Benjamin Netanjahus Bann ist gebrochen. Das ist eine der Gewissheiten der israelischen Parlamentswahl, schon bevor deren Ergebnis in Bezug auf die Regierungsbildung gewiss ist. Wie schon im April gerieten die Wahlen zu einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Netanjahus Likud und dem Wahlbündnis Blau-Weiß unter Benny Gantz.
Anders als erwartet, waren die Israelis durchaus motiviert, nach fünf Monaten abermals zu wählen. Selbst die palästinensischen Bürger des Landes ließen sich von der Stimmabgabe diesmal nicht abhalten, ihrer Verdrossenheit über die politischen Verhältnisse zum Trotz. Dass die arabischen Parteien sich wieder zu einer Gemeinsamen Liste zusammengefunden haben, hat sie jetzt zur drittgrößten Kraft in der Knesset gemacht. An einer Koalition werden sie allerdings nicht beteiligt werden, dafür wird allein schon Avigdor Lieberman sorgen. Der Chef von Jisra’el Beitenu, der Netanjahu bei der Regierungsbildung im April einen Strich durch die Rechnung machte, hat sein Ziel erreicht: Seine Partei wird wohl mit dem Likud und Blau-Weiß in der künftigen Regierung sitzen – vermutlich ohne Netanjahu.
Die Wähler waren nicht des Wählens, sondern ihres Ministerpräsidenten müde. Netanjahus hetzerische Rhetorik gegen Araber und die linke Zivilgesellschaft hat nicht mehr genügend gezogen. Seine Ankündigung, 30 bis 40 Prozent der Westbank zu annektieren, wirkte zwar bei Rechten wie bei Nationalreligiösen weiter, sie werden auch in der 22. Knesset ihren ungebrochenen Einfluss geltend machen. Ein anderer Verbündeter, die Nachfolgepartei der rechtsextremistischen Kahanisten, Otzma Jehudit, scheiterte indes an der 3,25-Prozent-Hürde. Die Labour Partei und das neu gegründete Parteibündnis Demokratische Union, dem auch der einstige Labour-Ministerpräsident Ehud Barak angehört, werden im neuen Parlament mitreden können, wenngleich weiter schwach vertreten sein.
Die Israelis haben beschlossen, sich ihr demokratisches System von Netanjahu nicht weiter zerstören zu lassen. Dessen politische Karriere geht ihrem Ende entgegen, im Oktober wird er sich wohl juristisch den Korruptionsvorwürfen stellen müssen. Ein Hauch von frischer Brise zieht durch Israel. Ein Votum, die Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden, war das jedoch nicht.
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