Eklat auf Quechua

Peru Die linke Regierung ist endlich im Amt, steht aber schon unter Beschuss
Ausgabe 36/2021
Pedro Castillo will nicht aus dem Amtssitz des Präsidenten regieren
Pedro Castillo will nicht aus dem Amtssitz des Präsidenten regieren

Foto: Ernesto Benavides/AFP/Getty Images

Wer dachte, der zähe Streit um den Regierungswechsel in Peru wäre mit der Bestätigung des Kabinetts von Präsident Pedro Castillo Ende August abgeschlossen, hat sich getäuscht. Das neue Regierungsteam ist hochumstritten, folglich gehen die Machtkämpfe in die nächste Runde. Was nicht nur die rechte Opposition empört, das ist die Person des künftigen Premiers. Guido Bellido zählt zum Führungszirkel der leninistischen Partei Perú Libre, für die der Linkskandidat Castillo zur Wahl angetreten war, ohne freilich Parteimitglied zu sein und das Parteiprogramm mitzutragen. Die Nominierung Bellidos wirkt wie eine Machtdemonstration, um Castillo an Perú Libre zu binden, was für das Ansehen der neuen Regierung eher fatal ist. Einerseits kritisieren undogmatische Linke Bellido heftig für abwertende Äußerungen über Frauen und Homosexuelle, andererseits ist er wegen Korruption und „Terrorismusapologie“ angeklagt. Zwei Minister verweigerten den Amtseid, als sie von der Personalie erfuhren, traten dem Kabinett mit einem Tag Verzug dann aber doch bei, darunter Wirtschaftsminister Pedro Francke, ein renommierter Ökonom aus der linksökologischen Wahlallianz Juntos por el Perú. Dass Francke zur Regierung stieß, besänftigt bürgerliche Kreise angesichts der Statements von Perú Libre zu Verstaatlichungen und dem Aufbau des Sozialismus. Derzeit zeichnet sich zwar eine Staatsbeteiligung an der Erdgasförderung ab, doch soll der Bergbau in privater Hand bleiben. Zudem hoffen viele, dass die Regierungsteilhabe von Juntos por el Perú die wertkonservativen Dogmen bei Perú Libre auszugleichen vermag. Nur deutet die Präsenz von lediglich zwei Ministerinnen im Kabinett kaum auf eine progressive Geschlechterpolitik.

In ethnischer Hinsicht setzt Castillo dagegen die erwartet partizipativen Impulse. War bisher die Politik vorrangig durch weiße Eliten aus Lima geprägt, stammt erstmals eine Mehrheit der Minister nicht aus der Hauptstadt. Castillo, der aus einer kleinbäuerlichen Familie im indigen, ländlichen Peru kommt, war bei seinem Amtsantritt denn auch auf antikoloniale Symbolik bedacht, was im gerade gefeierten 200. Jahr der Unabhängigkeit beeindruckte. Statt eines Anzugs trug er ein Jackett mit andinen Stickereien zum Strohhut, mied den Roten Teppich und betonte, nicht aus dem jetzigen Präsidentenpalast heraus regieren zu wollen. Neben einer Agenda des ökonomischen Wandels ist es diese Hinwendung zur marginalisierten mestizisch-indigenen Mehrheit, die der weißen Oberschicht absolut nicht behagt. Als Premier Bellido Teile seiner Antrittsrede auf Quechua vortrug, kam es zum Eklat im Kongress, obwohl Quechua als offizielle Sprache Perus anerkannt ist.

So bahnt sich im Parlament nicht nur ein Kulturkampf an, hier findet die Opposition zugleich die Arena, um Castillos linken Aufbruch zu erschüttern. Die Regierungsfraktionen verfügen nur über 42 der 130 Mandate. Die konservativen, teils rechtsradikalen Gegner können sowohl das Parlamentspräsidium besetzen als auch die Mehrheit in den Kommissionen stellen, in denen über Entwurf oder Blockade von Gesetzesnovellen entschieden wird.

Einen personellen Schwund muss Castillo bereits drei Wochen nach seinem Antritt verkraften. Außenminister Hector Béjar, der eine Annäherung an Venezuela und Kuba angekündigt hatte, trat wegen umstrittener Äußerungen zur maoistischen Guerilla „Leuchtender Pfad“ zurück. Zu allem Überfluss wurde bekannt, dass Arbeitsminister Iber Maraví selbst Mitglied der Guerilla war, was der bis dahin öffentlich bestritten hatte. Die einsetzende Entrüstung nahm Parlamentspräsidentin María del Carmen Alva zum Anlass, ohne Beleg öffentlich zu erklären, die Straße fordere die Absetzung des Präsidenten. Perú Libre reichte daraufhin einen Misstrauensantrag gegen Alva ein. Statt des erhofften Politikwechsels zeichnet sich eher der gewohnte Machtkampf zwischen Exekutive und Legislative ab, wenn auch unter anderen politischen Vorzeichen, Ausgang offen.

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