Emoticons

A–Z Wer schreibt heute noch vom „satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch“? Der Trend geht mehr zum prägnanten Symbol. Das Shruggie hat es sogar ins Weiße Haus geschafft
Ausgabe 23/2015

A

Aubergine Schade ist es um dieses Gemüse nicht. Zu oft musste das quietschige Gemüse als Penispiktogramm herhalten. Instagram will das violette Emoji deshalb verbannen. Werden andere mögliche Phallussymbole von der Banane bis zur Nase folgen? Warum finden in der Lebenswelt wichtige Dinge – nicht wenige Menschen tun einen Penis nicht als irrelevant ab – keinen Eingang in die Emoji-Liste? Wo sind die Zeichen für Joint oder Whisky, Bett oder speiendes Einhorn? Und was ist mit dem guten alten Stinkefinger (außerhalb von Microsoft)? Selbst der Döner fehlt. Letzterem will Puls, das Jugendprogramm des Bayerischen Rundfunks, zur Emoji-Geltung verhelfen und hat bei ➝ Unicode einen entsprechenden Vorschlag eingereicht. Aber die Fuge im Döner könnte bei Sittenwächtern auch wilde Assoziationen hervorrufen – und der Dürüm teilt ohnehin das Auberginenproblem. Tobias Prüwer

C

Codex Wer Emoticons in seinen E-Mails und Textnachrichten verwendet, entwickelt einen gewissen Automatismus. Die Hemmschwelle, einen Bizeps-Arm als Zeichen gemeinsamer Stärke mitzusenden, ist quasi nicht existent. Irgendwann baut man auch in geschäftliche E-Mails Zwinkersmileys ein, ohne groß darüber nachzudenken. Doch gibt es nicht so etwas wie einen Verhaltenskodex für die bunte Bilderwelt? Sollte im Berufsalltag nicht der Fokus auf den Fakten liegen und nicht auf emotionalen Befindlichkeitsbekundungen in Form kleiner Comicfiguren? Sollte man sich wohl lieber für den Feierabend aufsparen. Wenn man das Gefühl hat, einer Aussage ein ironisches Augenzwinkern, beifügen zu müssen, lieber auf einen Skype-Termin oder ein waschechtes Meeting zurückgreifen. Und dann zwinkern was das Zeug hält. Wenn das nicht hilft, hilft nur noch zwicken. Oder der Satz: „Das war jetzt nicht so ganz ernst gemeint, Sie wissen schon, so wie ein Zwinkersmiley.“ Sophia Hoffmann

F

Flirt Ein Rockkonzert, ein Blick. Ein Drummer. Mit dem man auch reden konnte. Oder schweigen. Auf dem Balkon sitzen. Wenn wir uns nicht sahen, kamen kurze Nachrichten. Schmeichelhafte. Aber woher nahm er sich das Recht, seine sanften Worte mit lauter dümmlichen, witzlosen und grinsenden Zeichen zu signieren? Was wollte er mir damit sagen? Stop it!, verlangte ich. Schon kam die nächste Nachricht, mit noch mehr Smileys. Knutschmund, Zwinkern, Clown, Sonnenbrille. Er beherrschte offenbar das gesamte Repertoire. Es gibt Experten, die nennen so was digitales Flirten. Auf mich wirkte es verkrampft, unsicher. Er schien der Wirkung seiner Worte nicht zu trauen. Ich sei humorlos, fand er. Und wurde immer seltsamer. Er trank ja auch keinen Alkohol (man kann auch ohne Spaß haben) und war auf der Suche nach Erleuchtung. Hing alles zusammen. Er wollte Musiker sein? Hätte er mal wild auf sein Schlagzeug eingedroschen! Doch er trommelte so friedlich wie Charlie Watts. Nichts ging mehr. Gar nichts (➝ Orgasmus). Wir saßen noch mal zusammen und schauten in den Himmel. Zu spät. Maxi Leinkauf

I

Ikea Bei Ikea gibt es bekanntlich alles. Kaum verwunderlich, dass die Schweden eigene Emoticons zum Gratisdownload entwickelt haben. Geboten werden possierliche Köttbullarhäufchen, diverse Möbel, der charakteristische blaue Einkaufsbeutel oder der Inbusschlüssel des Grauens. Interessant ist allerdings das Marketingkonzept, mit dem sie beworben werden: Die seit Menschengedenken herrschende Fehlkommunikation der Geschlechter soll mit den Ikea-Emoticons eliminiert werden. In einem niedlichen Video schicken Frauen Männern Rüschenunterhöschen – die erkennen dann sofort, dass ein neuer Kleiderschrank her muss. Schöne neue Welt. Keine Probleme. Was kommt danach? Das Ozonloch? Der Weltfrieden? Und was, wenn ein Partner nur über ein älteres Smartphone verfügt? Denn nur mit dem neuesten Betriebssystem sind die lebensrettenden Symbole downloadbar. Sophia Hoffmann

K

Konkrete Poesie Wer jemals in seiner Schulzeit mit dem Taschenrechner die Nummernfolge 38317 eingegeben hat, wird schnell verstehen, was Konkrete Poesie bedeutet. Dreht man den Rechner auf den Kopf, wird aus 38317 das schöne Wort LIEBE. Nach diesem Prinzip funktioniert auch jene grafische Dichtungsform, die aus gewöhnlichen Buchstaben Sonderzeichen macht. Bekannte Vertreter sind Eugen Gomringer (ping pong), H. C. Artmann und Christian Morgenstern, dessen Fisches Nachtgesang aus mehreren liegend dargestellten Rundklammern besteht. Es geht also nicht mehr darum, Wörter zu bilden – das Zeichenbild an sich ist das Ereignis. Ein Q kann mehr sein als ein O mit Strich. Fantasiebegabte Menschen sehen darin vielleicht ein Gesicht mit Zuckerstange im Mund oder ein schnell über den Boden flitschendes Plattfischlein. Das ist Poesie, die einen wirklich anderen, sonderbaren Blick auf die Welt hat. Jan Drees

L

Latex Mit Shades of Grey und dem Berliner Kitkatclub hat dieses Softwareprogramm nichts zu tun. Anfang der 1980er Jahre in Stanford entwickelt, wird „LaTeX“, so die Eigenschreibweise, dazu verwendet, besonders saubere Layouts zu erstellen. Während andere Textprogramme direkt das Layout nach dem What-you-see-is-what-you-get-Prinzip zeigen, werden Umbrüche und andere Merkmale hier als Quellcode angegeben. Es findet also kein Klick auf ein „Fetten“-Icon statt. Stattdessen steht dann so was da: „\LaTeX{} ist auch ohne Formeln sehr nützlich und einfach zu verwenden.“ Jan Drees

M

Mütter Ein Klassiker des „epic fail“ ist der SMS-Chat, in dem eine Mutter ihrer Tochter mitteilt, der Großvater sei gestorben, und die Trauernachricht abschließt mit „LOL“, in der irrigen Annahme, das Akronym bedeute Lots of Love und nicht, wie eigentlich allgemein bekannt: Laughing out loud. Da Akronyme eine junge und vor allem von den sogenannten jungen Leuten verwendete Kurzsprache sind, sind im Klischee gerade Mütter besonders anfällig für die Falschschreibungen. Etliche Seiten im Netz beschäftigen sich mit der misslichen mütterlichen Verwendung von Emoticons, Akronymen und anderen digitalen Kommunikationsgepflogenheiten. Das seltsamerweise als Emoji angebotene braune Häuflein wird dann als „lachender Cookie“ verwendet, oder die Mutter freut sich, endlich ein neues Buchstabengesicht gefunden zu haben, und schickt der eigenen Tochter eben das: 8==D. Jan Drees

O

Orgasmus Am 9. Mai war Tag des Orgasmus, was einen nicht verwundern muss, schließlich gibt es auch einen „Welttag der Hauswirtschaft“. Nachdem vor einiger Zeit herausgefunden wurde, dass die Kommunikation via SMS einem Orgasmus gleiche, geisterte Anfang des Jahres eine besonders dümmlich klingende „Studie“ durchs Netz. Eine amerikanische Flirtplattform will durch nicht näher erläuterte Untersuchungen herausgefunden haben, dass Frauen, die viele Emoticons verwenden, umso schneller zum Orgasmus kommen. Man will beinahe mit dem beliebten Netzakronym WTF? antworten – aber die Betreiber meinen das ernst. Frauen, die in ihrer SMS-Kommunikation „Zwinker-Smileys“ oder „Küsschen-Smileys“ verwenden, haben angeblich größere Orgasmuschancen. Wer sich dagegen häufiger vertippt oder ansonsten mit der Rechtschreibung seine Probleme hat, soll weniger Spaß im Bett finden. Wir vom Freitag-A–Z behaupten: Männer, die beispielsweise Gemüse in ihre Kommunikation einbauen (➝ Aubergine), brauchen über das Thema Sex, Bett und gemeinsame Orgasmen nicht einmal nachzudenken. Jan Drees

P

Politik Man kommt nicht mehr um sie herum. Das Emoticon hat nun auch in die Politik Einzug gehalten. Genauer gesagt: ins Weiße Haus! Vergangene Woche also stand „Shruggie“, ein bislang vor allem im Netz verbreitetes Emoticon, im Zentrum der Präsentation von Christopher Murphy, einem Demokraten aus Connecticut. Es ging ihm vor allem ums Verteidigen der Krankenversicherung, der Kampf tobt gerade beim Obersten Gericht. Wenn die Konservativen gewännen, wäre das verheerend für Millionen Menschen, die von den Obamacare-Subventionen abhängen. Der Senator zeigte ein Plakat auf dem ein, für in der realen Welt Verwurzelte, ziemlich kryptisches Zeichen zu sehen war. Shruggie, was so viel bedeutet wie „Achselzucken“. Der Politiker wollte auf die Gleichgültigkeit der Republikaner hinweisen. Um ganz präzise zu sein, ist das „Shruggie“, auch „smugshrug“ genannt, eigentlich gar kein Emoticon, sondern ein Kaomoji, ein japanisches Emoji. Das Wort setzt sich aus Kao (Gesicht) und Moji (Zeichen) zusammen. Es enthält Zeichen des Katakana-Alphabets, Unterstriche zum Beispiel. Japanisch ist als Sprache der Zeichnungen bekannt, mit ein paar einfachen Linien werden Gefühle ausgedrückt. Mangas sind der Vorläufer, Kaomoji haben sich aus ihnen entwickelt und animieren Fans, noch kreativer zu werden. Die Verwendung des Symbols hat nicht nur einen politischen Charakter, sondern trägt auch zur Verbreitung der Kultur des Fernen Ostens in der (analogen) westlichen Welt bei. Bei Twitter ist Kaomoji schon längst der Hero. Maxi Leinkauf

S

Stenografie Mein Opa konnte noch stenografieren, heute ist die Deutsche Einheitskurzschrift (so der offizielle Name) nicht mehr in Mode. Wandeln bald unsere Handys das gesprochene Wort direkt in einen Text um und wir brauchen gar nicht mehr mitschreiben? Bisher sind diese Programme fehleranfällig. Es kann nicht schaden, schnell schreiben zu können, auch wenn es um Notizen geht. Ich lerne daher Stenografie an der Volkshochschule. Für jeden Konsonanten gibt es ein Zeichen, das sich schneller schreiben lässt als der lateinische Buchstabe. Die Verbindungslinien zwischen den Zeichen stellen die Vokale da – eine kurze Verbindung für ein „e“, eine lange für ein „o“. Es gibt viele Abkürzungen für Wortteile oder komplette Wörter. Und manche Buchstaben dürfen auch ganz weggelassen werden. Das Lernen ist zwar anstrengend, aber sinnvoll. Warum lernen wir in der Schule eine komplizierte Schrift, wenn es auch einfach ginge? Felix Werdermann

U

Unicode Selbst bei den bildhaften Emojis kann man aneinander vorbeireden. Da die Emoji-Kultur aus Japan kommt, werden hier einige der Symbole falsch verwendet (➝ Mütter). Ein Beispiel von vielen ist das aus der Nase qualmende Smiley, das meistens für Zorn steht, eigentlich jedoch Triumph symbolisieren soll. Damit es in Zukunft nicht mehr zu derartigen Missverständnissen kommen kann, legt das Konsortium Unicode für jedes Zeichen in allen nur erdenklichen Sprachen einen eigenen Code fest. Auch die Emojis sind kodiert, ihre Liste umfasst knapp 1.300 Symbole. Unicode schlägt zudem auch Änderungen bei missverständlichen Emojis vor. Diese gründliche Behandlung sagt schon einiges über den Stellenwert der Symbole aus. Benjamin Knödler

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