Der Tag naht, doch die Spannung sinkt. - So stellte sich in den Wochen vor Beginn der Versteigerung von zwölf Frequenzbändern für den neuen Mobiltelefonstandard UMTS am letzten Montag die Entwicklung dar. Dafür verantwortlich war vor allem der Umstand, dass die Zahl von ehemals dreizehn Bietern auf schließlich nur noch sieben zusammen schmolz. Die sechs anderen gaben entweder auf oder schlossen sich zu Konsortien zusammen. Mit der Zahl der Bieter sanken jedoch auch die Aussichten für den Fiskus, einen möglicherweise sogar zwölfstelligen Betrag einzunehmen.
Ausgelöst hatte solche Erwartungen der Ausgang der entsprechenden Auktion in Großbritannien. Dort vermochte der Staat im April noch 22,5 Milliarden Pfund für die Lizenzen zu erlö
nzen zu erlösen (siehe Freitag, 19. Mai 2000). Doch die meisten Beobachter halten eine Wiederholung des britischen Beispiels inzwischen für unwahrscheinlich.Ausschlaggebend dafür waren die klaren Signale der Kapitalmärkte nach dem britischen Ereignis: Die Kurse der Lizenzgewinner brachen ein und ihre Kredit-Ratings (die Einschätzung ihrer Kreditwürdigkeit) sanken. Auch die Deutsche Telekom, die in Großbritannien durch ihre Tochter One2One dabei war, gehörte an den Börsen zu den Verlierern. Wenn der Wettbewerb anfängt, die Rendite zu bedrohen, dann lassen sich auf einmal auch die Stimmen, die sich sonst darin überbieten, mehr Wettbewerb anzumahnen - z. B. am Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich - mit Mahnungen vor übertriebenem Wettbewerb vernehmen. Was zuviel sei, sei einfach zuviel: schädlich für »die Märkte«, Gift für »die Investoren«, ungesund einfach ...Der Wettbewerb, den die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation als Eintrittsveranstaltung für ein Oligopol veranstalten wollte, wird sich wohl zahm wie ein Papiertiger erweisen: Das Oligopol schon im Vorfeld zu bilden, scheint sich als die »prominente« - das ist das Adjektiv, mit dem die Spieltheorie ohne unmittelbare Kommunikation zustande kommende Übereinkünfte charakterisiert - und das heißt vor allem: kapitalmarktkompatible Lösung herausgebildet zu haben. Fraglos auch, dass die drei Schwergewichte der Szene: die Deutsche Telekom, Mannesmann Mobilfunk und France Telecom in Gestalt von MobilCom dabei sein werden. Wahrscheinlich auch, dass E-Plus und Viag Intercom, hinter denen ebenfalls kapitalstarke Partner stehen, zum Zuge kommen werden; geringer schon die Chancen der SwissCom, die durch Debitel vertreten ist. Da ein Bieter mindestens zwei Frequenzblöcke braucht und höchsten drei ersteigern darf, könnten am Ende vier, fünf oder sechs Betreiber übrig bleiben.Für die Viererlösung spricht, dass letzten Endes nur kapitalstarke Gesellschaften mit gesamteuropäischer Perspektive - und das sind vornehmlich solche, die bereits in mindestens einem großen europäischen Land ein flächendeckendes Mobiltelefonnetz betreiben - dazu in der Lage sein werden, den Aufbau der Infrastruktur für den neuen Standard zu bewältigen. Schon die vorgesehenen hohen Frequenzen bedingen, da entsprechende Signale einer starken Dämpfung unterliegen, eine mindestens doppelt so hohe Dichte der Funkstationen. Dazu kommt die ebenfalls starke Verschattung durch Bodenerhebungen (Berge, Bebauung). Bis das ganze Land abgedeckt ist, können, falls dies jemals der Fall sein wird, noch gut zehn Jahre vergehen.Schon um die großen Verdichtungsräume, wo ein Viertel der Bevölkerung lebt, abzudecken, werden nach einer Schätzung der Investmenttochter der WestLB bis zu 20 Milliarden Mark an Investitionen erforderlich sein. Will man 95 Prozent der Bevölkerung erreichen, steigen die Kosten auf 60 Milliarden Mark. Auch das sind Zahlen, die die Renditeaussichten und damit die Stimmung an dem Kapitalmärkten drücken, zumal eher unwahrscheinlich ist, dass die neue Technik den Erfolg des heute dominierenden GSM-Standards wiederholen kann. Richtig freuen können sich über solche Zahlen eigentlich nur die Hersteller der erforderlichen Ausrüstungsgüter: Ericson, Alcatel, Siemens und wie sie alle heißen.Dass die drei Ziele: technischer Fortschritt, flächendeckende Infrastruktur und Zufriedenheit der Investoren anscheinend nicht gleichzeitig erfüllbar sind, verweist auf einen tief liegenden Konstruktionsfehler der Telekom-Liberalisierung: Der technische Fortschritt - Leistungssprünge der Übertragungs- und Vermittlungstechnik um mehrere Größenordnungen sowohl im Festnetz als auch in der mobilen Kommunikation - macht die Telekommunikation wieder zu einem strukturellen Monopol. Der immense Kapitalbedarf der neuen Technik und vor allem die Langfristigkeit und Irreversibilität der nötigen Investitionen sowie die Gesetzmäßigkeiten des Netzausbaus und -betriebs lassen den Wettbewerb als volkswirtschaftlich unsinnig und verschwenderisch erscheinen. Vorhaben wie die kürzlich am Einspruch der Kartellwächter gescheiterte Fusion der beiden Giganten MCI Worldcom und Sprint entspringen nicht nur monopolistischer Profitgier, sondern haben eine solide technische und volkswirtschaftliche Ratio auf ihrer Seite.Der Schutz der Verbraucher vor überhöhten Preisen und noch mehr ihre nicht-diskriminierende Versorgung mit angemessenen und dem Stand der Technik entsprechenden Telekommunikationsdiensten ist durch naive Beschwörung des Wettbewerbs nicht zu gewährleisten, wo die Technik und das Kapital gemeinsam zum Monopol drängen. Zudem verschärft die moderne Technik die Ungleichheit zwischen Verdichtungsräumen und dem Land, zwischen wohlhabenden und armen Vierteln. Wo viele Bessergestellte leben, winken auch schnelle und üppige Profite, in armen und dünn besiedelten Gebieten nur Verluste. Keine Frage, wo die Netzbetreiber unter dem Druck von Konkurrenz und Kapitalmärkten bevorzugt investieren. Im Pionierland der Telekom-Liberalisierung verfällt deshalb auch schon in ganzen Landstrichen und Stadtvierteln die Infrastruktur. Nicht nur auf den Kapitalmärkten sondern auch in der Telekommunikation wären die naiven Liberalisierungskonzepte der achtziger Jahre zu überdenken, wenn der technische Fortschritt der ganzen Gesellschaft nutzen, ja schon allein die Verschlechterung der Versorgung für große Bevölkerungsteile vermieden werden soll.