Einmarsch

Linksbündig Gegen Konzentrationsprozesse in der Medienlandschaft hilft nur Demokratie

"RTL hält an Nachrichten fest" meldete das Handelsblatt Ende letzter Woche. So weit ist es schon, dass das eine Nachricht ist. Das Geschehen beim privaten Konkurrenzsender Sat.1 hat es der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden RTL-Gruppe leicht gemacht, sich der Öffentlichkeit als kleineres Übel zu präsentieren. Seit Jahrzehnten profitierte sie von der Protektion der langjährig SPD-geführten Landesregierung Nordrhein-Westfalens, die sie als scheinbar gemäßigten Kontrast zur Pro7Sat1-Gruppe des Helmut-Kohl-Freundes und -Finanziers Leo Kirch wahrnahm.

Kirch machte Pleite. Seine Fernsehsender fielen zu einem "Schnäppchenpreis" an den ägyptisch-israelischen US-Bürger Haim Saban, der sie nach nur zwei Jahren zu einem vielfachen Preis an ein Konsortium von Private Equity Fonds weiterverkaufte. Die haben sich nun als ProSiebenSat.1 noch die niederländisch-skandinavische SBS-Gruppe, die ihnen praktischerweise schon gehörte, selbst abgekauft und also selbst Kasse gemacht und ProSiebenSat.1 hoch verschuldet. Nun soll der Schuldendienst mit einer Erhöhung der Sender-Rendite von 20 auf 30 Prozent erwirtschaftet werden: vor allem durch den Rausschmiss von einigen hundert Beschäftigten.

Die moralische Widerlichkeit dieses Vorgangs ist weitgehend unumstritten. Auch die meisten Medienredaktionen deutscher Zeitungen durften ihn drastisch beschreiben und bewerten. Doch wie schon beim Zusammenbruch des Kirch-Konzerns ist dabei wieder mal ein nationaler Zungenschlag zu hören. Das Böse in der deutschen Medienlandschaft kommt angeblich immer aus dem Ausland. Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch personifizieren es geradezu idealtypisch. Ersterer hat nach seiner Abwahl als Regierungschef Probleme, unternehmerisch weiter zu expandieren, mehrere seiner Mafiafreunde wurden seit seiner Abwahl verhaftet. Murdoch dagegen eilt von Erfolg zu Erfolg; zuletzt kaufte er für sehr viel Geld den US-Wirtschaftsmedienkonzern Dow Jones.

Nicht minder böse sind angeblich anonyme Finanzinvestoren, vorzugsweise (anglo)amerikanische. Ihr segensarmes Wirken haben sie bereits im Berliner Verlag begonnen, sie sitzen im Pay-TV-Sender Premiere, bei ProSiebenSat.1, bei der Telekom (in der Minderheit, aber in trauter Eintracht mit der Bundesregierung) und in den meisten regionalen TV-Kabelgesellschaften. Der saarländische Ministerpräsident Müller (CDU) sah sich darob veranlasst, vor dem ökonomischen Einmarsch weiterer milliardenschwerer russischer und chinesischer Staatsfonds in deutsche Medienhäuser zu warnen, und der SPD-Medienpolitiker Eumann wünschte sich eine Beschränkung ausländischer Besitzanteile auf 25 Prozent.

Solche chauvinistischen Stereotype sollte man mit Vorsicht genießen. "Anonyme" Investoren könnten nicht anonym bleiben, wenn die mit Politikern besetzte deutsche Medienaufsicht nur ihre Arbeit machen würden. Und was schafft gutes deutsches Geld? Bei der Frankfurter Rundschau wurden, um die Zeitung für den Verkauf an das Kölner Verlagshaus DuMont Schauberg hübsch zu machen, ungefähr so viele Arbeitsplätze vernichtet, wie es jetzt bei ProSiebenSat.1 geplant ist. Und dass das feudalistische Modell der dynastischen Konzernvererbung kein zukunftstaugliches Modell ist, lässt sich in den Erbengemeinschaftskriegen der Süddeutschen Zeitung in München und des WAZ-Konzerns in Essen beobachten. Die Essener sind in den letzten Jahren vorzugsweise in Südosteuropa expandiert und werden dort als ähnlich "böse" identifiziert wie die Private Equity Fonds hierzulande.

Die Verbreitung von Nachrichten und Meinungen ist schon lange eine Ware. Wenn die Politik es ernst meinte, würde sie sich, wie in der Bundesrepublik in den siebziger Jahren, erneut intensiv mit der "inneren Pressefreiheit", mit innerbetrieblicher Mitbestimmung und Demokratie beschäftigen. Die nicht sehr gewagte Prognose: das wird sicher nicht passieren. Die kurz aufgeflammte Diskussion um eine öffentlich-rechtliche Rechtsform für die Herausgabe von Zeitungen wurde von der Feuerwehr des Verlegerverbandes schnell wieder ausgetreten. Dabei basiert der Reichtum seiner Mitglieder auch nur auf politischen Lizenzvergaben an ihre Väter und Großväter. So gesehen könnte die Diskussion um Erbschaftssteuer auch eine mediendemokratische Komponente bekommen.


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