Eisenstein in Düsseldorf

Ausstellung Selten hat jemand der Macht so nahe gestanden und ist doch so sehr Künstler geblieben wie der sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein (1898-1948). ...

Selten hat jemand der Macht so nahe gestanden und ist doch so sehr Künstler geblieben wie der sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein (1898-1948). Von Stalin wurde der Rigaer Bürgersohn mal gefördert, dann wieder erpresst. Er reiste im Parteiauftrag nach Hollywood, lernte Chaplin, Upton Sinclair und Walt Disney kennen, als Bulga­kow, Pasternak und Majakowski von solcher Freiheit nur träumen konnten.

Vor einer gefälligen Neumontage des verbotenen zweiten Teils von Iwan der Schreckliche bewahrte ihn am Ende der eigene, viel zu frühe Tod im Alter von nur 50 Jahren. Sein Panzerkreuzer Potemkin gilt vielen als bester Film aller Zeiten.

Aus Anlass des 60. Todesjahres erinnert das Filmmuseum Düsseldorf jetzt mit einer Filmreihe sowie einer Studioausstellung an den Regisseur. Als gelungen kann die Schau jedoch nicht bezeichnet werden. Zwar wecken die Fotografien, Texttafeln, die Kostümzeichnungen und auch die bisher wenig bekannten homoerotischen Grafiken des Regisseurs durchaus Interesse für seine widerspruchsvolle Vita. Doch es fehlt an einer klaren konzeptionellen Fragestellung.

Dabei wäre die Konzentration auf einen Aspekt, zum Beispiel Macht und Ästhetik, gerade bei beschränkten Mitteln ein fruchtbarer Ansatz gewesen.

Denn vom ersten Film Streik (1925) bis zu Iwan der Schreckliche (1946) behandelt Eisenstein ausschließlich Themen mit höchster politischer Relevanz für die Sowjetmacht. Und verwandelt dabei Klassenkampf in ein ästhetisches Ereignis. Bei der Arbeit an Streik entwickelt Eisenstein die Methode der "Attraktionsmontage". Szenen aus einem Schlachthof schneidet er effektvoll gegen Filmsequenzen, in denen streikende Arbeiter ermordet werden. Panzerkreuzer Potemkin verfeinert diese Technik. Der aus künstlerischen Gründen noch heute gelobte Film war der offizielle Jubiläumsbeitrag zur Feier der russischen Revolution von 1905, gedreht auf Geheiß der Parteiführung.

Alexander Newski (1938), das Werk, das den russischen Widerstand gegen die Kreuzritter des Deutschen Ordens thematisiert, war politisch ebenfalls höchst willkommen. Aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes zunächst nicht aufgeführt, wird er nach dem Überfall auf die UdSSR den Soldaten der Roten Armee in Frontvorführungen gezeigt. Die Kampfszenen jedoch werden von Filmhistorikern gerne als "Kriegsballett" apostrophiert.

Was im Rückblick aussieht wie ein nahtloses Arrangement mit der Obrigkeit, war in Wahrheit ein ständiges Ringen des Künstlers Eisenstein mit dem Parteisoldaten. "Der Film machte Eisenstein zum Kommunisten", heißt es in der in Düsseldorf ebenfalls präsentierten Arte-Dokumentation. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zahllos die Befehle der Partei zum Umschneiden, zur öffentlichen Selbstkritik aufgrund "ideologisch misslungener" Arbeiten.

Beim Spätwerk zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit von Eisensteins Ritt auf Messers Schneide. Für den ersten Teil von Iwan der Schreckliche erhält er den Stalinpreis. "Eisenstein ist es gelungen, Iwan als progressive Kraft zu zeigen", lobt der Diktator die historisch verbrämte Rechtfertigung des Terrors. Doch der zweite, weniger linientreue Teil wird prompt verboten. Eisenstein stirbt an einem Herzinfarkt.

Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn der Regisseur in Hollywood hätte Fuß fassen können. Doch Stalins langer Arm reichte auch dorthin. Der millionenschwere Schriftsteller Upton Sinclair, Eisensteins angeblicher Freund, denunziert ihn in Moskau als politisch unzuverlässig und erzwingt so Anfang der dreißiger Jahre die Rückkehr in die UdSSR. Bei der Arbeit an seinem Wiedergutmachungsfilm notiert ein verzweifelter Eisenstein im Tagebuch: "Ich bin wie eine Hure". Trotz allem wäre ihm hier zu widersprechen.

Sergej M. Eisenstein. Retrospektive und Sonderausstellung. Filmmuseum Düsseldorf. Noch bis zum 4. Januar 2009. Gezeigt werden auch zahlreiche Eisenstein-Filme. Termine unter www.duesseldorf.de/kultur/filmmuseum

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