Eine neue Stadt

Baupolitik Es tobt eine Debatte um bezahlbaren Wohnraum. Die Architekten Laura Fogarasi-Ludloff und Jens Ludloff sagen: Es mangelt am entsprechenden politischen Handeln
Ausgabe 38/2018
Eine neue Stadt

Illustration: der Freitag, Material: Golero, KristianSeptimiusKrogh + Rosshelen/Istock

Gewinnbeschränkung

Oft ist zu hören, hohe Baukosten, also die Herstellungskosten unserer Gebäude, seien an der Misere schuld. Auch die Preistreiber sind in Form unsinniger Baugesetze oder Energieeinsparvorgaben vermeintlich schon gefunden. Doch liegt das Problem in Wahrheit auf einer anderen Ebene: Wenn ein Quadratmeter Wohnfläche heute für 1.300 Euro netto (zuzüglich Grundstücks- und Nebenkosten) gebaut und dann für 4.500 Euro zum Verkauf angeboten wird, lässt sich erahnen, wer hier den Gewinn trägt. Die Gewinne müssen durch steuerrechtliche Mittel abgeschöpft werden und dem sozialen Wohnungsbau zugutekommen.

Bodenfrage

Boden ist eine essenzielle Ressource. Er ist ein endliches Gut. Ihn nur in den Händen einiger Weniger zu belassen und ihnen vor allem zu erlauben, damit spekulative, leistungslose Gewinne zu erzielen, muss durch verantwortliches politisches Handeln ausgeschlossen werden. Die Weimarer Republik hat es vorgemacht: Damals wurde in Deutschland eine Hauszinssteuer erhoben und als Lastenausgleich eingeführt. Damit wurden Grundeigentümer effektiv am öffentlich geförderten Wohnungsbau beteiligt. Anders wären die heute weltweit bewunderten, zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärten Großsiedlungen in Frankfurt oder Berlin nicht realisierbar gewesen. Doch ist man mit diesem Erbe wenig verantwortungsvoll umgegangen. Der Ausverkauf kommunaler Wohnungen an Groß- und Kleininvestoren hat den Kommunen jede Möglichkeit der Marktbeeinflussung genommen. Nur eine Stadt, die Grundstücke in nennenswertem Umfang besitzt, ist in der Lage, die Wohnungsfrage zu gestalten.

Erbbaurecht

Im Erbbaurecht wird ein Grundstück für bis zu 99 Jahre vom Hauseigentümer gepachtet – primär ein Instrument für Kommunen. Grund und Haus sind eigentumsrechtlich getrennt. Damit werden die Bewohner vor Grundstücksspekulation geschützt. Die Idee, Grund und Haus zu trennen, entstand ursprünglich aus dem Wunsch des Erbbaugebers, den Erbbaunehmer an seinen Arbeitgeber zu binden und ihm zugleich ein eigenes Haus zu ermöglichen. Genau diese Bindung der Einwohner ist es, die Städte als Orte des politischen und sozialen Austausches lebenswert macht. AirBnB-Touristen und Zweitwohnungsbesitzer tun dies nicht.

Genossenschaften

Kein anderes Modell ist langfristig erfolgversprechender für eine sozial ausgeglichene Stadt als die Genossenschaft. Auf einem langfristig gepachteten Boden baut und lebt die Genossenschaft gemeinsam, wie es seit den Anfängen der Gartenstadtbewegung in England am Ende des 18. Jahrhunderts praktiziert wurde. Der genossenschaftliche Wohnungsbau garantiert eine Stadtentwicklung ohne Verdrängung und Gentrifizierung. Wer wissen will, wie dies gelingen kann, sehe sich die Bauprojekte „Spreefeld“ in Berlin oder das Projekt „mehr als wohnen“ in Zürich an.

Energetisches Programm

Unsere Wohnungen müssten aus ökologischen Gründen wieder kleiner werden. Denn der durchschnittliche Energieverbrauch hat sich zwar seit 1960 halbiert, zugleich aber hat sich die Wohnfläche je Bewohner verdoppelt – ein Nullsummenspiel also. Rechnet man die Energie hinzu, die wir benötigen, unsere Häuser zu bauen (Graue Energie) und zu dämmen, hat sich der Energieverbrauch sogar deutlich erhöht.

Eine neue soziale Architektur

Der Diskurs über Wohnraummangel hat einen blinden Fleck. Es scheint, als dürfe nur über schnelle Bedarfsbefriedigung gesprochen werden ohne architektonischen Anspruch. Das Ringen um gesellschaftliche Teilhabe kann jedoch nur dann glaubwürdig sein, wenn Gestaltungsfragen nicht ausgeschlossen werden. Eine Ästhetik des Sozialen wäre die Voraussetzung für ein gemeinschaftliches Handeln, das individuelle Bedürfnisse respektiert. Denn kann Wohnen wirklich nur unter ökonomischen Marktgesichtspunkten gedacht werden, ohne ästhetischen Anspruch, und ohne zeitgemäße Wohntypologien, die der heutigen Lebenswirklichkeit beziehungsweise den heutigen Wohn- und Lebensformen entsprechen?

Beenden wir die unfruchtbare Debatte und fangen an, auf Erbbaugrundstücken genossenschaftlich, typologisch zeitgemäß, energetisch nachhaltig, sozial, kleinteilig und vor allem nutzungsgemischt zu bauen.

Laura Fogarasi-Ludloff und Jens Ludloff führen seit 2007 das Büro Ludloff Ludloff Architekten in Berlin, das international ausgezeichnete Bauten für Lehre, Ausbildung, Sport und Wohnen realisiert hat. Alle ihre Projekte sind Teil einer forschenden Praxis

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden