Ende der Party

Arbeitsmarkt Die Erwerbstätigkeit erreichte im dritten Quartal einen Höchststand. Mit solchen Meldungen ist es nun vorbei

Eine Party verlässt man, wenn sie am schönsten ist, schon um nicht mit aufräumen zu müssen. Gerade verkündete das Statistische Bundesamt einen neuen Höchststand der Erwerbstätigkeit. Mit 40,5 Millionen waren hier zu Lande im dritten Quartal 2008 rund 1,5 Prozent mehr Menschen als noch vor einem Jahr als erwerbstätig registriert. Geht die Party am Arbeitsmarkt trotz Finanzkrise weiter?

Keineswegs: Die Erfolgsmeldung wird auf absehbare Zeit die letzte ihrer Art sein. Auf dem Höhepunkt der Phase rückläufiger Erwerbslosenzahlen tanzten Politiker, Wirtschaftsweise und sogar Gewerkschafter im Frühjahr zwar zum Lied der Vollbeschäftigung auf den Tischen. Doch diese Platte ist längst zu Ende. Bei näherer Betrachtung konnte man schon im Sommer wissen, in welche Richtung die Reise geht: Der Beschäftigungszuwachs im Verarbeitenden Gewerbe schwächte sich da bereits ab, die Zuwächse im Dienstleistungssektor gingen fast ausschließlich auf das Konto von Leiharbeit.

Nun kommt es richtig dicke: Experten sehen allein in der Autobranche 100.000 Jobs bedroht, 40.000 im Transportgewerbe und 37.000 in der Finanzbranche. Insgesamt könnten 2009 bis zu 215.000 Stellen wegfallen, andere meinen, es könnten auch 230.000 oder noch mehr werden.

Im Ergebnis der die Lage in der Realwirtschaft verschärfenden Finanzkrise geht man in Nürnberg für das kommende Jahr bei einem Wachstum von 0,5 Prozent im Jahresdurchschnitt von 3,3 Millionen Arbeitslosen aus. Nicht sehr viel mehr als 2008 - aber statistisch verzerrt durch die noch günstig prognostizierten ersten beiden Monate.

Würde das Auftauchen vieler zum Jahresende ausgesprochener Kündigungen in der Arbeitslosenstatistik nicht durch Kündigungsschutzfristen bis in die ersten beiden Quartale des nächsten Jahres hinausgezögert, die uns in Kürze nach und nach erreichenden Wellen neuer Arbeitslosigkeit wären ein Schock ohnegleichen.

Immer klarer wird zudem, wer nach dem Ende der jahrelangen "Party" auf dem Boden liegen bleiben wird. Neben den fast drei Millionen registrierten Erwerbslosen müssen aktuell mehr als 1,3 Millionen Menschen ihr monatliches Einkommen mit Leistungen der Grundsicherung aufstocken. Führt man sich noch all diejenigen vor Augen, die nur geringfügig besser verdienen und bei Arbeitslosigkeit dann auf 60 Prozent (bzw. mit Kind 67 Prozent) ihrer "anrechnungsfähigen Bruttobezüge" gesetzt sind, allen voran schlecht bezahlte Zeitarbeiter, wird 2009 die Zahl der Familien deutlich zulegen, die mit einem Einkommen nahe des Hartz-IV-Grundsicherungsbetrages auskommen müssen.

All dem könnte man im Interesse vieler Betroffener wirksam entgegensteuern - wenn, ja wenn die Nürnberger Ressourcen der Arbeitsmarktpolitik interventionsfähig wären. Zwar hat die Koalition in Erwartung einer nur vorübergehenden Krise die maximale Dauer der Kurzarbeit gerade auf 18 Monate verlängert. Doch ansonsten hat man sich für 2009 viele Spielräume genommen.

Nach der zum Jahreswechsel greifenden Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung für 2009 gibt es schon jetzt ein "geplantes Defizit" von fast sechs Milliarden Euro. Mit dem demnächst im Bundestag zur Abstimmung stehenden und ab Januar geltenden "Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" werden dann wohl nicht nur unwirksame Förderungen gestrichen, sondern erfahrungsgemäß auch versucht, durch weitere Einschränkungen des Leistungsangebots der Bundesagentur deren Defizit zu verringern. Zudem gilt: Je schlimmer die Krise, desto enger wird es in Nürnberg, da durch steigende Ausgaben für Arbeitslosengeld immer weniger für aktive Arbeitsmarktpolitik übrig bleibt.

Andererseits beginnt bald das Wahljahr und noch gut in Erinnerung ist der Schachzug Helmut Kohls, ein halbes Jahr vor dem Urnengang 1998 unter Umgehung der zuvor selbst beschlossenen Vorgaben die Füllhörner in den Arbeitsämtern mit einem einzigen Rundschreiben ausschütten zu lassen. Genutzt hat es ihm allerdings nichts.

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