sei "geografisch und sektoriell unausgewogen", und mehrere südliche Länder, Spanien, Portugal, Griechenland, auch Ungarn, pflichten ihm bei. Die dritte Gruppe besteht aus einigen reichen Ländern, die das Geld zur Finanzierung hergeben müssten: Großbritannien, die Niederlande und vor allem Deutschland.

Natürlich wolle Deutschland das Programm nicht zu Fall bringen, beeilt sich Außenminister Steinmeier zu erklären. Aber: "Wir sind schon für eine genaue Prüfung dessen, was denn Konjunkturstimulierungen genau sind." Ein "großer Teil der vorgeschlagenen Maßnahmen" habe diesen Charakter "leider" nicht. Geld hat er auch nicht übrig. Die eingeforderte Summe von fünf Milliarden Euro, sagt er, könne nur entweder durch nachträgliche Umschichtung von Geld, das in der Finanzplanung für 2008 vorgesehen war, finanziert werden, oder man müsse das Budget erhöhen, was er ablehnt. Die EU-Kommission bestreitet es, nach ihren Angaben wurde 2008 nicht alles ausgegeben.

Dieser Streit zeigt zweierlei. Zum einen ist es überhaupt noch nicht ausgemacht, ob den Europäern eine gemeinsame Reaktion auf die Krise gelingt. Nationale Egoismen drängen sich vor. Die EU-Kommission denkt voraus, von der Bundesregierung wird sie dafür gemaßregelt, sie wisse nicht, wie man eine Konjunktur stimuliert. Steinmeier kann ja nicht einfach sagen, er sei nur an der Stimulierung der deutschen, nicht aber der europäischen Konjunktur interessiert.

Zum anderen geht es um Ökologie. Windparks in der Nordsee würden doch auch Deutschland nützen. Aber diese Chance wird nicht ergriffen. Vermutlich sind es gerade die Windparks, bei denen Steinmeier "genau prüft", ob sie denn wirklich einen konjunkturstimulierenden Charakter haben. Ein Windpark ist schließlich keine Autofirma! Der Konservatismus seiner Produktionspolitik wird Deutschland noch das Genick brechen.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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