Eine Handvoll Bombenbauer

Iranische Waffen für Aufständische im Irak? Das Weiße Haus bleibt klare Beweise bisher schuldig

Die Bush-Regierung müht sich an der Publicity-Front. Iran schüre den Konflikt im Nachbarland, indem es den schiitischen Untergrund mit Kriegsgerät versorge, verbreitet die Regierung, doch steht ihre Argumentation auf schwachen Füssen. Deutlich wurde dies, als Condoleezza Rice und Robert Gates jüngst behaupteten, die US-Geheimdienste könnten solche Waffenlieferungen nachweisen. Kurz darauf folgte das Dementi: Beide hätten lediglich "Schlussfolgerungen" vorgetragen. Die Administration bestätigte damit unbeabsichtigt, die Verhöre aller zuletzt verhafteten Iraner und Iraker blieben in dieser Hinsicht ergebnislos.

General Peter Pace, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs, unterstrich die Schwäche der Regierungsargumentation noch, als er in einem Interview mit Voice of America meinte: "Klar ist, die Iraner sind beteiligt, klar ist, iranisches Material ist beteiligt, aber nach allem was ich weiß, würde ich nicht behaupten, dass die iranische Regierung informiert oder mitschuldig ist." Dennoch suggeriert das Weiße Haus weiterhin, die Präsenz iranischer Waffen im Irak könne nur dadurch erklärt werden, dass Teheran den Schmuggel ins Nachbarland protegiert. Ignoriert wird eine wohlbekannte Realität: Jeder kann sich im Mittleren Osten nahezu alle Waffen, darunter panzerbrechende Munition, über Mittelsleute und den Schwarzen Markt beschaffen.

Auf einer Pressekonferenz präsentierte die US-Regierung kürzlich Fotos von Waffen, die man im Irak gefunden haben will, darunter so genannte "explosiv geformte Durchstoßkörper" (EFP), die Washington zufolge von der Quds Force, einem Teil der persischen Revolutionsgarden, eingeschmuggelt worden seien. In der Tat verfügten die gezeigten Panzerabwehrwaffen vom Typ RPG-7 und die 81-Millimeter-Minenwerfer-Patronen über Markierungen, wonach sie kürzlich hergestellt worden sind. Und es gibt keinen Zweifel, dass dies im Iran geschah.

Wer freilich eine offizielle Verantwortung Teherans unterstellt, setzt voraus, diese Waffen würden so streng kontrolliert, dass schiitische Gruppen sie nicht in kleiner Anzahl auf dem Schwarzmarkt im Iran, in Syrien oder im Libanon erwerben könnten. Unzweifelhaft bewiesen ist: Die irakischen Schiiten haben Zugang zu derartigen Netzwerken.

Ein solches habe das britische Militär in Basra entdeckt, schreibt Michael Knights, Chefanalytiker der privaten Sicherheitsberatungsfirma Olive Group, in Jane´s Intelligence Review, es rekrutierte sich allein aus Polizisten, darunter Mitglieder von Aufklärungseinheiten und von Einheiten für Kapitalverbrechen. Wie die Verhöre ergaben, gehörten diese Beamten keiner besonderen schiitischen Fraktion an, sie vereinten Mitglieder aller in Basra vertretenen Strömungen.

Davon unberührt bleibt die Bush-Regierung bei der Version von Schmuggeloperationen, die wegen ihrer Ausmaße ohne offizielle Duldung Teherans unmöglich seien, obwohl die Darstellung der US-Armee nahe legt: "Mitglieder irakischer Extremistengruppen" - wie sie offiziell genannt werden - schmuggelten das Kriegsgerät und nicht die Quds Force. Auch bei den gegen die Besatzungstruppen eingesetzten Sprengkörpern (EFP) handle es sich nicht um Munition aus dem Iran - nur "Komponenten" stammten aus persischer Produktion, etwa die konkaven Metalldeckel. Ähnlich hat bereits am 16. März 2006 General John Abizaid vor dem Streitkräfteausschuss des Senates ausgesagt: Es sei lediglich "hoch entwickeltes Material zur Bombenherstellung aus dem Iran in improvisierten Sprengkörpern im Irak gefunden worden".

Man fragt sich: Wenn Teheran die technischen Mittel hat, komplette EFP zu liefern, warum werden dann nur einzelne Komponenten in den Irak geschmuggelt? Offenbar werden sie in kleinen Werkstätten außerhalb der offiziellen iranischen Rüstungsindustrie gefertigt. Michael Knights zufolge - der als fachkundige und politisch neutrale Quelle gelten darf - reiche dazu "eine Handvoll Bombenbauer". Er weist auf eine weitere Spur: Irakische Schiiten könnten sowohl Komponenten als auch vollständige EFP selbst fabriziert haben. Das nötige Werkzeug finde "man leicht in irakischen Werkstätten, in denen Metall bearbeitet wird, und in Garagen." Die Bush-Regierung ist nicht in der Lage, hieb- und stichfeste Beweise für ihre Anschuldigungen zu liefern, es dürfte George Bush insofern schwer fallen, für seinen zusehends aggressiveren Kurs gegenüber dem Iran so etwas wie Beistand im Kongress zu finden.

Gareth Porter arbeitet als Historiker und Journalist zur US-Sicherheitspolitik in Washington.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden