FREITAG: In Kürze wird die EU-Kommission darüber entscheiden, ob der Zahnfüllstoff Amalgam EU-weit verboten wird. Zwei Expertenausschüsse sind Ende November zum Ergebnis gekommen, dass Amalgam die Gesundheit nicht gefährdet und allenfalls allergische Reaktionen hervorruft. Warum plädieren Sie dennoch für ein Verbot von Amalgam?
JOACHIM MUTTER: Die EU-Experten haben Amalgam eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Dies war aufgrund der industriefreundlichen Besetzung der Gremien auch zu erwarten. Leider wurden die wissenschaftlichen Daten falsch interpretiert und kritische Studien nicht berücksichtigt. Weltweit haben Tausende von Therapeuten positive Erfahrungen damit, wenn sie ihren Patienten Amalgam unter Schutz entfernen und sie danach entgiften. Und es sind mittlerweile Tausende Falldokumentationen einsehbar, die klar darauf hinweisen, dass Amalgam die Ursache vieler Beschwerden und Krankheiten ist. Amalgam besteht zu 50 Prozent aus Quecksilber, außer Plutonium dem giftigsten Element auf der Erde. Das Quecksilber wird ständig aus den Füllungen freigesetzt, sodass Amalgamträger oder ehemalige Amalgamträger in ihren Organen bis zu zehn Mal mehr Quecksilber abgelagert haben als Personen, die nie Amalgam trugen. Die Menge, die man etwa im menschlichen Gehirnen von Amalgamträgern findet, ist meist höher als die Menge, die bei Tier- und Zellversuchen Schäden auslösen. Ein sofortiges Amalgamverbot, wie es Norwegen jetzt erlassen hat, halte ich daher für die einzig sinnvolle Lösung.
Wie hoch ist die Quecksilberbelastung?
Etwa 75 Prozent aller EU-Bürger tragen Amalgam im Mund, was rund 2.000 Tonnen reinem Quecksilber entspricht. Durchschnittlich hat dabei jeder EU-Bürger mit Amalgam etwa vier Gramm Quecksilber im Mund. Die tödliche Dosis wird mit 0,3 bis drei Gramm angegeben. Drei Gramm Quecksilber entweichen aus europäischen Krematorien beim Verbrennen einer einzigen Leiche. Das Quecksilber reichert sich in der Umwelt an und hat sich dort in den vergangenen 300 Jahren verzwanzigfacht. Und der weltweite Amalgamverbrauch nimmt zu durch den massenhaften Zahnverfall in Schwellenländern wie China. Immerhin werden in der EU aktuell noch 120 Tonnen reines Quecksilber in Amalgamfüllungen pro Jahr verwendet.
Wie verhält sich der menschliche Körper zu Quecksilber?
Quecksilber wird vom Körper nur sehr langsam ausgeschieden. Im Gehirn wird eine Halbwertszeit von mehr als 18 Jahren angenommen. Das Vertrackte ist, dass eventuell vorhandenes Blei die Giftigkeit des Quecksilbers um das Hundertfache erhöht. Auch andere Gifte, denen wir immer mehr ausgesetzt sind, erhöhen die Toxizität von Quecksilber.
Diejenigen Forscher und Institutionen, die Amalgam für unbedenklich halten wie etwa das Robert Koch Institut, verweisen auf Studien, die festellten, dass amalgambelastete Patienten nur geringfügige Mengen an Quecksilber in Blut oder Urin aufweisen. Daraus schloss man, dass Quecksilber für die beobachteten Beschwerden nicht verantwortlich sein können.
Die WHO hat schon 1991 festgestellt, dass man aus den Quecksilberwerten im Urin oder Blut keinerlei Aussagen darüber machen kann, wie viel sich im Gehirn oder in anderen Organen befindet. Die aktuellen Grenzwerte sind überholt, beziehungsweise es ist nicht möglich, einen Grenzwert für Quecksilber anzugeben. Meist ist es sogar so, dass Personen mit Amalgamplomben und typischen Beschwerden niedrigere Quecksilberwerte im Urin aufweisen als gesunde Amalgamträger. Daraus wird dann fälschlicherweise geschlossen, Amalgam sei nicht die Ursache der Beschwerden. Nicht berücksichtigt wird, dass nicht die Menge an Quecksilber, welche im Urin ausgeschieden wird, gefährlich ist, sondern diejenige, welche im Körper verbleibt.
Sollte sich die EU-Kommission nicht zu einem Amalgamverbot durchringen, ist damit das letzte Wort gefallen?
Ich weiß nicht, welche Auswirkungen die Entscheidung der EU-Kommission langfristig haben wird. Allerdings ist es in den USA ähnlich gelaufen. Mittlerweile steht die FDA, die für die Zulassung von Amalgam zuständige Behörde, vor Gericht - und den Anklägern werden gute Chancen eingeräumt. In der Klageschrift wurden Interessenvermengungen zwischen der FDA und Zahnärzteverbänden offengelegt.
Sind Zahnfüllungen aus Gold, das ja auch ein Schwermetall ist, nachweislich weniger gefährlich als Amalgamplomben?
Sie sind deutlich weniger schädlich und weniger giftig. Doch es kann zu Allergien kommen. Und ehemalige Amalgamträger vertragen Gold oft nicht mehr. Deshalb hat es sich als sinnvoll erwiesen, nach der Amalgamentfernung keine Metalle mehr einzubauen. Es wurde auch festgestellt, dass Gold genau wie Amalgam Autoimmunerkrankungen hervorrufen kann.
Wozu raten Sie Patienten, die sich teure Goldfüllungen- oder Keramik-Inlays nicht leisten können?
Ich empfehle hochwertige Kunststofffüllungen, so genannten Komposites.
Das Gespräch führte Torsten Engelbrecht
Joachim Mutter ist Arzt und arbeitet am Institut für Umweltmedizin und Hygiene an der Universität Freiburg. Aktuell forscht er über die Rolle von Quecksilber und Amalgam bei der Entstehung der Alzheimer-Erkrankung.
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