Eine Anleitung zum Widerstand: Mit Superkleber gegen Superreiche

Aufruf Aktionen gegen den Klimawandel müssen etwas bringen. Ein UdK-Kollektiv ermutigt zu extremen Aktionen in einer extremen Gesellschaft
Ausgabe 04/2023
Eine Anleitung zum Widerstand: Mit Superkleber gegen Superreiche

Illustration: der Freitag

1. Sich an Reiche kleben

Neukombination der Protestformen

Soziale Ungleichheit und Klimaverschmutzung haben einen nicht zu unterschätzenden Faktor: Superreiche, die sich nicht als Teil des gesellschaftlichen Miteinanders verstehen.

Widerstand gegen gesellschaftliche Handlungslosigkeit ist wichtig. Doch was tun, wenn die Gesellschaft an sich extremistisch ist – und jede Form zielgerichteter ziviler Widerstände absolut absurd wirkt? Wie demonstriert man gegen etwas Abstraktes, wie systemisches Versagen? Es gilt, den größten Hebel zu finden und an die Wurzel des Problems vorzudringen.

Statt auf der Straße genervte Autofahrende aufzuhalten und damit Mittelstand und ärmere Bevölkerungsschichten zu drangsalieren, sollte sich der Protest besonders auf eine Zielgruppe konzentrieren: „Ultra High Net Worth Individuals“, die jeweils mehr als 30 Millionen US-Dollar an Vermögenswerten besitzen. Warum? Das besprechen wir später. Zuallererst wollen wir uns produktiv dem Kern widmen: der Protestform.

Absurden gesellschaftlichen Zuständen kann man nur mit absurden Protestformen entgegentreten. Deshalb ist hier eine unvollständige Liste absurden Widerstands in einer extremistischen Gesellschaft:

Sich an Reiche kleben

Straßen und öffentliche Museen treffen vielleicht Aufmerksamkeits-Nerven der Gesellschaft. Aber das tun auch Superreiche. Reiche verursachen die meisten ihrer Emissionen über ihre luxusgetriebene Mobilität. Sich an sie zu kleben, hindert sie effektiv an der Wahrnehmung dieser Mobilitätsmöglichkeiten. Dies beinhaltet auch Beförderungsmittel der Superreichen-Klimaverbrecher: Privatjets und Superjachten.

Superjachten statt Schiffe versenken

Superjachten sind das ultimative Statussymbol der Klimaverbrecher – jedenfalls nach dem unsinnigen Ins-All-Schießen von phallusförmigen Raketen. Es wäre doch sehr schade, würden diese Jachten nicht als Mahnmal der Schande gelten und stetig in jeglichen Häfen von Protesten und oranger Farbe begrüßt. Drohnen mit Farbbeuteln und eine interaktive Karte, die diese Klimaverpester mappt und ihren CO₂-Ausstoß gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung deutlich macht, sind ein effektives Mittel, das Statussymbol in ein Mahnmal der Schande zu transformieren. Dies gilt auch für die Konzerne, die diese Superjachten produzieren, und die Werften, in denen sie gebaut werden.

Privatjets in den Flugsimulator verbannen

Ein aktueller Bericht von Yard, einer in Großbritannien ansässigen Agentur für Nachhaltigkeitsmarketing, analysierte die Flugdaten der Prominenten mit den schlimmsten Privatjet-Emissionen. Taylor Swift führt die Liste mit mehr als 170 Flügen seit Januar an, die insgesamt 15,9 Tage in der Luft waren und rund 8.300 Tonnen CO₂-Emissionen verursachten. Das entspricht dem gesamten Energieverbrauch von über 1.000 Haushalten in den USA in einem Jahr.

Der mittlerweile von Elon Musk gesperrte Twitter-Account Celebjets trackte diese Flüge bereits. Privatjets bieten eine wunderbare Fläche für Kleb- und Farbaktionen jeglicher Art. Der einzige Ort, wo diese Form des Reisens existieren sollte, ist ein Flugsimulator.

2. Warum nicht Klima-Kleber extremistisch sind, sondern die Gesellschaft

Von einer extremistischen Gesellschaft, die den eigenen Untergang akzeptiert

Die Debatten über die Klimakatastrophe fokussieren sich in weiten Teilen der Gesellschaft nicht auf Ursachen oder Lösungen. Der Diskurs dreht sich zu einem großen Teil nur noch um zivilgesellschaftliche Selbstverständlichkeiten, politische Protestformen und deren Legitimität, Radikalisierung, oder: Klima-Kleber.

Auch werden neue Beschreibungen erfunden wie „Anpassung an den Klimawandel“: in der Debatte ein viel genutzter Begriff und eine sehr schöne Umschreibung für eine Zukunft die, nach wissenschaftlichen Studien, aus Genozid, Massensterben, Bürgerkriegen, Ressourcenkriegen und tiefgreifender Armut und Hunger besteht. Kurz: dem Ende der menschlichen Zivilisation und damit auch der Demokratie. In Anbetracht dieser Erkenntnisse ist es sinnvoll, die Perspektive zu wechseln: Extremistisch ist nicht das Individuum, das aufbegehrt und versucht, Aufmerksamkeit auf die drohende Zukunft zu lenken. Extremistisch ist die Gesellschaft, die diese drohende Zukunft ausblendet und den Wohlstand der Gegenwart gegen die Zerstörung jeglicher Lebensgrundlagen in der Zukunft ausspielt.

Der Perspektivwechsel ermöglicht die Betrachtung eines besonders extremen und unnötigen Bestandteils dieses gesellschaftlichen Einsatzes für den zivilisatorischen Untergang, den der sozialen Ungleichheit und deren Auswirkung auf die Beschleunigung der Klimakatastrophe. Kurz: Superreiche.

3. Klima & Ungleichheit. Wie Musk, Bezos and Friends den Planeten zerstören

Und nun zu den Fakten

Die weltweiten Einkommens- und Vermögensunterschiede sind eng mit ökologischen Ungleichheiten und ungleichen Beiträgen zum Klimawandel verbunden. Das zeigt der World Unequality Report 2022: Im Durchschnitt stößt der Mensch pro Kopf und Jahr 6,6 Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO₂) aus. Die oberen zehn Prozent der Emittenten sind jedoch für fast 50 Prozent aller Emissionen verantwortlich, während die unteren 50 Prozent bis zu zwölf Prozent der Gesamtemissionen verursachen. Diese Ungleichheit ist absolut extrem.

Der World Unequality Report 2022 zeigt auch: Die ärmere Hälfte der Bevölkerung in den reichen Ländern hat die von den reichen Ländern für 2030 gesetzten Klimaziele bereits erreicht (oder ist nah dran), wenn diese Ziele auf Pro-Kopf-Basis ausgedrückt werden. Bei der reicheren Hälfte der Bevölkerung ist dies nicht der Fall. Große Ungleichheiten bei den Emissionen legen nahe: Die Klimapolitik sollte stärker auf reiche Verschmutzter abzielen. Denn: Bislang haben klimapolitische Maßnahmen wie Kohlenstoffsteuern oft unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf Gruppen mit niedrigem und mittlerem Einkommen, während die Konsumgewohnheiten der reichsten Gruppen unverändert blieben.

Das war jedoch nicht alles: Die Auswirkungen von Ungleichheit auf das Klima werden noch absurder.

Superreiche – Superverschmutzung

Die Superreichen, also die 2.095 Milliardäre auf der Forbes-Liste, gehören zu den rund 300.000 „Ultra High Net Worth Individuals“, die jeweils mehr als 30 Millionen US-Dollar an Vermögenswerten besitzen (Wealth-X 2018) – und zusammen 31,5 Billionen US-Dollar an Vermögenswerten besitzen. Das sind schätzungsweise elf Prozent des gesamten Geldvermögens der Welt.

Wenn man sich den Beitrag zur Umweltverschmutzung der Superreichen anschaut, wird die Radikalität besonders deutlich: Allein das reichste Prozent (circa 63 Millionen Menschen) war für 15 Prozent der kumulierten Emissionen und neun Prozent des Kohlenstoffbudgets verantwortlich. Das ist doppelt so viel wie bei der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung. Das zeigt ein Report der Nichtregierungsorganisation Oxfam.

Eine Studie untersuchte zuletzt die Emissionen von zwanzig der reichsten Milliardäre der Welt. Das Ergebnis: Jeder von ihnen stößt im Durchschnitt 8.000 Tonnen Kohlendioxid aus. Zum Vergleich: Der Durchschnittsbürger in einem reichen Land kommt auf etwa sechs Tonnen. Und die Menge, die benötigt wird, um das globale Sicherheitsziel von 1,5 Grad zu erreichen, liegt bei etwas mehr als zwei Tonnen pro Person. Eine neue Analyse der Privatjetflüge der Superreichen hat außerdem ergeben, dass die Prominenten und Milliardäre in einer Minute mehr Kohlendioxid ausstoßen als normale Menschen in einem Jahr.

Der Konsum von Milliardären ist nicht nur deshalb problematisch, weil er kohlenstoffintensiv ist. Die Forscher Beatriz Barros und Richard Wilk nennen einen weiteren Grund: Letztlich untergräbt er den öffentlichen Konsens, der Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen und zur Abwendung einer Klimakatastrophe unterstützen könnte.

Oxfam: Milliardäre auf der ganzen Welt „plündern den Planeten“

Die radikalen gesellschaftlichen Gegebenheiten, die zur Klimakatastrophe führen, werden zu wenig diskutiert. Insbesondere wenn es um Ungleichheit geht, gibt es ein mediales Schweigen. Dabei ist der Zusammenhang zwischen extremem Reichtum und unvergleichbarer Klimaverschmutzung enorm hoch. Während die Normalsterblichen Verzicht üben sollen, fliegen die Superreichen mit dem Privatjet von Jacht zu Jacht und emittieren so viele CO₂-Emissionen, dass jeglicher Verzicht der breiteren Bevölkerung dagegen ins Lächerliche gezogen wird.

Was soll man also tun, wenn Elon Musk, Jeff Bezos and Friends den Planeten vernichten? Eine Lösung wäre: Widerstand.

* Ein politisches Kollektiv der Universität der Künste Berlin aus Professor*innen, Lehrenden, Studierenden und Alumni der Udk u. a.

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