Eine schwache SPD ist ein Nachteil

Im Gespräch Linkspartei-Vize Halina Wawzyniak über das Verhältnis zu den Sozialdemokraten nach dem Abgang von Beck

FREITAG: Kurt Becks Sturz als SPD-Chef sei kein Anlass zur Freude, betont die Linkspartei nach dem Führungswechsel bei den Sozialdemokraten. Nicht einmal klammheimlich?
HALINA WAWZYNIAK: Ich habe den Ablauf der SPD-Klausur am Schwielowsee im Fernsehen verfolgt und ich gebe zu, mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Das bezog sich aber auf das chaotische Bild, das die Sozialdemokraten abgegeben haben. Professionelles Krisenmanagement sieht anders aus. Politisch betrachtet besteht kein Grund zum Jubeln.

Warum nicht?
Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering stehen für die Agenda 2010, für Rente mit 67, für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Beim Außenminister kommt seine Verstrickung in den Skandal um die Inhaftierung von Murat Kurnaz im US-Gefangenenlager Guantanamo hinzu. Eine sozialere Politik wird es in diesem Land nicht leichter haben, wenn sich der rechte Flügel in der SPD durchsetzt.

Beck gehörte auch nicht zum linken Flügel.
Das stimmt. Man sollte die Rolle von Beck jetzt auch nicht verklären. Kurz vor dem Ende seiner Zeit als Vorsitzender gab es die Erklärung von 60 linken Sozialdemokraten, deren deutliche Kritik ein Beleg dafür ist, wo die Partei derzeit tatsächlich steht. Aber immerhin hatte Beck auf dem Hamburger SPD-Parteitag den Versuch gestartet, die eine oder andere Kurskorrektur vorzunehmen. Auch wenn das Gros der Beschlüsse parlamentarisch nicht umgesetzt wurde, zum Beispiel beim gesetzlichen Mindestlohn oder bei der Bahnprivatisierung. Er hat zur Kenntnis genommen, dass es den Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit gibt und versucht, wenn auch ungeschickt, die Konsequenzen aus der Existenz der Linkspartei zu ziehen. Mit Steinmeier und Müntefering kehren alte Zeiten zurück.

Muss die Linkspartei jetzt ihre Strategie ändern?
Nein. Die Linkspartei setzt auf ihre eigenen Stärken und nicht auf die Schwäche der Konkurrenz.

Das hörte sich bislang oft anders an.
Wer dieses Land verändern will, wer mehr soziale Gerechtigkeit durchsetzen will, der braucht zuerst einmal eine starke Linke. Links wirkt, das haben die vergangenen Monate gezeigt - bei der Altersteilzeit, bei der Pendlerpauschale, bei Studiengebühren. Da sind wir auf einem guten Weg, zehn Prozent plus X bei den nächsten Bundestagswahlen sind nicht unrealistisch. Für einen Politikwechsel in Deutschland brauchen wir aber auch eine starke und sozial ausgerichtete Sozialdemokratie. Derzeit sehe ich nur eine schwache und vor allem unsoziale SPD. Das ist kein Vorteil.

Besteht noch eine Chance, dass sich bis zum Herbst 2009 die Lage ändert?
Derzeit ist die SPD auf Bundesebene für uns nicht koalitionsfähig. Ich glaube nicht, dass es mit dem Spitzenpersonal noch vor der Bundestagswahl einen Kurswechsel bei der SPD gibt. Aber vielleicht danach ...

Sie meinen, wenn Steinmeier und Müntefering die Wahlen 2009 verlieren, wird der Weg für den linken SPD-Flügel frei?
Ich sage nur, dass die SPD gerade eine Entscheidung getroffen hat, die auf die Bundestagswahl ausgerichtet ist. Bei weiteren Wahlniederlagen wird der Partei klar werden, dass sie umdenken muss. Nicht zuletzt, weil die Linkspartei hoffentlich noch stärker sein wird als jetzt.

Sind in Ihrer Partei jetzt die bestärkt, die vor allem auf Kosten der SPD wachsen wollen?
Schauen Sie sich die aktuelle Debatte um die Tolerierung in Hessen an. Selbst harte Kritiker der SPD in unseren Reihen sind plötzlich zu Befürwortern einer Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten auf Landesebene geworden. Das ist in den alten Ländern ein Lernprozess, über den ich mich freue. Denn als Anti-SPD wird die Linkspartei keine Zukunft haben.

Wäre eine formelle Koalition in Hessen der bessere Weg?
Als Berlinerin weiß ich, was es bedeutet, wenn die Bundesebene glaubt, einem Landesverband Vorschriften machen zu müssen. Die rot-rote Koalition in der Hauptstadt war ja nicht gerade das Lieblingskind in unserer Partei. Deshalb sage ich: Das entscheiden die Hessen am besten selbst. Ich persönlich halte eine Tolerierung für das bessere Modell, weil die Linke dabei am stärksten Einfluss auf die Landespolitik nehmen kann.

Das Gespräch führte Tom Strohschneider

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden