Eisbrecher Donald Tusk

Polen/Russland Der Premierminister will das bilaterale Verhältnis über den toten Punkt bringen

Mit welchen Erwartungen sieht man in Warschau dem an diesem 8. Februar beginnenden Besuch von Donald Tusk in Moskau entgegen? Der Niedergang der russisch-polnischen Beziehungen während der vergangenen Jahre lässt sich kaum übertreffen. Es gibt jede Menge Chancen für einen Neuanfang.

Ob die Misere zwischen Moskau und Warschau allein auf das Verhalten der bis vor kurzem regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zurückzuführen ist, wird von einem nicht geringen Teil der polnischen Öffentlichkeit bezweifelt. Wollte sich doch Präsident Lech Kaczynski seit Juli 2006 mehrfach mit Wladimir Putin treffen, um mit ihm an einem "neutralen Ort auf gleicher Augenhöhe" zu sprechen. Die russische Regierung jedoch überhörte derartige Signale. Sie dachte an die Kraft des "energetischen" Instruments und konnte dem polnischen Anspruch auf eine Partnerschaft unter Gleichen nicht viel abgewinnen, bestärkt durch unfreundliche Gesten der Kaczynskis. Zum Beispiel deren als antirussisch bewertetes Engagement in der Ukraine oder deren Akzeptanz für Pläne der USA, einen "Anti-Raketenschild" auf polnischem Boden zu errichten. Auch das Drängen Warschaus, die 1940 auf Befehl Stalins begangenen Morde an polnischen Offizieren in Katyn als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen, oder der Widerstand gegen die deutsch-russische Ostsee-Pipeline vereisten das bilaterale Verhältnis. Als dann auch noch polnische Agrarprodukte wegen eines Embargos nicht mehr in Russland verkauft werden durften, standen die "Anti-Beziehungen" in ihrem Zenit. Alles gipfelte in der unverantwortlichen Aussage von Außenministerin Anna Fotyga, Russland sei ein Feind Polens.

Dabei schienen die Kontakte nach Auflösung der UdSSR Ende 1991 zunächst einigermaßen störungsfrei. Lech Walesas Besuch in Moskau vom Mai 1992 führte zur Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages und wurde mit einer Staatsvisite Boris Jelzins im August 1994 beantwortet. Damals waren bereits letzte russische Truppenkontingente aus Polen abgezogen. Jelzin brachte Dokumente über die Katyn-Morde mit und übergab sie an Präsident Walesa.

Das danach durch verschiedene "Zwischenfälle" - etwa die in Polen hochgespielte "Korridorfrage" wegen des Zugangs nach Kaliningrad - stark abgekühlte Klima wurde 1995 mit dem Besuch des neuen polnischen Staatschefs Aleksander Kwasniewski wieder ein wenig erwärmt. Dann aber kam die Zäsur des Jahres 1999, als Polen zum NATO-Mitglied aufrückte. In beiden Hauptstädten übertraf man sich bei der Ausweisung der Spionage bezichtigter Diplomaten. Unter der Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Leszek Miller, der zwischen 2001 und 2005 Moskau manchen Besuch abstattete, um brisante ökonomische und "historische" Fragen zu besprechen, entkrampfte sich nicht viel. Wladimir Putin ließ keinen Zweifel, dass er Kanzler Schröder und gute Beziehungen mit Deutschland vorzog und für alle polnischen Avancen nicht viel mehr als die kalte Schulter zeigen wollte.

Putin konnte sich darin bestätigt fühlen, als die Gebrüder Kaczynski das Staatsruder führten und eine überaus feindselige Russlandpolitik betrieben. Es sah teilweise so aus, als dächten beide in den Kategorien des 17. Jahrhunderts, als Polen tatsächlich eine europäische Großmacht war. Die erwähnte Äußerung der Frau Fotyga war insofern kein zufälliger Fauxpas.

Donald Tusk gab nun gleich zu Beginn seiner Amtszeit vor drei Monaten zu verstehen, für ihn gebe es in der Außenpolitik nichts Leichteres, als die Beziehungen mit Moskau über den toten Punkt zu bringen. Russland sei für Polen der große Nachbar, dem man Hochachtungen entgegen bringe. Putins Außenminister Lawrow reagierte mit der Botschaft, man denke nicht daran, auf Polen Druck auszuüben. Man wisse aber, der umstrittene "Anti-Raketenschirm" könnte nach der jüngsten Einigung zwischen Warschau und Washington jede Entspannung zunichte machen.

Donald Tusk fällt so in Moskau die Rolle eines Eisbrechers zu. An der Heimatfront durch soziale Unruhen geschwächt, möchte er in der Außenpolitik wenigstens einen bescheidenen Erfolg vorweisen. Aufpassen muss er freilich, denn zu Hause lauern Staatspräsident Lech Kaczynski und sein Bruder, der Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, um dem Premier gegebenenfalls den Verrat nationaler Interessen vorwerfen zu können.

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