Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit

Sozialforum III Kapitalismus-Kritik ist Verfassungsgebot

Der Osten wird neuerdings gern als Milliardengrab verdammt. Wäre es nicht ergiebiger, den asozialen Reichtum als Billionengrab zu enttarnen?


Ob der Kapitalismus ohne das Gegengewicht eines mächtigen Sozialismus überhaupt sozial und demokratisch sein kann, ist nicht bewiesen. Die Indizien sprechen eher dagegen. Ist er unbeaufsichtigt, entlässt der Kapitalismus sogar die Demokratie. Denn ihre Prinzipien und die der Profitmaximierung schließen einander aus.


Wer will, dass die Demokratie bleibt, kann nicht wollen, dass sie bleibt, wie sie ist. Was der Bürger aber an Veränderungen wahrnimmt, kann er erst recht nicht wollen. In immer mehr Bereichen setzt das Grundgesetz keine Maßstäbe mehr: der Sozialverfassung, der Inneren Sicherheit, im Asylrecht, bei Umweltrisiken wie der Gentechnik und - am weitreichendsten - den Aufgaben der Bundeswehr.


Spätestens auf den Weltsozialforen im brasilianischen Porto Alegre und im indischen Mumbai habe ich begriffen: Es ist eine Weltordnung entstanden, die den Interessen der Mehrheit auf diesem Planeten diametral gegenübersteht.


Ich wollte immer in einer Demokratie leben. Aber nie im Kapitalismus.


Ehe das revolutionäre Vokabular restlos vereinnahmt wird, sollten einige zentrale Kategorien - solange keine überzeugenderen da sind - vielleicht doch zurückerobert und positiv besetzt werden.

Von Sozialdemokraten höre ich die Definition: Kapitalismus ist die demokratisch legitimierte Herrschaft des Kapitals. Demnach wäre Sozialismus der demokratisch nicht legitimierte Bruch der Herrschaft des Kapitals gewesen. Da drängt sich doch geradezu auf, was, sehr verkürzt, demokratischer Sozialismus sein würde: der demokratisch legitimierte Bruch der Herrschaft des Kapitals. In der Demokratie ankommen heißt, gegen die Herrschaft des Geldes zu sein.


Die Sozialpflichtigkeit von Eigentum, die Möglichkeit von Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit sowie der Überführung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum sind von der Demokratie vorgesehen. Das Grundgesetz ist so sozial intendiert, dass Kapitalismuskritik nicht nur gedeckt ist, sondern geradezu ein Verfassungsgebot darstellt.


Angriffskriege sind die exzessivste Form von Terrorismus. Sie verschlimmern alles und lösen nichts.


Die Thesen basieren auf dem neuen Buch von Daniela Dahn: Demokratischer Abbruch. Von Trümmer und Tabus. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Reinbek bei Hamburg


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