Det Norske, häh?

Theaterkolumne Eigentlich wollte unsere Autorin in Norwegen nichts tun – erst recht nichts mit Theater. Doch selbst auf Reisen holt es sie ein. Was ein wohnzimmergroßes Stück Rasen bei Oslo über die Bühne lehrt
Ausgabe 25/2022
Das Norske Teatret probt für eine Vorstellung von „Peer Gynt“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, 1960er-Jahre
Das Norske Teatret probt für eine Vorstellung von „Peer Gynt“ am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, 1960er-Jahre

Foto: United Archives/IMAGO

In den letzten beiden Wochen war ich in Norwegen, meine erste etwas weitere Reise nach der Pandemie. Eigentlich wollte ich mich dort mit nichts beschäftigen, schon gar nicht mit Theater, und einfach nur abhängen an einem menschenleeren Fjord, wo sich Troll und Elfe gute Nacht sagen.

Aber wer kann das schon, wirklich nichts machen? Also landete ich auf einer meiner Touren in einem kleinen Freiluftmuseum in Asker, in der Nähe von Oslo. Stellt sich raus, dass es hier ein Haus zu besichtigen gibt, in dem das Ehepaar Hulda und Arne Garborg zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gelebt hat. Sie waren Autoren, Journalisten und Kulturvermittler und hatten das Ziel, die ursprüngliche Kultur Norwegens wiederzubeleben, das sich seit Jahrhunderten entweder unter schwedischer oder dänischer Verwaltung befand.

„Auf dieser Wiese hier“, sagte irgendwann stolz die Museumsführerin, die ein paar Kanadier und mich durch das Gelände führte, „wurde der Grundstein für Det Norske Teatret gelegt“. „Das was?“, fragte ich ungläubig und starrte auf das wohnzimmergroße Rasenstück. Das sogenannte norwegische Theater, wurde mir dann freundlich erläutert, war der Versuch, die eigentliche norwegische Sprache – das Nynorsk – stärker zu verbreiten und gegen das dänisch eingefärbte Bürokraten-Norwegisch zu rebellieren. Die Gründung dieses Theaters durch besagte Hulda hatte im Jahr 1912 tatsächlich auf dieser Wiese stattgefunden. Doch bis ein Stück in Nynorsk geschrieben wurde, dauerte es noch ein Weilchen, und so überbrückte man im Norske Teatret die Zeit bis zur Uraufführung des aus dem Dänischen übersetzten Jeppe auf dem Berg mit der Einübung von Volkstänzen.

(So ein Tanz wurde uns später auch noch beigebracht: Ich lernte, eifrig zum Rhythmus von La-La-La-La-La mit den Füßen zu stampfen, in die Hände zu klatschen, sie dann in die Hüften zu stemmen und herzhaft im Kreis herumzuspringen, immer dieses laute La-La-La-La-La singend. Die Museumsführerin war von mir begeistert; die Kanadier, die hier auf den Spuren ihrer norwegischen Wurzeln wandelten, habe ich mit meiner volkstümlichen Begeisterung eher verschreckt.)

Wo beginnt die Idee von Theater?

Aber was ist aus all dem geworden? Det Norske Teatret gibt es immer noch, es befindet sich nach mehreren Umzügen in einem Neubau in Oslo und ist bekannt für seine, ähm na ja, Musicalaufführungen wie Cats oder Les Misérables. Welch merkwürdige Ironie der Geschichte.

Wo beginnt eine Idee von Theater und wo endet sie? Der Eindruck dieser unberührten Wiesenromantik; die naive und immer noch lebendige Vorstellung, mit Theater irgendwas retten zu wollen, bis hin zu dem klobigen Kommerzschuppen: Das hat mich dann nicht losgelassen.

Zurück zu Hause fragte ich mich, welchen Weg wohl das Theater hierzulande einschlagen wird, das offenbar keiner mehr so richtig sehen will. Da liegt selbst das unmittelbarste Wegstück schon im Dunkeln. Erstaunlich ist zum Beispiel, dass die Theater nur zögerlich durchblicken lassen, was sie in der nächsten Spielzeit zeigen wollen. Normalerweise wären diese Pläne schon längst veröffentlicht. Wahrscheinlich wird wieder bang auf den Herbst geschaut, der ja eine neue Welle der Pandemie bringen soll und damit keine Planbarkeit. Warum also Premieren ankündigen, die vielleicht sowieso nicht stattfinden? Die vorhandenen Pläne haben viel Shakespeare auf dem Programm, den guten alten Krisenanalysten. Ansonsten leider wieder wenig Neues: Ibsen, Tschechow, Hauptmann, Neuüberschreibungen von antiken Klassikern sowie Projekte, deren Beschreibungen man gar nicht versteht. Aber nichts, von dem ich sagen würde: Das will und muss ich sehen. Bis dieser Publikumsknaller kommt, mache ich lieber einen Volkstanzkurs.

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