Eine Landkarte des Jazz

Lauschangriff Der CD-Rom-Atlas "Jazzatlas Ruhr" von Michael Rüsenberg bietet Musikorientierung im weiteren Ruhrgebiet und führt dabei auch in kleinere Winkel der Region

Nachschlagewerke gibt es viele. Über das, was läuft, jetzt und hier, geben sie meist keine Auskunft. Eine gute Idee ist dagegen eine geografisch orientierte Darstellung: eine regelmäßig aktualisierte Landkarte, die darüber Aufschluss gibt, was in einer Region geschieht und wo genau. Weil sich das Ruhrgebiet für das kommende Jahr putzt, in dem die Region sich als Kulturhauptstadt Europas ins Schaufenster stellt, traf nun diese Idee auf fruchtbaren – und gut gedüngten – Boden. Vorgestellt wurde der Jazzatlas Ruhr, eine multimediale Reportage über die Jazzszene im Ruhrgebiet auf CD-Rom, die die so vielfältigen wie verstreuten Jazz-Aktivitäten in der Region in eine gut lesbare Struktur bringt.

Ausgehend von einer Überblickskarte der kritischen Zone zwischen Xanten und Breckerfeld, Duisburg und Hamm kann sich der interessierte Nutzer zu den Brennpunkten des Jazzgeschehens im Ruhrgebiet hangeln. Er kann sich über bekannte Orte informieren wie über das Festival Moers, das der ansonsten wenig auffälligen Stadt am Niederrhein seit bald 40 Jahren zu schillerndem Namen auf der Weltkarte der experimentierfreudigen Musik verholfen hat. Oder den Jazzclub Domizil in Dortmund, der ungefähr genauso lange die Club-Rangliste in der Region anführt. Auch die Arbeit der Folkwang-Musikhochschule in Essen ist Thema des Atlas sowie verschwiegenere, kleinere Aktivitäten in den Winkeln und Tälern.

Nicht nur Konsumenteninformation

Damit nicht genug, nutzt der Jazzatlas Ruhr die Möglichkeiten des Mediums CD-Rom, sich je nach Lust und Laune, oberflächlicher oder tiefer mit der Materie zu beschäftigen, und so geht sein Radius weit über die platte Konsumenteninformation hinaus. Wie sieht es aus mit der Jazzszene im Ruhrgebiet? Wer sind die handelnden Personen, und wie denken sie? Welche Musiker gibt es? Welche gab es? Warum sind sie hier? Warum bleiben sie? Oder auch nicht? Wie und wovon können sie leben?

Der Journalist und Klangkünstler Michael Rüsenberg, der den Jazzatlas Ruhr entwickelt hat, steckt mit seinen Texten zu den verschiedenen Menüpunkten das Terrain ab. Etwa 40 verschiedene Szenegrößen, Veranstalter und Urbanitätsforscher, Musiker und städtische Kulturreferenten sind mit persönlichen Statements zu hören. Und schließlich gibt es erstklassige Musik von Ruhr-Jazz-Ikonen wie dem Klarinettisten Eckard Koltermann, dem Posaunisten, Arrangeur und Mitgründer der Jazzabteilung der Folkwang-Schule, Peter Herborn oder – als jüngstem Himmelsstürmer – dem Pianisten Vadim Neselov­skyi, der 1995 als 17-Jähriger aus der Ukraine nach Unna kam, mittlerweile in der Band von Gary Burton spielt und dem Jazz-Olymp damit nahe gekommen ist.

Michael Rüsenberg gibt die professionelle Distanz zu seinem Gegenstand nicht auf. Nur so kann der Jazzatlas ernstzunehmende Antworten auf die vielen Fragen anbieten. Und leistet das, was ein Atlas leisten sollte: Er bietet Orientierung, er führt an die Orte, wo die Musik geschieht, zeigt Verbindungen und Gemeinsamkeiten auf. Und weist einmal mehr nach, wie schwer es die Kunstform Jazz hat, zwischen Pop und den bildungsbürgerlichen Hürden, mit denen die Kulturverwaltungen ihr Programm aus Theater, Oper und Philharmonie umstellen, überhaupt wahrgenommen zu werden. Und wie sie sich eben doch Strukturen schafft – und Werkzeuge, um ihre Strahlkraft zu erhöhen. Werkzeuge wie den Jazzatlas Ruhr.

Jazzatlas Ruhr Eine Reportage in Texten, Bildern, Tönen von Michael Rüsenberg hrsg. v. Ruhr 2010 GmbH. www.jazzatlas-ruhr.de

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