Klassenkampf? Klassenkampf begeht, wer den Rundfunk nicht für eine Ware hält. Das sagt Burkhard Müller-Sönksen, FDP-Fraktionschef in der Hamburger Bürgerschaft. Der Liberale will, dass diese ganz normale Ware auch als ganz normale Ware gehandelt wird. Wie? Durch das neue Hamburger Mediengesetz, das fünf Tage vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch den kriminellen Medienpaten Silvio Berlusconi von der Bürgerschaft beschlossen wurde. Es soll, laut Staatskanzlei, die "aus heutiger Sicht nur noch schwer begreifliche Überregulierung im Privatrundfunk" beenden und beispielgebend für ganz Deutschland werden.
Für die Kommerzsender wird es keinen Mindestwortanteil mehr geben. Nachrichten können fertig gesprochen von Agenturen
enturen übernommen werden. Eigene Berichte sind nicht mehr nötig, können aber auch von anderen Stationen, mit denen man eigentlich im Wettbewerb stehen soll, übernommen werden. Einfalt statt Vielfalt ist endlich erlaubt und wirtschaftlich geboten. Von einer Informationspflicht der Vollprogramme ist nicht mehr die Rede, stellte Hamburgs Landesmedienanstalt fest.Burkhard Müller- Sönksen berief sich in einer Diskussion mit der "Deutschen Journalisten Union" auf die rundfunkpolitische Reform, die zu Beginn der achtziger Jahre von dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht ausging - Albrecht hatte damals auch eine Justizreform zur Wiedereinführung der Folter anzuregen versucht. Der Leitsatz für die Albrechtsche Rundfunkreform lautete: "Mehr Nachrichten, weniger politischer Quark", das heißt: keine Reportagen, keine Kommentare und schon gar kein kulturelles Wort. Albrecht vor 23 Jahren: "Im übrigen bis ich es auch leid, dass ich immer dann, wenn ich Musik hören will, irgendeinen habe, der dazwischenquatscht." Damals wurde die sogenannte Service-Welle entdeckt: Musik, möglichst nur unterbrochen von Kurznachrichten und Verkehrsdurchsagen.Die Idee dieser Servicewelle stammt freilich nicht aus den achtziger Jahren, erfunden hatte sie schon ein anderer Staatsmann vier Jahrzehnte zuvor, freilich nur für den auswärtigen Gebrauch: "Es ist viel besser, in jedem Dorf einen Radiolautsprecher aufzustellen, um den Menschen auf diese Weise Neuigkeiten zu erzählen, als sie zur selbständigen Erlangung politischer Kenntnisse zu befähigen." Das verlangte 1942 der damalige Reichskanzler zur artgemäßen Behandlung der Ostvölker und betonte: "Man soll es sich auch ja nicht einfallen lassen, den unterworfenen Völkern im Radio Dinge über ihre Vorgeschichte zu erzählen, man muss ihnen vielmehr durch den Rundfunk Musik, Musik und noch einmal Musik vermitteln. Denn lustige Musik fördert die Arbeitskraft."Das von Müller-Sönksen eingebrachte Gesetz bedeutet, dass sich auf Hamburgs Kommerzstationen der totale Dudelfunk austoben darf. Der seit 15 Jahren bestehende Offene Kanal aber, dessen Redakteurinnen und Redakteure jedem Interessierten halfen, eigene Sendungen zu gestalten, wird jetzt der Trägerschaft der unabhängigen Hamburger Medienanstalt entzogen: Bisher galt für Sendungen im Offenen Kanal: "Den Inhalt eines Sendebeitrages bestimmen die Nutzerinnen und Nutzer selbst. Eine Zensur findet nicht statt." Künftig heißt es: "Die Inhalte des Bürger-TV werden vor ihrer On-Air-Verbreitung geprüft und genehmigt."Es geht dabei auch um die 900.000 Euro, die dem Offenen Kanal aus Rundfunkgebühren zur Verfügung standen. Die sollen jetzt in die Hände einer in Gründung befindlichen "Hamburg Media School" abwandern, die laut ihrem "letter of intent" von einer "public-private-partnership" getragen wird und für diese Subvention - eine weitere Million Staatsgelder ist schon zugesagt - sehr empfänglich ist. Der Wissenschaftssenator Jörg Träger: "Mit der Hamburg Media School wollen wir neue Wege in der Hochschullandschaft beschreiten: bewusst elitär, privat co-finanziert, wirtschafts- und verwertungsorientiert." Schon lange nämlich sind Hamburgs Verleger scharf darauf, die Ausbildung ihrer Journalisten der - relativ - unabhängigen Universität zu entziehen und Einrichtungen anzuvertrauen, die nach ihren Vorgaben geformt sind. Die Hamburg Media School, die nach einem Senatspapier ebenso wie das neue Hamburger Mediengesetz beispielgebend für andere Länder werden soll, will noch in diesem Sommer ihre Arbeit mit fünfzig bis achtzig Studierenden aufnehmen. Deren hohe Qualifikation für wirtschafts- und verwertungsorientierte Zwecke ist durch hohe Studiengebühren gesichert. Gesucht sind weniger Journalisten - von denen gibt es auf der Straße genug - als vielmehr Medienmanager, die Sende- und Lese-Produkte nach den Vorgaben der Werbeindustrie gestalten. Bei entsprechenden Leistungen gewährt die Hamburg Media School einen Abschluss als "Master of Media Management". Wer ihn hat, wird wissen, was das Publikum braucht: Musik, Musik und noch einmal Musik. Denn lustige Musik fördert die Arbeitskraft.