Endlich weg von fossilen Energien: Einfach mal machen!
Energiewende Können wir eigentlich ohne russisches Erdgas und saudisches Öl auskommen? „Nein“, sagen Expert*innen. Aber Bürger*innen packen einfach an. Wir zeigen, was alles möglich ist
Oft liegt der Hase bei den Prämissen im Pfeffer. Also, wenn man – wie derzeit – diskutiert, was anders werden sollte. Die deutsche Energieabhängigkeit von Russland oder Saudi-Arabien etwa, die findet zwar niemand gut. Viele aber sagen: Es geht halt leider nicht anders. Wir haben in Deutschland nun mal kein Erdöl, wir fracken kein Gas, also sind wir auf Importe angewiesen.
Manche gehen sogar noch weiter: Es sei naiv, diese Abhängigkeiten und Zwänge nicht einzusehen. Dass es nun mal nicht anders geht. Dass man in einen Altbau eben keine Wärmepumpe einbauen kann. Dass die Bäckereien sterben werden, wenn das Gas so teuer bleibt, weil man ohne Gas eben keine Brötchen backen kann. Doch das ist nicht richtig. Vieles
cht richtig. Vieles geht eben doch. Vieles könnte anders laufen, wenn wir uns dazu entschlössen. Das aber können wir nur, wenn wir von Alternativen wissen.Der Freitag hat sich deshalb auf die Suche gemacht nach Beispielen, die zeigen, was alles möglich ist. Wenn man nur will. Solaranlagen trotz Denkmalschutz? Kann man hinkriegen. Wärmepumpe im Altbau? Geht, wenn man nur will. Solarstrom vom Dach oder vom Balkon? Machbar, Frau Nachbar.Was wir entdeckt haben, ist auch ein später Sieg der Unangepassten. Denn mal ehrlich: Wer sich vor zehn Jahren ein Solarpanel aufs Dach gestellt oder ein viele Meter tiefes Loch gebuddelt hat, um die Wärme aus dem Erdinneren zu ziehen, der galt bestenfalls als Wohlstandsöko. Für viele auch einfach nur als Spinner. Denn mit Erdgas konnte man sehr viel preiswerter heizen. Inzwischen hat sich die Lage dramatisch geändert: Diejenigen, die früher von vielen nicht sonderlich ernst genommen wurden, sind heute die Vorreiter einer Energiewende von unten.Natürlich sind Ideenreichtum und Eigeninitiative nicht alles. Auch der Staat spielt bei der Energiewende eine wichtige Rolle. Er muss die Projekte lenken und mitfinanzieren. Wir einzelnen aber, wir können denken. Spinnen. Und umrüsten statt aufrüsten. Pepe EggerIch pump dir mal'n paar GradWärmepumpen produzieren Wärme aus der Umweltenergie, aus Luft, Boden oder Wasser – ganz ohne das Verbrennen von Öl, Gas oder Holz. In Altbauten, heißt es, seien Wärmepumpen allerdings keine Option. Denn die Heizkörper in Altbauten sind meist relativ klein, eine Wärmepumpe braucht aber möglichst große Heizflächen.Dabei kann sich die Wärmepumpe durchaus im Altbau lohnen – zum Beispiel bei Familie Zeiger im hessischen Reiskirchen-Hattenrod. Ihr 120 Quadratmeter großes Einfamilienhaus verfügte, als sie es 2015 kaufte, bereits über eine Fußbodenheizung im Erdgeschoss. Inzwischen ließ die Familie auch die Dachwohnung damit ausrüsten. Anders als in vielen anderen Altbauten sind zudem die Außenwände gedämmt. Das ist wichtig, weil dann eine Vorlauftemperatur von 35 Grad reicht. „Bei optimalen Bedingungen liegt der Wirkungsgrad der Anlage bei fünf“, erklärt Karsten Zeiger: Pro zugeführtem Kilowatt Stromenergie können fünf Kilowatt Energie aus der Umgebungsluft gewonnen werden. Wenn es sehr kalt wird, kann die Erhitzung des Heizwassers bis 45 Grad erhöht werden. Damit sinkt dann aber auch der Wirkungsgrad deutlich ab. Und wenn alles nicht hilft, hat jede Wärmepumpe einen Heizstab, mit dem Wärme generiert werden kann. Damit wird dann Strom benötigt, um das Haus warm zu bekommen.Aber bei Zeigers läuft die Wärmepumpe ohnehin nur in der dunkelsten Jahreszeit – den Rest der Energie besorgt die Sonne. Denn der Vorbesitzer hatte auf dem Dach etwa 20 Quadratmeter Solaranlage installiert: Ihm war wichtig, dass das Badewasser in den Übergangsjahreszeiten von der Sonne geliefert wird. Heute ist die Solaranlage mit der Fußbodenheizung verbunden, sodass Zeigers damit an kalten Tagen im Herbst und im Frühjahr heizen und den Strom für die Wärmepumpe sparen.Wer testen will, ob eine Wärmepumpe in seinem Altbau sinnvoll ist, kann die Heizung an einem richtig kalten Wintertag auf maximal 50 Grad Vorlauftemperatur stellen. Bleibt die Wohnung warm, kann eine Wärmepumpe effizient sein. Inge WenzlWie Sie sind noch nicht solar?Sie haben noch keine Solaranlage? Dann können Sie ja gar nicht das Gefühl genießen, das einen beschleicht, wenn die Sonne das Zählerrädchen im Stromkasten kreisen lässt. Das Kreisen des Rädchens bedeutet nämlich erstens: Schon wieder Geld verdient. Zweitens: Gutes für die Umwelt getan. Und drittens: Die fossilen Diktatoren dieser Welt um eine Chance gebracht, Macht auszuüben!Placeholder image-1Früher wurden Solaranlagen installiert, um Sonnenstrom ins Netz einzuspeisen. Wer vor 13 Jahren eine Anlage mit der Spitzenleistung von 4,5 Megawatt ans Netz brachte, zahlte 20.000 Euro. Heute kostet so eine Anlage nur noch etwa 6.500 Euro. Allerdings lohnt es sich nicht mehr, den Strom ins Netz einzuspeisen (das würde bei kleinen Anlagen nur noch 13,4 Cent pro eingespeister Kilowattstunde bringen). Viel lukrativer ist es, den Strom selbst zu nutzen – wo er doch 42 Cent kostet, wenn er aus der Steckdose kommt. Deshalb werden Paneele heute nicht mehr nur Richtung Süden, sondern auch nach Osten und Westen ausgerichtet, denn morgens und abends ist der Strombedarf am größten.Sie haben kein Dach und wollen trotzdem eine Solaranlage? Kein Problem: Die Bundesregierung hat die Bedingungen dafür mit dem Mieterstromgesetz verbessert. Allerdings geht das nur mit der Zustimmung des Vermieters, die aber in der Regel gern erteilt wird, weil die geringeren Energiekosten eine Wohnung attraktiver machen. Für den Fall, dass der Vermieter streikt, gibt es Balkon-Solaranlagen, die ihren Strom per Stecker ins eigene Netz einspeisen. Ein 300-Watt-Modul ist ab 400 Euro zu haben. Aktuell kann der Nutzer damit seine Stromrechnung um 100 Euro jährlich entlasten, denn es wird immer erst der eigene Strom verbraucht, ehe Strom aus dem Netz gezogen wird. Spätestens ab dem fünften Jahr verdient die Anlage Geld.Kein Dach, kein Balkon? Dann gibt es die Anteilsscheine bei einer Bürgerenergiegenossenschaft für Solaranlagen auf Schulen oder Rathäusern. Der Ertrag wird an alle Eigner ausgeschüttet. Hier kann man zwar dem Zählerrädchen nicht zusehen. Dafür lernt man nette Leute kennen. Nick ReimerUnser Wind, unsere Gülle, unser StromAlles begann nach der Wende, als Feldheim, ein brandenburgisches Straßendorf, etwa 80 Kilometer von Berlin entfernt, in den Fokus eines Potsdamer Studenten des Bauingenieurwesens geriet. In den 1990ern machte sich dieser auf die Suche nach einem Standort für eine eigene Windstromanlage – und fand Feldheim: Das Dorf liegt auf dem Fläming, einem eiszeitlichen Höhenzug, auf dem ordentlich der Wind pfeift.Für den Studenten Michael Raschemann war es der perfekte Ort, um seinem Plan nachzugehen. Heute ist Raschemann Geschäftsführer eines Unternehmens, das weltweit Windenergieanlagen entwickelt. Von den vier ersten Turbinen aus den Neunzigern hätte eine gereicht, um Feldheim mit Strom zu versorgen. Inzwischen produzieren 55 große Windräder Strom für mehr als 50.000 Haushalte. Zudem gewinnt seit 2008 eine Biogasanlage Wärme und noch mehr Strom aus Gülle, Roggenschrot und Maissilage. Mit diesem natürlichen Gemisch spart das Dorf 260.000 Liter Heizöl pro Jahr. Wie energieautark Feldheim ist, zeigt auch das eigens gebaute Strom- und Wärmenetz. 2009 wurden erst Wärmeleitungen durch den Ort verlegt, dann auch Stromleitungen – für das kleinste Stadtwerk Deutschlands. Teilhaber sind fast alle Menschen im Dorf, die wohl auch die niedrigste Stromrechnung in Deutschland bekommen: zwölf Cent je Kilowattstunde (in Berlin sind es aktuell etwa viermal so viel).Placeholder image-2Feldheims Klima-Energielabor zieht jedes Jahr Tausende von Interessierten aus aller Welt an. In der Renewable Energy World, einer Informationsplattform für erneuerbare Energien aus den USA, rät der Bürgermeister von Treuenbrietzen (der Gemeinde von Feldheim) zu mehr Risikobereitschaft: „In Deutschland hat man manchmal den Eindruck, dass es ein großes Problem ist, wenn jemand einen Fehler macht. Aber nur so machen wir Fortschritte.“ Seit zwölf Jahren ist das kleine Feldheim mit seinen etwa 130 Einwohnern nun unabhängig von fossilen Brennstoffen – und damit auch von den Wladimir Putins dieser Welt. Eva KienholzDie Liebe eines Bäckers zur TechnikVolker Apitz ist gelernter Konstruktionsmechaniker und umgeschulter Bäcker. Im Jahr 2000 gründete er seine Bäckerei Vollkern in Rohrlack im Brandenburger Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Apitz scheint die Energiekrise gut zu überstehen. Wie? Das erzählt er selbst:„Vor zwölf, dreizehn Jahren haben wir entschieden, in unserer Bäckerei auf dem Lindenhof ein Blockheizkraftwerk einzubauen, um damit Strom und Wärme zu erzeugen. Wir befeuern das mit Gas, aber wir haben einen fast hundertprozentigen Effizienzwirkungsgrad. Die Motivation war damals kein Gasmangel, sondern einerseits der Anspruch, ressourcenschonend zu produzieren. Und andererseits, weil ich ziemlich technikaffin bin, eine Faszination dafür, wie krass effizient das Blockheizkraftwerk die Energie nutzt. Wenn man sich überlegt: Bei einem Auto gehen normalerweise 25 bis 30 Prozent der Energie in die Fortbewegung, der ganze Rest ist Abwärme und wird nicht genutzt. So ein Blockheizkraftwerk ist also ein sehr, sehr gutes Beispiel für Effizienz: Fast die gesamte Energie wird genutzt. Das fand ich einfach toll.Wir haben das Nebenhaus mit angeschlossen und die Strom- mit der Wärmeversorgung zusammengelegt. Das hat sich nach sechs oder sieben Jahren amortisiert. Den Strom nutzen wir selber – oder speisen ihn ein. Vor zwei Jahren haben wir das noch mal erweitert, mit Photovoltaik auf dem Dach und einem Batteriespeicher. So können wir Sonnenenergie nutzen, um Strom zu erzeugen, den wir einspeichern.Die Batterieanlage hat jetzt 80 Kilowattstunden Speicherkapazität. Heute – es ist 12 Uhr mittags, Herbst – scheint die Sonne drauf, zugleich läuft das Blockheizkraftwerk für die Heizung, weil es draußen kalt ist. Wir haben also gerade einen Stromüberschuss, weil wir in der Backstube derzeit ganz wenig Strom verbrauchen. Die Frühschicht ist schon nach Hause gegangen, die Spätschicht kommt erst um 17 Uhr. Dann gehen Getreidemühle und Teigknetmaschinen in Betrieb, die haben einen großen Strombedarf – zu Zeiten, wo die Sonne schon untergegangen ist. Also kommt die Batterie ins Spiel, die heute Abend hoffentlich voll geladen ist und einen Teil des Stroms abdeckt.“ Protokoll: Pepe EggerPlaceholder image-3Die Sache mit dem DenkmalschutzEwald Spiess lässt gerade eine Solaranlage auf seinem Dach montieren. Eine gute Sache? Sieht die Denkmalschutzbehörde anders. Sie hat ihm den Anlagebau nicht erlaubt, also ist das Vorpreschen des Bürgers Spiess – illegal. Doch Spiess will kämpfen, bis zur letzten Instanz.Die Story beginnt 1975, als der heute 79-Jährige am Kaiser-Friedrich-Ring in Niederkassel (Nordrhein-Westfalen) ein Haus kaufte. Das wurde Mitte der 50er von Bernhard Pfau gebaut: ein renommierter Architekt, der auch für das bekannte Düsseldorfer Schauspielhaus verantwortlich zeichnet. Architektonisch sei das Eigenheim toll, sagt Spiess, aber aus Klimasicht „eine Katastrophe“: 20.000 Liter Heizöl habe er damals pro Heizperiode wegen der schlechten Wärmedämmung verbraucht.Als vergangenes Jahr dann ein Schaden am Dach festgestellt wurde, dachte sich Spiess: Prima, dann lasse ich, neben den notwendigen Reparaturen, auch direkt eine Photovoltaikanlage montieren! Er hatte das alles durchgerechnet: Ein Gerät mit einer Leistung von 13,3 Kilowattstunden, Baukosten 63.000 Euro, aber dafür würde er endlich von den absurd hohen Heizkosten runterkommen. 13.600 Euro jährlich muss er mittlerweile dafür hinblättern.Doch 2003/04 wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt. Im Februar 2022 meldete sich also die Denkmalschutzbehörde von Düsseldorf, im Sommer folgte ein Schreiben: Weil die geplanten Solarmodule „straßenseitig sichtbar“ wären und das „Erscheinungsbild des Baudenkmals“ dadurch „stark verändert“ werde, könne dem Antrag von Spiess leider nicht zugestimmt werden.Aber ließ er sich davon aufhalten? Nein. Spiess entschied: Das Ding wird installiert. „Das Gericht will ich sehen, das mich zwingt, eine Solaranlage von meinem Dach zu nehmen.“ Diese sei 20 oder 30 Zentimeter hoch und dementsprechend nur für eine „nicht messbare Anzahl von Spezialakademikern im öffentlichen Dienst“ erkennbar. Spiess schickt noch Fotos seines stark wuchernden Vorgartens und fügt an: Von dem Dach sehe man von der Straße aus doch sowieso nix. Vielleicht übersieht die Behörde die Anlage ja? Dorian BaganzGenug Sonne für ein ganzes DorfNa, wer braucht heute noch klimaschädliche Braunkohle, wenn man die Energiewende so viel schneller vorantreiben kann? Das Dorf Keyenberg, nur wenige 100 Meter entfernt vom Kohletagebau Garzweiler im rheinischen Braunkohlerevier, hat sich 2021 mit Solarenergie unabhängig gemacht.Es fing damit an, dass die grüne Energiegenossenschaft Green Planet Energy 2020 auf die Initiative „Alle Dörfer bleiben“ zukam, in der sich Bewohner:innen der verbliebenen fünf Dörfer am Tagebau Garzweiler gegen den Kohleabbau organisieren. Green Planet Energy hatte einen Vorschlag: Über einen eigenen Tarif können Stromkundinnen der Genossenschaft den Ausbau von Solarenergie in Kohleregionen fördern. Einzige Voraussetzung: Diejenigen, die so eine Förderung für ihre Solaranlage erhalten, müssen sich gegen den Kohleabbau engagieren. In der Region Garzweiler ist das keine große Hürde. Die Bewohner:innen kämpfen seit Jahren aktiv für den Erhalt ihrer Heimat.Ende 2020 wurde die erste der Anlagen in Keyenberg installiert. Knapp ein Jahr später waren es bereits fünf. Seitdem produziert das Dorf jährlich knapp 75.000 Kilowattstunden Solarstrom, was den durchschnittlichen Jahresverbrauch der 60 Bewohner:innen übersteigt. „Manche Familien haben sehr große Höfe, mit großen Dachflächen, deshalb reicht die relativ kleine Zahl der Anlagen“, erklärt David Dresen von „Alle Dörfer bleiben“. Einen Teil des generierten Stroms nutzen die Haushalte selbst, der Rest wird ins Netz eingespeist.Einen offensichtlichen Haken hat die Solarenergie allerdings: Nachts lässt sich mit Photovoltaik kein Strom produzieren. Wirklich autark ist Keyenberg somit nicht.Längst diskutiert das Dorf daher über Speichermöglichkeiten, andere Energieformen, eigene Versorgungsnetze – auch bei der Wärme will Keyenberg unabhängig werden. Die schnelle Installation der Photovoltaikanlagen sollte zuerst einmal zeigen: Dass der Tagebau ihr Dorf so lange bedrohen konnte, liegt nicht an fehlenden Alternativen. Die Energiewende scheitert am politischen Willen. Alina Saha
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