Als "Leuchttürme in der Wüste" wurden in Freitag 04/06 die künftigen Elite-Universitäten bezeichnet, da die Gefahr drohe, dass der von Bund und Ländern befeuerte Exzellenzwettbewerb der Hochschulen zwar durchaus den Glanz der Spitzenforschung heller zum Leuchten bringt, aber dadurch die Qualität der Lehre für die meisten Studierenden in wüstenartig ausgetrockneten Massenuniversitäten noch weiter zurückgehe. Der Kern des Vorwurfs, den der Freitag-Autor dem Wissenschafts-Establishment damit macht, wurde vergangene Woche vom Wissenschaftsrat - und damit nicht nur von beratenden Wissenschaftlern, sondern auch von allen Wissenschaftsministern - aufgegriffen. Das Beratungsgremium hat Empfehlungen zur Rolle der Universitäten und zum Ausbau de
und zum Ausbau der Lehre verabschiedet, die zu einer Lösung des Problems beitragen werden.Der Exzellenzwettbewerb wird den prämierten Universitäten insgesamt 1,9 Milliarden Euro bringen - im Laufe von fünf Jahren, also fast 400 Millionen im Jahr. Da es um Spitzenforschung geht, werden nur Universitäten davon profitieren, also keine Fachhochschulen (in Freitag 02/06 wurde das als Bayern-München-Effekt beschrieben). Gerade die Fachhochschulen sind allerdings besonders beliebt und vielfach jetzt schon überfüllt. Wenn der Anteil der Hochschulabsolventen an einem Altersjahrgang von derzeit gut 20 Prozent in den nächsten Jahren auf 35 Prozent steigen soll - wie das alle Hochschulpolitiker wollen - muss in Fachhochschul-Studiengängen noch einiges geschehen. Denn diese müssen am Ende deutlich mehr als die Hälfte aller Absolventen stellen. Dafür tut der Exzellenzwettbewerb - definitionsgemäß - nichts. Und auch die Spitzen-Universitäten werden ungleich profitieren: nicht ganz zu unrecht wurde in Freitag 04/06 festgestellt, dass das meiste Geld an die gehen wird, die "praktische Dinge zu verkaufen haben und keinen schöngeistigen Schnickschnack". Spitzenleistungen in den Geisteswissenschaften haben es in der Tat schwer, wenn Leistung anhand von Drittmitteln gemessen wird.Der Wissenschaftsrat hat deswegen neue Zeichen gesetzt. In der Forschung sollen - so lautet ausdrücklich der Kern einer Empfehlung - die Eigenheiten der Geisteswissenschaften ernst genommen werden. Nicht Großforschung, sondern die Förderung einzelner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler habe im Vordergrund zu stehen. Dazu müssten in den Universitäten "Forschungskollegs" geschaffen werden, die Zeit für das Schreiben von Büchern und Aufsätzen sicherstellen und keine aufwändige Forschungsbürokratie erfordern.Aus den Empfehlungen zur Rolle der Universitäten geht hervor, dass berufspraktische Studiengänge auch innerhalb der Universitäten weiter zunehmen müssen. Eine Differenzierung der Universitäten in eher forschungsstarke und eher in der Lehre engagierte Fachbereiche und Institute ist unvermeidbar. Viele werden das nicht gerne hören, aber die heutige Realität ist - weltweit - genau diese und nicht so wie vor 200 Jahren. Als zu Zeiten Humboldts nicht 30 Prozent eines Jahrgangs zur Universität gingen, sondern weniger als ein Prozent. Zugleich fordert der Wissenschaftsrat, dass für die Lehre mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss. Auch wenn er keine genaue Zahl nennt, da diese nicht exakt zu berechnen ist, kann man davon ausgehen, dass es mehr sein muss als im Rahmen der Exzellenzinitiative ausgegeben werden wird: Etwa eine Milliarde Euro mehr pro Jahr ist für die Bewältigung der großen Zahl von Studierfähigen und -willigen notwendig, wenn zugleich die Betreuung verbessert werden soll.Doch die Föderalismusreform, die die Hochschulzuständigkeit fast komplett an die Länder abgibt, birgt massive Probleme. Denn ein Bundesland, das die Lehre ausbaut und von außerhalb Studierende anzieht, zahlt kurzfristig fiskalisch drauf. Föderalismus und Wettbewerb zwischen Hochschulen wären gar kein Problem, gäbe es Studiengebühren, die einen beachtlichen Teil der Kosten eines Studienplatzes abdecken würden, und ein Stipendien- oder Gutscheinsystem, das diese Gebühren sozialverträglich gestalten würde. Für ein Bundesland könnte es sich dann lohnen, Studierende aus anderen Ländern anzuziehen. Im gegenwärtigen System führen Studierende jedoch kurzfristig zu einer höheren Belastung des Landeshaushaltes, selbst wenn sich die Investition in Humankapital langfristig rechnet.Wenn die Gesellschaft keine spürbaren Studiengebühren will, kann man die Anreizprobleme auch lösen, indem das Heimatland eines Studierenden (also das Bundesland, wo die Hochschulreife erworben wurde) einen "Vorteilsausgleich" an das Land zahlt, wo studiert wird. In der Schweiz gibt es das. Doch dazu müsste in Deutschland das gesamte System des Finanzausgleichs und gegebenenfalls das Grundgesetz geändert werden. Das ist unwahrscheinlich. Immerhin: erstmals benennt der Wissenschaftsrat dieses ordnungspolitische Grundsatzproblem ohne "wenn und aber". Und es gibt sogar eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz, die sich mit dieser Anreizproblematik beschäftigt.Realistisch betrachtet können zusätzliche Mittel für die Hochschullehre am ehesten vom Bund kommen. Durchaus politisch riskant, aber wahrscheinlich am besten für die Studierenden wäre folgender Weg: In Einklang mit dem Konzept der Föderalismusreform könnte der Bund die Ausbildungsförderung erhöhen und so den Weg zu höheren Studiengebühren sozialverträglich freimachen. Dadurch würden die Universitäten Interesse an mehr Studierenden bekommen. Und bei einer auskömmlichen Ausbildungsförderung könnte die Studiendauer sinken, da dann weniger Studierende faktisch Vollzeit arbeiten müssten. Eine Utopie? Nein, in den USA sind Stipendien der Weg über den das Federal Government sich an der Finanzierung eines völlig dezentralisierten Hochschulsystems beteiligt. In den USA ist es zu wenig staatliches Geld, das in die Stipendien fließt, aber Deutschland könnte das ja besser machen.Welche Lösung im Rahmen eines "Hochschulpaktes" auch immer gefunden werden wird, das notwendige Geld für mehr und bessere Lehre in den Hochschulen wird durch Umschichtungen innerhalb der Bildungs- und Wissenschaftsressorts nicht aufzubringen sein, da ja nicht nur die Hochschulen mehr Geld benötigen, sondern auch die Vorschulerziehung. Einige Milliarden für bessere Bildung sind eine nennenswerte Summe, aber im Vergleich zu den Ausgaben im Sozial- oder Wehretat kein utopisch hoher Betrag. Spitzengespräche auf höchster politischer Ebene sind notwendig, zumal auch der Finanzausgleich zwischen den Bundesländern betroffen ist. Die jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrates liefern gute Argumente für diese höchst politischen Auseinandersetzungen. Nicht mehr - aber auch nicht weniger.Siehe auch: www.wissenschaftsrat.de/Veroffentlichungen/ veroffentlich.htmGert G. Wagner ist Volkswirtschaftsprofessor an der TU Berlin und Mitglied im Wissenschaftsrat, wo er die Arbeitsgruppe "Demographischer Wandel" leitete.