Eine Dichterfreundschaft

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Ein Widmungsgedicht, ein Freundschaftspoem. Man könnte auch von einem "lyrischen Brief" sprechen, denn der Text ist tatsächlich an ein Gegenüber gerichtet: an den Schriftsteller, langjährigen Herausgeber von Zeitschriften und Anthologien, Kritiker und Förderer unbekannter Talente Hans Bender - ein Genie der Freundschaft, Nähe mit Distanz, Mitteilsamkeit mit Diskretion verbindend. Die vermutlich intensivste Dichterfreundschaft, die Hans Bender je einging, galt dem Basler Lyriker und Erzähler Rainer Brambach, der im Unterschied zu dem eher stillen und vorsichtigen Schreibtischmenschen ein Naturbursche gewesen sein dürfte, der dem Literaturbetrieb fernstand, ein vitaler Lebenskünstler und Frauenfreund, der sein Geld als Steinmetz und im Gartenbau verdiente: "Ich muß täglich neuneinhalb Stunden körperlich schwer arbeiten."

Schon 1954, im ersten Heft der Akzente, deren Mitbegründer er war, hat Bender drei Gedichte des ihm von Günter Eich empfohlenen Brambach abgedruckt, und er hat ihn auch weiterhin mehr als irgendeinen anderen Dichter gefördert. So bekam Brambach auf Benders Betreiben hin 1955 in Straßburg den Hugo Jacobi-Preis verliehen. Man besuchte einander in Oftersheim, Mannheim, Basel und später in Köln; zwischendurch ermahnte Bender den Freund: "Hoffentlich hast du nicht nur getrunken, sondern auch einige neue Verse geschrieben, denn überall hört man die Klage: der Brambach produziert zu wenig."

So verschieden Bender und Brambach, Charakter wie Lebensführung betreffend, auch waren, sie verband vor allem die Liebe zur Literatur und ein ähnliches Verständnis vom Schreiben. Beide verzichteten auf große Worte, bevorzugten den einfachen Ausdruck, eine alltagsnahe, "natürliche" Sprache, einen kargen, doch warmherzigen Ton. Das demonstriert auch der vorliegende Brief an Hans Bender. Er besteht aus zwei Strophen zu je acht Versen und wird geprägt durch einen sich wiederholenden pointierten Auftakt ("Für uns", "Für dich", "Für mich"). Die erste Strophe nennt die von Bender herausgegebenen Zeitschriften Konturen (1952/53) und Akzente (1954-1980), skizziert auch dessen Herkunftslandschaft im Kraichgau und am Oberrhein mit Tabak und Wein und der von ihm geliebten "Silberpappel". In einigen Briefen hat Brambach später den Freund an "das Tabakfeld in Oftersheim" erinnert (das Bender übrigens auch bedichtet hat); es galt ihm als Sinnbild ihrer mal mehr mal weniger bewegten Jugend. Die zweite Strophe zeigt jeden an seinem besonderen Arbeitsplatz und spielt am Ende auf jene erste Preisverleihung in Straßburg an, mit der die Lebensfreundschaft begann.

Brambach schrieb dieses kraftvoll-positive, Nähe be- wie erzeugende Freundschaftsgedicht 1962 für eine Jubiläumsnummer der Akzente, worin es jedoch nicht erschien, Vielleicht hatte der Mitherausgeber Höllerer Einwände. Bender veröffentlichte es erstmals 1965 in dem ebenfalls von ihm (mit-)edierten Jahresring.

Der so naturverbundene Rainer Brambach, der Trauerweiden mit der Axt zusetzte, gilt in der Schweiz neben Walter Gross als herausragender Lyriker seiner Generation (beide haben einen proletarischen Hintergrund). In Deutschland, wo man seltsamerweise intellektuelle und experimentelle Dichter bevorzugt, scheint sein Werk - "gutes Schwarzbrot", wie er es selbst nannte - weithin vergessen, was nicht nur seinen noch immer in der Kölner Taubengasse wohnenden Freund und Förderer traurig stimmen dürfte.

Rainer Brambach wurde 1917 in Basel geboren und starb dort 1983. Das vorgestellte Gedicht erschien zuletzt in Gesammelte Gedichte, Zürich 2003. Der Briefwechsel zwischen Hans Bender und Rainer Brambach kam 1997 im Verlag Hase Koehler in Mainz heraus.


Rainer Brambach

Brief an Hans Bender

Für uns die Konturen,
die Akzente.
Für uns das Tabaksfeld mannshoch
und der Weinberg im Badischen Land.
Für uns die Silberpappel am Rhein,
der Vogelschwarm unter den Wolken,
und von mir aus alles,
was über den Wolken ist.

Für dich der Tisch, das Papier
und die verläßliche Feder -
Für mich die Axt,
ich mag Trauerweiden nicht.
Was sind das für Bäume,
die zu Boden zeigen, Hans,
seit Straßburg neben mir unterwegs
auf dieser Erde.

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