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In der Filmwissenschaft ist der Darstellung von Männlichkeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dass dieser dunkle Kontinent nun erkundet werden kann, ist zwei aktuellen Sammelbänden zu verdanken, die eine beachtliche thematische Bandbreite anbieten. Von Stars, Körperteilen, Fans ist in dem Buch Göttliche Kerle. Männer - Sex - Kino die Rede. In Männer - Machos - Memmen. Männlichkeit im Film werden Serien, Genres, Schauspieler und Regisseure untersucht. So wird reichlich Stoff für die Erforschung eines Geschlechts geboten, das sich historisch hartnäckig der Erkenntnis seiner Körperlichkeit widersetzt hat, indem es sich in der Rolle des Biologie übersteigenden Kulturschaffenden
Rolle des Biologie übersteigenden Kulturschaffenden gefiel. Wendet man jedoch den Blick den männlichen Körpern auf der Leinwand zu und belässt ihn bei der Wahrnehmung einer geschlechtlichen Inszenierung, ist diese Vertuschung nicht mehr möglich. Der Blick auf Männer wird so zur Waffe der Enttarnung einer Geschlechterhierarchie.Trotz des geteilten Untersuchungsgegenstandes unterscheiden sich beide Bücher im angestrebten Kontext und Sprachstil sehr voneinander. Männer - Machos - Memmen platziert sich in der Wissenschaft, während sich Göttliche Kerle einem allgemeineren Publikum verschreibt. Darin erschöpft sich die Unterschiedlichkeit nicht, denn die Schreibhaltung verdoppelt gleichsam das Thema. Während viele der Beiträge in Göttliche Kerle einen begehrenden Blick auf Männer werfen, sollen in Männer - Machos - Memmen die Konstruktion von Männlichkeit und männliche Geschlechterrollen untersucht werden. Der inszenierte Anspruch wissenschaftlicher Objektivität bringt jedoch gleichermaßen eine maskuline Selbstkonstruktion der Schreibenden mit sich. Indem subjektive und begehrende Sichtweisen hinter scheinbar objektiven Kriterien verschwinden, bewegen sich die AutorInnen in der seit der Aufklärung gültigen Tradition männlicher Selbstinszenierung, die darauf angewiesen ist, ihrem Anderen abgewertete körperliche Qualitäten zuzuweisen: Begehren, Sterblichkeit, Geschlechtlichkeit.Dieser Abwertungsgestus wird in der Einleitung zu Männer - Machos - Memmen beispielhaft aufgerufen. Hier entwerfen die Herausgeber Hißnauer und Klein den Forschungsrahmen in Abgrenzung zu feministischen Theorien, deren Ansätze und Sichtweisen verkürzt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt wiedergegeben werden. Die 30-jährige Geschichte feministischer Filmtheorie wird auf einen einzigen Lehrsatz heruntergebrochen, der wegweisenden Philosophin Judith Butler unterstellt, der Körper spiele für sie keine Rolle, auch wenn ihr Werk Körper von Gewicht (1995) - wie der Titel bereits andeutet - das Gegenteil belegt. So konturiert sich die Lehrmeinung von Hißnauer und Klein unnötigerweise auf Kosten einer differenzierten Auseinandersetzung, die zudem der inhaltlichen und formalen Ausrichtung vieler Beiträge nicht gerecht wird.Herausragend ist jedoch Walter Erhardts Aufsatz Männlichkeit, Mythos, Gemeinschaft, der die filmgeschichtlichen Entwicklungen im Western untersucht. Indem Erhardt entlang von drei Filmbeispielen - Stagecoach (Höllenfahrt nach Santa Fé, USA 1939), High Noon (Zwölf Uhr Mittags, USA 1952), Unforgiven (Erbarmungslos, USA 1992) - aufzeigt, wie sich die "Basisgeschichte" des Western etabliert und verändert hat, wird die Mächtigkeit einer idealtypischen Männlichkeit deutlich herausgearbeitet. Der Westernheld ist für Erhardt der Einzelkämpfer und Gesetzesbringer, der sich von verweichlichten Männern absetzt und erst Bindungen zu Frauen eingehen kann, wenn seine Tat vollbracht ist. Selbst dann, wenn diese Erzählung wie in Unforgiven variiert und umgearbeitet wird, bleibt die ursprüngliche Erzählung als Grundform erhalten und wird zwanghaft wiederholt. So gelingt es Erhardt, die hartnäckige Sehnsucht nach dem Männlichkeitsideal des Westerns hervorzukehren.Bestechend ist weiterhin die Bandbreite der bearbeiteten Themen in Männer - Machos - Memmen. Komische Männerpaare wie Stan Laurel und Oliver Hardy werden ebenso wie Kubrick-Filme oder Star Trek-Serien untersucht. Auf Filme mit einem homosexuellen Bezug gehen zwei Beiträge ein, die Machtrelationen analysieren. Da die ausgewählten Filme von Gregg Arakis (Totally F***ed Up, USA 1993; The Doom Generation, USA 1995; Nowhere, USA 1997) sowie den S/M-Filmen von beispielsweise Jean Genet (Un Chant D´Amour, F 1950) und Rainer Werner Fassbinder (Querelle - ein Pakt mit dem Teufel, D/F 1982) von gewalttätigen Darstellungen geprägt sind, entsteht jedoch der Eindruck einer unmöglichen gleichwertigen Sexualität unter Männern. Zwar weist Autor Siglegger in einer Fußnote darauf hin, dass er sich bei den S/M-Filmen "mit einem sehr kleinen Teil homosexueller Kultur" beschäftigt, doch fehlt es der Gesamtauswahl an Alternativen zu einer nach Hegemonie strebenden Männlichkeit, seien die dargestellten Männer homo-, bi- oder heterosexuell. Daher bleibt ein Manko des Readers, dass alternative Rollenmodelle fehlen, obwohl sie durchaus in der Filmgeschichte zu finden sind.