Einspruch

Debatte zur Nation Resolution der Vollversammlung der StipendiatInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 5.-7. April 2002

Nach den von Gabi Zimmer auf dem Bundesparteitag der PDS im Herbst 2000 geäußerten Überle-gungen zum Verhältnis der Linken zur Nation und den daraus folgenden Debatten hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die das Thema "Die Linke und ihr Verhältnis zu Nation und Nationalstaat" untersuchen sollten.

Die von Erhard Crome und Ronald Lötzsch vorgelegten Gutachten beleuchten das Verhältnis zwar in unterschiedlicher Art und Weise, sind aber beide kritikwürdigen Inhalts. Die Vollversammlung der Sti-pentiatInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung als große Gruppe innerhalb der Stiftung übt mit dieser Re-solution Kritik an der eingeschlagenen Richtung. Unsere Kritik macht sich zunächst an folgenden Punkten fest:

In beiden Studien wird wie selbstverständlich mit Begriffen wie "Volk" und "Ethnie" operiert - wenn auch in unterschiedlicher Form. Beispielsweise spricht Lötzsch vom "deutschen, polnischen oder jüdi-schen Blut" als sei dieses real existent und nicht Ergebnis gesellschaftlicher Zuschreibungen. Mit sei-ner Publikation knüpft er an wissenschaftstheoretische Paradigmen der Volkstumsforschung an. Eine Publikation der Stiftung begibt sich damit in die Nähe zu neurechten Positionen wie sie beispielsweise in Schäubles Rede von der "deutschen Schicksalsgemeinschaft" zum Ausdruck kommen.

Die theoretisch begründete und fundierte Kritik vieler Linker am Begriff der Nation wird ausgeblendet, ihr Verhältnis zur Nation wird als "Nationalnihilismus" diskreditiert. Die Studie Lötzsch` ist ahistorisch, da sie den Nationalsozialismus ausblendet und Auschwitz nicht einmal erwähnt. Beides ist jedoch für die Kritik der Linken am Begriff der Nation zentral.

Cromes Analyse deutscher Geschichte nach 1990 zeichnet sich durch einen Mangel an Realitätssinn aus: Angesichts der deutschen Beteiligung an diversen Kriegseinsätzen zu behaupten, 1990 sei nicht Ausgangspunkt für eine neue deutsche Weltmachtpolitik gewesen, zeugt ebenso von mangelnder poli-tischer Analyse wie die Behauptung, der Schutz von Menschen- und Bürgerrechten sei nun in eins ge-setzt. Angesichts des Umgangs der Bundesrepublik Deutschland mit MigrantInnen kann dies nur als zynisch bezeichnet werden.

Wir als StipendiatInnen der Rosa-Luxemburg-Stiftung kritisieren das Verfahren bei der Vergabe sol-cher Forschungsaufträge und sehen uns bei der hiermit erzielten politischen Außenwirkung der Stif-tung nicht repräsentiert. Der Zusammenhang zur Parteitagsrede von Gabi Zimmer weist darauf hin, dass der wissenschaftliche Anspruch der Stiftung zugunsten parteipolitischer Erwägungen zurückge-stellt wird.

Wir werden uns nicht beteiligen an einer positiven Neubesetzung des Begriffs der Nation. Vielmehr be-trachten wir es weiterhin als Aufgabe der Linken, diesen kritisch zu hinterfragen und jeglichen nationa-listischen Strömungen entschieden entgegen zu treten.

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