Europa rüstet sich für die Militarisierung des Weltraums. Nach den USA und Russland wollen jetzt auch Europäer eigene Satellitensysteme zur Spionage, zur militärischen Aufklärung und zur Navigation von Truppen "out of area" einsetzen. Die heute noch eigenständige ESA, die Europäische Weltraumagentur, soll dafür in eine EU-Organisation à la NASA umgewandelt werden. Ihr bisher ausschließlich ziviler Charakter wird dann eine militärische Komponente erhalten. Die Öffnung des geplanten Navigationssystems Galileo für militärische Nutzer ergänzt die neue Linie.
Drei "Weise" hatte die EU-Kommission mit der Entwicklung von Visionen zur europäischen Raumfahrt beauftragt. Bereits im Jahr 2000 legten Lothar Späth, der
Späth, der Franzose Jean Peyrelevade und der Schwede Carl Bildt dem EU-Forschungskommissar Philippe Busquin ihren "Three-Wise-Men-Report" vor. Als Konsequenz aus dem Kosovo-Krieg empfahlen sie, die ESA in Sicherheitsaufgaben einzubinden. Der Krieg auf dem Balkan hatte den Europäern gezeigt, dass die Amerikaner ihre Daten aus dem Weltraum nur nach Gutdünken weiter geben. Diese Abhängigkeit soll in Zukunft beendet werden.Jetzt steht ein Grünbuch Europäische Raumfahrtpolitik zur Diskussion, in dem die Europäische Kommission sich voraussichtlich Anfang November erstmals offiziell zur mittelfristigen Nutzung der Raumfahrt äußern will. Ein Kapitel ist speziell der militärischen Weltraumnutzung gewidmet. Darin werden die geplanten Satellitensysteme, die sowohl Galileo als auch dem Erderkundungs- und Katastrophenschutzsystem GMES zugrunde liegen werden, auf ihre militärische Tauglichkeit geprüft. Bisher galten beide Systeme als streng zivil ausgerichtet. Man wolle kein zweites GPS, hieß es. Das amerikanische Navigationssystem GPS, das modernen Autos den Weg erklärt, wird immer wieder auch vom US-Militär genutzt. Präzisionsbomben und Marschflugkörper finden mittels dieses Systems ihr Ziel für die sogenannten "chirurgischen Schläge". Galileo kann das, wenn es im Jahr 2008 mit 28 verknüpften Satelliten wie geplant in Betrieb geht, auch. "Soll es aber nicht", hieß es bislang unisono. Auch jetzt noch müht man sich, die militärische Option zu relativieren. "Diese Frage stellt sich nicht", heißt es etwa aus dem bundesdeutschen Forschungsministerium. Edelgard Bulmahn ist Vorsitzende des Ministerrates der ESA.Intern wird aber längst weiter gedacht. Galileo könne die gemeinsame europäische "Schnelle Einsatztruppe" unterstützen, meinen etwa Gustav Lindström und Giovanni Gasparini. "Es könnte Truppenbewegungen überwachen und Munitionstransporte planen", schreiben die beiden Strategen in einem Gutachten für das Institut für Sicherheit der Europäischen Union. Auch der Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Sigmar Wittig, sagt, man müsse "dem Militär alle Möglichkeiten an die Hand geben, die die Raumfahrt bietet." Man könne schlecht Soldaten nach Afghanistan schicken "und sie dann allein lassen". In einer EU-Entschließung mit dem Titel "Prioritäten und Schwachstellen der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur" von März heißt es eindeutig: "Wir wollen uns nicht dem Willen eines neuen Reiches unterordnen". Gemeint sind die USA. Und so planen Europas Sicherheitsstrategen, mindestens einen Galileo-Kanal für das Militär offen zu halten.Organisieren soll das künftig die ESA - als EU-Raumfahrtagentur. Seit 1975 ist der Forschungsverbund ESA in der Grundlagenforschung, der Erd- und Wetterbeobachtung sowie der Telekommunikation tätig. Wenn in Südamerika die Ariane-Raketen starten, steuert sie die ESA. Bislang ist ihr ziviler Charakter in einem Grundlagenvertrag festgeschrieben, der nun geändert werden soll. Ein entsprechendes Rahmenabkommen zwischen ESA und EU ist in Arbeit. Wie sich die Mitgliedsstaaten der ESA zu den Umarmungsversuchen seitens der EU verhalten werden, ist noch unklar. Immerhin sind mit Finnland, der Schweiz und Kanada neutrale beziehungsweise Nicht-EU-Länder Mitglied.Die deutsche Position hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits klar ausgesprochen. Die Strukturen der ESA seien unbedingt an die EU heranzuführen, heißt es. Die Kosten für die Weltraumforschung seien schlicht zu hoch für paralleles Arbeiten. Allerdings solle von einer veränderten ESA "keine Forschung für militärische Anwendungen finanziert" werden, versichert Forschungsministerin Bulmahn. Genau das aber vermuten Kritiker. Wäre die ESA politischen - auch militärpolitischen - Direktiven der EU unterworfen, wäre die Grauzone zwischen Militärforschung und ziviler Forschung nicht zu kontrollieren, sagt der forschungspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Hans-Josef Fell. "Ich fürchte die Umgehung gedeckelter Militäretats." Noch einen Schritt weiter geht Regina Hagen, Koordinatorin des International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP). Sie fürchtet, dass ein Ausbau der europäischen Militarisierung des Weltraums zu einem Wettrüsten im All führen könne.