Eine Ampel ohne Rot

Liberale Die FDP bringt sich als Koalitionspartner ins Spiel. Wie realistisch wäre eine Regierungsbeteiligung im Bund?
Ausgabe 11/2021
Die FDP und ihr kompetentes Spitzenpersonal für potentielle Ampelregierungen
Die FDP und ihr kompetentes Spitzenpersonal für potentielle Ampelregierungen

Foto: IPON/IMAGO

Es war eine unverhohlene Drohung: „Jetzt ist es Zeit, dass die FDP auch im Bund die Verantwortung für unser Land übernimmt“, sagte FDP-Chef Christian Lindner schon vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und als am vergangenen Sonntagabend klar war, dass Lindners Partei zumindest in Baden-Württemberg auf Stabilisierungskurs segelt, gab es kein Halten mehr. „Die FDP will regieren“, sagte Lindners Generalsekretär Volker Wissing. Und: „Die FDP ist bereit und in der Lage, Verantwortung zu übernehmen.“

Beim ersten Hinhören klang Wissing, der ja in Rheinland-Pfalz als Wirtschaftsminister mit Malu Dreyers SPD und den Grünen regiert, etwas ampelfreudiger als sein Chef. Der wirkte am Montag zumindest etwas zurückhaltender, jedenfalls mit Blick auf den Bund: „Die Grünen von Herrn Kretschmann unterscheidet manches von den nach links strebenden Grünen im Bund.“

Es wird weder Wissing noch Lindner stören, dass daraus in der Berichterstattung ein kleiner Widerspruch entstand. Ein bisschen mehr Ampel-Freude hier, ein bisschen mehr Skepsis dort – das bietet immerhin die Chance, das schwarz-gelbe Publikum und Teile des grün-roten Spektrums gleichzeitig zu erreichen.

Allerdings existieren die unterschiedlichen Akzente in der Tat nur auf den ersten Blick. Wissing sagt nämlich auch: „Wenn aber unsere Inhalte nicht umsetzbar sind (…), da kann die FDP keine Regierungsbeteiligung übernehmen.“ Und er wird nicht müde, uralte Kampfbegriffe vorzubeten: „Steuererhöhungen“ und eine „Einheits-Krankenversicherung“, das gehe mit seiner Partei natürlich nicht. Sogar die von niemandem erhobene, aber den Grünen unterstellte Forderung, „Einfamilienhäuser zu verbieten“, weist Lindners Generalsekretär ungefragt zurück.

„Eigenständigkeit“ heißt die neue Zauberformel der Wirtschaftsliberalen, und sie bezieht sich sowohl auf Koalitionsfragen als auch auf Inhalte: Wir können mit allen, aber eben „nicht um jeden Preis“, so die Botschaft, die inzwischen offensiv unterlegt wird mit der Geschichte vom mutigen Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen mit Union und Grünen nach der Wahl 2017. Und dass es der FDP gelungen ist, ihren Lobbyismus für Wirtschaftsinteressen mit halbwegs seriöser Kritik an der Corona-Politik der Großen Koalition zu verbinden und damit aus der Opposition heraus sichtbar zu werden, kann bei der Positionierung als eigenständige Kraft sicher nicht schaden.

Was aber heißt: Nicht um jeden Preis? Wissings Kernpunkte – ins Deutsche übersetzt „Kein gerechteres Steuersystem“ und „Keine Bürgerversicherung“ – sind mit Grünen und SPD ungefähr so gut durchzusetzen wie Bundeswehreinsätze ohne UN-Mandat mit der Linken. Sollten Inhalte und programmatische Aussagen von Parteien noch irgendeine Rolle spielen, dann ist die Ampel mindestens so unpraktikabel wie Grün-Rot-Rot beziehungsweise Rot-Grün-Rot. Nur dass über die vermeintliche Unvereinbarkeit von Rot-Grün mit der FDP fast niemand redet, über die mit der Linkspartei aber fast alle.

Es war schon fast erschütternd, zu sehen, wie SPD-Vorständler Kevin Kühnert vor den Wahlen ganzseitig in der Zeit mit der FDP kokettierte und danach das Ampel-Spiel eines Olaf Scholz mitspielte. Kevin Kühnert: War das nicht dieser Juso, der die Sozialdemokratie nach links steuern wollte? Vielleicht hätte er sich noch mal anhören sollen, was Christian Lindner im Februar zur Impfstrategie sagte: Eine „Tempo-Prämie“ für Pharmafirmen müsse her, wenn sie schneller produzierten als geplant. Auf Deutsch: Wenn es darum geht, die Corona-Profitmarge der Unternehmen zu erhöhen, ist der sonst so böse Staat gefragt. Und das mit der SPD? Schon wäre etwas ganz Neues erfunden: eine Ampel ohne Rot.

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