Eine Petition sieht rot

Tampons Menstruation ist lebensnotwendig. Deshalb sollte sie ermäßigt besteuert werden
Ausgabe 23/2019
Bewusstsein erreicht man manchmal über Sichtbarkeit. Das gilt besonders für ansonsten eher weniger sichtbare Tampons
Bewusstsein erreicht man manchmal über Sichtbarkeit. Das gilt besonders für ansonsten eher weniger sichtbare Tampons

Foto: Chris Hondros/Getty Images

Im Bundestag geht es bald um die Periode. Die 21 Politiker und sieben Politikerinnen des Petitionsausschusses werden über Tampons, Binden und Menstruationstassen diskutieren müssen, ob sie wollen oder nicht. 81.000 Personen haben in den vergangenen Wochen eine Online-Petition zur Senkung der Mehrwertsteuer für Menstruationsprodukte unterschrieben.

Die Initiatorinnen fordern, die Mehrwertsteuer für Periodenprodukte auf sieben Prozent zu senken. Dieser ermäßigte Steuersatz gilt für lebensnotwendige Produkte wie Lebensmittel oder Bücher. Auf der langen Liste der ermäßigten Dinge stehen auch Maulesel, Sammelbriefmarken und Schnittblumen. Dass Tampons lebensnotwendiger sind als frische Tulpen, ist wohl offensichtlich. Andere Hygieneprodukte wie Toilettenpapier und Windeln werden mit 19 Prozent besteuert. Der Unterschied zu Menstruationsprodukten ist, dass sich diese nicht alle leisten können müssen. Ausgaben haben vor allem Frauen, aber auch nichtbinäre Personen oder menstruierende Transmänner.

Während einige Länder Europas noch höhere Steuersätze haben – allen voran Ungarn mit 27 Prozent –, sind andere bereits mit gutem Beispiel vorangegangen. Großbritannien hat die Steuer auf fünf Prozent gesenkt, Länder wie Australien, Indien und Kanada haben sie komplett abgeschafft. Natürlich ist es Symbolpolitik, wenn David Cameron oder die Mitte-rechts-Regierung in Australien die „Tampon-Steuer“ senken oder abschaffen. Es ist aber auch der Erfolg vieler weltweit agierender Aktivistinnen. Frauen zahlen ohnehin mehr für Hygieneartikel, das zeigt die sogenannte „Pink Tax“. Rosafarbene Einwegrasierer „für Frauen“ sind teurer als blaue, das gleiche gilt für Deos, Duschgels oder den Friseurbesuch. Ganz zu schweigen davon, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Die Senkung der Steuer wäre ein Symbol für etwas weniger Diskriminierung.

Sie kann aber nur ein Anfang sein, denn Bluten bleibt teuer. 56 Markentampons kosten zwischen vier und fünf Euro, sie reichen etwa für drei Perioden. Wer Bio-Tampons ohne Chemie oder Pestizide verwenden will, muss deutlich tiefer in die Tasche greifen. Dazu kommen Schmerztabletten und verlorene Arbeitszeit. Im Hartz-IV-Satz sind 16 Euro monatlich für „Gesundheitspflege“ vorgesehen, egal ob Mann oder Frau. Das ist eindeutig diskriminierend. Kein Mensch sollte zu Hause bleiben müssen, weil sie sich keine Tampons leisten kann. Zumindest für Hartz-IV-Empfängerinnen, Geringverdienerinnen, Schülerinnen und Studentinnen sollten Menstruationsprodukte daher kostenlos sein. Schottland macht vor, wie es geht. Dort nimmt die Regierung viel Geld in die Hand, damit Tampons und Binden künftig für Schülerinnen und Studentinnen frei zugänglich sind.

Die Petition ruft das Thema Monatsblutung ins Bewusstsein. Umfragen zufolge schämen sich viele Mädchen und Frauen, wenn sie ihre Tage bekommen. In fast allen Weltreligionen gelten menstruierende Frauen als schmutzig. Mit Online-Kampagnen und Trends wie „Free Bleeding“ versuchen Aktivistinnen, dieser Scham entgegenzuwirken. Im Februar gewann der Dokumentar-Kurzfilm Stigma Monatsblutung über eine Frauengruppe in Indien, die günstige Binden herstellt, bei den Academy Awards. „Ich kann nicht glauben, dass ein Film über Menstruation gerade einen Oscar gewonnen hat“, rief eine der Filmemacherinnen unter Tränen. Dass sich nun Politiker und Politikerinnen im Bundestag mit der Monatsblutung befassen müssen, ist ein weiterer Etappensieg auf dem langen Weg der Entstigmatisierung.

Inga Barthels ist freie Autorin, unter anderem für die taz und den Tagesspiegel

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