Eine Corona-App kann Freiheitsrechte schützen

Tracking Ein System, das Infizierte zurückverfolgen kann, muss höchsten datenschutzrechtlichen Ansprüchen genügen. Dann kann es auch helfen
Ausgabe 15/2020
I always feel like somebody's watching me
I always feel like somebody's watching me

Foto: Emmanuele Contini/Imago Images

Trotz wunderbaren Frühlingswetters spielt die Musik gerade in den eigenen vier Wänden: Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen. „Flatten the curve“ heißt das Gebot der Stunde, und das erfordert, wenigstens in den ersten Wochen, direkte Kontakte zwischen insbesondere fremden Menschen auf ein Minimum zu reduzieren. Der Zeitfaktor ist für die Eindämmung aufgrund einer tückischen Eigenschaft der Covid-19-Erkrankung besonders kritisch: Infizierte Personen sind längst ansteckend, bevor sie selbst erste Symptome bemerken – und manche Menschen entwickeln keinerlei nennenswerte Krankheitszeichen. Auf Symptome zu warten, führt daher dazu, dass sich die Infektion unnötig weiter ausbreitet. Umso wichtiger ist es, bei einer erkannten Erkrankung die Kontaktpersonen sehr schnell zu isolieren.

Bisher übernehmen diese Aufgabe die Gesundheitsämter analog: Infizierte werden gebeten, Fragebögen auszufüllen, in denen sie angeben, mit wem sie Kontakt hatten. Personen, die ihnen noch einfallen, müssen dann mühsam namhaft gemacht werden, um sie informieren zu können. So geht viel wertvolle Zeit verloren, in der die ahnungslosen Kontaktpersonen andere infizieren.

Inzwischen zeichnet sich zu diesem überkommenen System eine elektronische Alternative ab: Smartphone-Apps können mithilfe der Bluetooth-Technologie eine Art anonymes digitales Logbuch führen, welche anderen Smartphones sich für einen bestimmten Zeitraum in einer Corona-kritischen Distanz befunden haben. Erweisen sich Nutzer und Nutzerinnen eines solchen Smartphones als infiziert, so können automatisch alle Handys angeschrieben werden, bei denen die Nähe im infektiösen Zeitraum für ein besonders hohes Infektionsrisiko spricht. Auf diese Weise können mögliche Infizierte schnell und vor allem automatisch informiert werden.

Solche Contact-Tracing-Systeme müssen höchsten Ansprüchen an Datenschutz und Datensicherheit genügen. Und erfreulicherweise kommt das beschriebene System ohne personenbezogene Daten aus: Name und Anschrift sind nicht erforderlich – die Kommunikation verläuft alleine zwischen zwei Handys. Auch Ortsdaten werden nicht verarbeitet, denn es ist egal, ob eine Corona-kritische Begegnung an der Bushaltestelle oder bei einer Sitzung stattfand. Nicht einmal die Handynummer ist nötig. Entscheidend ist allein die Nähe, nicht deren Ort oder der genaue Zeitpunkt. Damit riskiert man auch nicht, dass Bewegungsprofile erstellt werden.

Zunächst wecken solche Apps Abwehrreflexe vor dem Big Brother. Vor allem, wenn im Raume steht, dass bei der Umsetzung der App auf Unterstützung von privaten, auf Überwachung spezialisierten Big-Data-Unternehmen wie Palantir gebaut wird.

Denn App ist nicht gleich App, entscheidend ist die konkrete Umsetzung der Idee. Wenn man sie aber sauber und offen programmiert, wenn eine Verwendung der Daten zu anderen Zwecken als der Corona-Bekämpfung ausgeschlossen ist und wenn die Nutzung freiwillig ist, dann können sie einen wertvollen Beitrag leisten, damit Kontaktverbote möglichst schnell wieder gelockert werden. Solche Apps würden damit einen aktiven Beitrag leisten, um Freiheitsrechte zu schützen.

Ulf Buermeyer ist Jurist, Podcaster (Lage der Nation) und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF)

Malte Spitz ist Datenschutzexperte, Autor (Daten – das Öl des 21. Jahrhunderts?) und Generalsekretär der GFF

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