Im September fand in Asien und Europa die "People´s Caravan for Food Sovereignty" (Bürgerkampagne für Nahrungsmittelsouveränität) statt. Bei den ungefähr vierzig Veranstaltungen von ging es den VertreterInnen einer breiten NGO-Koalition um den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und das Recht auf selbstbestimmten Anbau von landwirtschaftlichen Produkten. Drei Gäste aus Asien, Irene Fernandez, Giovanni Tapang und Karsten Wolff, die den europäischen Zweig der Caravan begleiteten, berichten über die Hintergründe.
FREITAG: Eine People´s Caravan gab es schon einmal vor vier Jahren. Damals ging es um die Nahrungsmittelsicherheit im Sinne der Produktion von gesunden Nahrungsmitteln ohne Gifte. Was bewegt die Caravan in diesem Jahr?
IRENE FERNANDEZ: Bei der letzten Caravan im Jahre 2000 ging es vor allem um die Verwendung von Pestiziden. Dieses Mal sind die Themen sehr viel grundsätzlicher und drehen sich zum Beispiel um die Forderung, die Welthandelsorganisation (WTO) aus der Landwirtschaft heraus zu halten. 2005 findet ein Treffen der WTO in Hongkong statt und die Caravan diente auch der Mobilisierung des Protests für das nächste Jahr. Im Mittelpunkt unserer Veranstaltungen steht der selbstständige Zugang zu Land und zu Nahrungsmitteln. Die von Hunger betroffenen Menschen, das zeigen unsere Analysen, arbeiten paradoxerweise fast immer selbst in der Landwirtschaft.
Wie muss man sich die Caravan vorstellen? Es ist ja nicht so, dass Zehntausende von Menschen durch Asien wandern ...
FERNANDEZ: Tatsächlich reisen nur wenige Repräsentanten der Caravan von Ort zu Ort. Die meisten kommen nur zu den Veranstaltungen in ihrer Region. Bei den meisten Stationen wird zeremoniell Saatgut und Erde aus der jeweiligen Region weitergereicht. Bei den einzelnen Treffen und Veranstaltungen kommt es auch zu wichtigen Kontakten zwischen den einzelnen Ländern. In Malaysia haben wir beispielsweise mit den Frauen, die auf den Feldern arbeiten und die Pestizide einsetzen - und es sind eben meistens Frauen -, eine Untersuchung gemacht. Bei dem eingesetzten Pestizid handelt es sich oft um das giftige Paraquat. Als Folge unserer Aktion hat die Regierung Paraquat verboten. Syngenta, der Hauptproduzent und Verkäufer von Paraquat, hat seine Aktivitäten nun nach China, dem zweitgrößten Produzenten und Anwender von Pestiziden, verlegt. Also bin ich in die chinesische Provinz Yünnan gefahren, um mit Landwirten und Wissenschaftlern über die Wirkung von Pestiziden zu diskutieren, mit dem Ergebnis, dass es nächstes Jahr ein Beobachtungsprogramm geben wird. Dabei geht es sowohl um die Gesundheit der Bauern als auch um das Verhalten der Unternehmen: Wie machen sie Werbung, welche Informationen werden weitergegeben und so fort. Wir werden das Thema mit der Caravan auch nach Indonesien, wo Paraquat ebenfalls verstärkt eingesetzt wird, tragen. Außerdem gibt es im September ein Treffen zur Rotterdam-Konvention*, bei dem es um die Erneuerung der so genannten PIC-Liste gehen wird. Wir haben die Regierung von Malaysia aufgefordert, Paraquat auf die PIC-Liste setzen zu lassen. Damit würde zum Beispiel Syngenta umfangreiche Informationen bereitstellen müssen, bevor Länder entscheiden, ob sie Paraquat zulassen oder nicht.
Welche Bedeutung hat der europäische Teil der Caravan?
Es geht vor allem um den Austausch von Information. Wichtig war zum Beispiel aber auch das Zusammentreffen mit Lovemore Simwanda aus Sambia. Wir wollen versuchen, einen Austausch von Saatgut zwischen den Regionen zu organisieren. Ein anderer wichtiger Punkt, der uns bei der von uns angestrebten Konvention ´über Nahrungsmittelsouveränität voranbringen wird, ist die Frage von Nahrungsmittelhilfslieferungen mit gentechnisch veränderten Bestandteilen, das heißt ob, oder besser unter welchen Bedingungen, diese abgelehnt werden können. Nahrungsmittelhilfe ohne Gentechnik ist in dieser geplanten Konvention ein kritischer Punkt.
GIOVANNI TAPAN: Es stärkt die Kampagne außerdem, wenn die Leute wissen, dass es in den anderen Ländern ähnliche Probleme gibt. Die Leute wissen jetzt Bescheid über die Probleme, die Bauern mit gentechnisch veränderter Baumwolle in Indien oder auf den Philippinen haben.
Sie sprachen das Thema Hunger und Hungerhilfe an. Welche Erwartungen stellen sie an die Nahrungsmittelhilfe?
TAPAN: Das Thema der Nahrungsmittelhilfe steht in engem Zusammenhang mit der Art, wie auch in anderen Bereichen Produkte - unabhängig ob gentechnisch verändert oder gentechnikfrei - zu Dumping-Preisen auf die Märkte gebracht werden.
FERNANDEZ: Die Nahrungsmittelhilfe darf nicht in Abhängigkeit führen, sondern muss die Regionen stärken. Sie muss die Rechte der Gemeinschaften respektieren, und sie sollte die Regionen und Gemeinschaften auf eine Weise stärken, dass diese ihre eigenen Nahrungsmittel produzieren können.
Sie haben erwähnt, dass die Menschen keinen Zugang zu Land haben und nicht selbst entscheiden können, welches Saatgut eingesetzt wird. Warum?
TAPAN: In den Philippinen sind 70 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Der allergrößte Teil des Landes, auf dem diese Bauern arbeiten, gehört jedoch nur einer kleinen Schicht von etwa fünf Prozent. Diese wiederum schließen Kooperationen mit großen - oft transnationalen - Firmen. Zum Beispiel verkauft Cargill auf den Philippinen das Saatgut für Monsanto. Und diese Firma schließt dann ein Abkommen mit einem großen Landbesitzer, in diesem Fall ist das Ayalla. So wird der Bauer die Pflanzen anbauen, die der Landbesitzer ihm vorschreibt. Dies ist in der Regel Reis. Der größte Anteil landwirtschaftlicher Aktivitäten auf den Philippinen orientiert sich auf den Export, so dass wir nicht in der Lage sind, den eigenen Bedarf an Reis zu decken. Das heißt, der Reis, den wir essen, wird importiert.
FERNANDEZ: Als ich jetzt in China war, erzählten die Bauern mir, dass sie nun die Flächen, auf denen bisher Reis angebaut wurde, mit Zierblumen bestellen. Diese Veränderung hängt zusammen mit dem Eintritt Chinas in die WTO. Das nach wie vor staatliche Land wird vertraglich an die Produktion von Zierblumen gebunden, die ihrerseits für den Export - zum Beispiel nach Europa - bestimmt sind. Die Bauern müssen jetzt Nahrungsmittel kaufen, was sie nie getan haben. Sie werden zu landwirtschaftlichen Arbeitern, die nicht mehr entscheiden können, was angebaut wird. Sie arbeiten nur noch für den Export verschiedener landwirtschaftlicher Produkte. Das kann Reis sein, den sie dann aber nicht konsumieren dürfen, weil die Ernte ja Teil eines Vertrages ist. Eine solche Entwicklung kann man in verschiedenen Ländern Asiens beobachten: in Vietnam, in Indien, in Sri Lanka. Sri Lanka ist ein besonders krasses Beispiel: Ehemals mit Reis bebaute Flächen sind umgewandelt worden zur Produktion von Erdbeeren für den Export.
Hat die grüne Revolution nicht behauptet, den Hunger in Asien zu lindern?
FERNANDEZ: Vor 30 Jahren wurde behauptet, die grüne Revolution würde uns in Asien in die Lage versetzen, unsere eigenen Nahrungsmittel zu produzieren. Aber das ist nie eingetroffen, weil die grüne Revolution die fundamentalen Probleme wie zum Beispiel die Verteilung des Landes nicht thematisierte. Vielmehr stellte sie nur die Technologien bereit, mit denen höhere Erträge erzielt werden konnten. Doch dabei spielte der Bedarf der Kleinbauern nie eine Rolle. Vielmehr brachten uns die neuen Sorten einen immensen Bedarf an externen Hilfsmitteln, mineralischen Dünger und Pestizide zu Beispiel. Diese werden selbstredend von den bekannten großen Agrochemie-Firmen angeboten. Auch hat die Verschuldung der Länder in Asien erheblich zugenommen und ist so hoch wie nie zuvor.
KARSTEN WOLFF: Ein aktuelles Beispiel in diesem Zusammenhang ist auch die Kampagne für Hybrid-Reis, die derzeit vom IRRI durchgeführt wird.** Obwohl die Untersuchungen des IRRI gezeigt haben, dass der Hybrid-Reis keinen Nutzen für Kleinbauern bringt, plädieren die Vertreter für seine Anwendung. Außerdem sind auch die Zahlen, die zum Rückgang des Hungers in Asien durch die grüne Revolution präsentiert werden, interessant: Rechnet man aus diesen Zahlen nämlich China heraus, dann ist eine Zunahme von hungernden Menschen in Asien festzustellen. Und China ist ein spezieller Fall, weil es in China - im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern und ungeachtet der oben beschriebenen Entwicklungen nach Chinas Eintritt in die WTO - einen Prozess gab, in dessen Verlauf eine große Zahl von Kleinbauern auf eigenem Land eigene Pflanzen anbauen konnte.
Stimmt es, dass Menschen wegen der finanziellen Belastungen Selbstmord begehen, wie man immer wieder hört?
FERNANDEZ: Es ist so, dass die Menschen auf Grund der neuen Situation in eine Schuldenfalle getrieben werden, wenn sie nicht mehr nach den traditionellen Methoden ihr Land bebauen können, sondern von Betriebsmitteln abhängig werden und Saatgut und Pestizide kaufen müssen. Gerade in Indien hat in den letzten Jahren eine Reihe von Bauern die Konsequenz gezogen, Selbstmord zu begehen.
In Südamerika gab es in den vergangenen Jahren eine neue Bewegung, in der die Landlosen einfach losgezogen sind, um die Felder zu besetzen. Gibt es ähnliche Strömungen in Asien?
FERNANDEZ: Tatsächlich haben sich auch in verschiedenen Ländern Asiens Initiativen für diesen Weg entschieden. Besonders in Indien haben solche Aktionen in einigen Regionen stattgefunden, vor allem in Andra Pradesh. Aber auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Thailand nimmt diese Art des Widerstandes definitiv zu.
Das Gespräch führte Christof Potthof
* Die Rotterdam-Konvention beinhaltet eine Liste von Pestiziden und anderen chemischen Stoffen, bei deren Grenzübertritt der Exporteur gewisse Mindest-Informationen bereitstellen muss, um dem Zielland eine informierte Zustimmung (Prior Informed Consent - PIC) zu ermöglichen. www.pic.int
** Das IRRI (International Rice Research Institute) auf den Philippinen ist eine nicht-kommerzielle Forschungseinrichtung, die in erster Linie den Reisfarmern und -konsumenten mit einem niedrigen Einkommen zugute kommen soll. www.irri.org.
Dr. Giovanni Tapang arbeitet für AGHAM ( Philippinen), eine Organisation, die sich für die Kooperation von Forschern und Bauern einsetzt.
Dr. Irene Fernandez ist Mitarbeiterin von Tenaganita, einem Frauennetzwerk aus Malaysia. Beide sind engagiert in der People´s Caravan for Food Sovereignty, die im September asienweit in 13 Ländern stattfand.
Karsten Wolff ist Mitarbeiter des Pestizid Aktions-Netzwerk Asien-Pazifik (PAN-AP).
Weitere Infos unter: www.panap.net/caravan/history.cfm
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.