Den Leichnam haben ein Flugzeug und eine schwarze Limousine nach Hause gebracht in seine Geburtsstadt Louisville/Kentucky. Auf den Schwergewichtsweltmeister Muhammad Ali wartete ein regelrechtes Staatsbegräbnis mit Ex-Präsident Bill Clinton als Trauerredner, ein Riesenereignis, zu dem „ein jeder kommen darf“, wie die Hinterbliebenen mitteilten. Ali habe „die Welt wachgerüttelt“, sagte Barack Obama auf die Todesnachricht hin. „Und die Welt ist besser geworden.“ Lobsprudelnde Nachrufe taten sich streckenweise schwer mit Erinnerungen an die Welt, die Ali wachgerüttelt hat.
Der Boxkampf hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Schon vor Muhammad Ali hat es große schwarze Boxer gegeben, die sich verprügelten zum Vergnügen und Profit weißer Zuschauer und Unternehmer. Es waren Boxer, die Afroamerikaner mit unbändigem Stolz erfüllten: Joe Louis, der „Braune Bomber“, wie man ihn nannte, versetzte dem Deutschen Max Schmeling 1938 im New Yorker Yankee-Stadion nach zwei Minuten und vier Sekunden den technischen K.o.
Ali war eine Klasse für sich, weil er seinen Überzeugungen treu blieb und die an der Macht, die Weißen, herausgefordert hat. 1960 gewann der Boxer olympisches Gold im Halbschwergewicht, wurde aber nicht bedient in den Lokalen von Downtown Louisville. 1964 legte er nach Erkämpfen des Schwergewichtstitels seinen „Sklavennamen“ Cassius Clay ab, trat der im weißen Amerika verhassten Nation of Islam bei und wurde zu Muhammad Ali. Wenn er prahlte, er sei doch der „größte und hübscheste Champion“, war das mehr als Eitelkeit: ein radikales Bekenntnis zur schwarzen Identität.
1967 sagte er Nein zum Einberufungsbefehl der Army, eine einsame Entscheidung, als die Anti-Vietnamkriegs-Bewegung noch am Anfang stand. Die Begründung: Er werde doch nicht Bomben auf braune Menschen in Vietnam werfen, während Schwarze in den USA schlechter behandelt würden als Hunde. Ali musste beinahe ins Gefängnis und durfte mehrere Jahre nicht professionell boxen. Millionen hassten ihn damals, schrieb David Remnick, Autor des Buches King of the World. Ali habe „die Rassenordnung bedroht“; er sei für viele Amerikaner so „destabilisierend wie für viele Schwergewichtsboxer gewesen, die nicht verstanden, warum er nicht in die Ringmitte kam und wie ein richtiger Mann kämpfte“. Als amerikanisches Idol medial weichgespült wurde Muhammad Ali nach Bekanntwerden seiner Parkinson-Erkrankung Mitte der 80er Jahre, als der Athlet nicht mehr kämpfen und bald auch kaum mehr sprechen konnte.
Er ist zu lange im Circus Maximus der Boxindustrie geblieben. Mediziner diskutieren, ob und wie stark die vielen Schläge auf den Kopf ein Krankheitsbild wie Parkinson verursachen. Die Zeitschrift des US-Ärzteverbandes forderte bereits 1983, Boxen in „zivilisierten Ländern“ zu verbieten wegen chronischer Gehirnschäden. Boxen ist heute kein bedeutender Sport mehr in den USA. Und die Footballindustrie, eine Art Nachfolgerin in puncto Gewalt, ist wachsam: Falls die Untersuchung eines Spielers ergibt, dass sein Gehirn geschädigt ist, werden die betroffenen Athleten von der Football-Liga NFL entschädigt.
Barack Obama zitiert in seiner Kondolenzbotschaft Ali von 1970: „Ich bin Amerika. Ich bin der Teil, den ihr nicht anerkennen wollt. Aber gewöhnt euch an mich – schwarz, selbstbewusst, dreist. Mein Name, nicht eurer. Meine Religion, nicht eure. Meine Ziele, meine eigenen. Gewöhnt euch an mich.“
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„Ich bin Amerika. Ich bin der Teil, den ihr nicht anerkennen wollt. Aber gewöhnt euch an mich – schwarz, selbstbewusst, dreist. Mein Name, nicht eurer. Meine Religion, nicht eure. Meine Ziele, meine eigenen. Gewöhnt euch an mich.“
Ja toll. Ich hab mich gewöhnt an Rap(e) Culture unter Namen wie "Snoop Dog", Bling Bling, Bitches und Muscle Cars. Vielen Dank auch dafür.
Die Nation of Islam hat damals vorgmacht wie eine vergleichsweise kleine Gruppe mit Intelligenz und militärischer Disziplin die Mehrheitsgesellschaft aufbrechen kann. Was heute als schwarze Kultur über den Atlantik schwappt ist genau die Zuhälterkultur, die von Ali immer als das eigentliche Problem beschrieben wurde.
Ja, er war einer der größten Sportler und mutigen Persönlichkeiten.
Eindrucksvoller hätte er sich nicht vorstellen können. Er ist ein großer geistiger Verlust für die amerikanische Gesellschaft, für die er ein Denkstein sein sollte.
Wie alle erfolgreichen Sportler ist auch er eine Projektionsfläche, in seinem Fall vielleicht für eine unterstützenswerte Sache. Aber er hat es nicht geschafft. Die heutigen USA sind so rassistisch wie eh und je. Deren Wirklichkeit wird nicht durch die Idolisierung eines Sportlers geschrieben, sondern durch die Dienstwaffen weißer Polizisten, die unbewaffente schwarze Jungendliche töten und damit durchkommen. Und insofern konnte selbst Ali noch zu einem Alibi umfunktioniert werden.
Schattenboxen als Kunst des Höheren: sowas vermag die US-Medienmaschine mit einer Bravour, die vor Verlogenheit stinkt, dass es einen mit Ali das Erbarmen überkommen könnte angesichts sovieler Doppelmoral, dass einem die Kotze im Halse steckenbleiben könnte
vom black coloured man zum white negro: auf so einem hochseil könnte man ausrutschen - wie uns seine Apologeten nicht müde werden einzureden - elende reaktionäre rassistische us-blase
Aasfresserei a la carte
Wer denn könnte Farbige besser beschützen als Selbstbewußtsein?
Da wir aber in einer Verlierer- / Gewinnergesellschaft zu leben scheinen scheinen solcherlei Überlegungen vollkommen obsolet
Weil: Weiße kann man längst nicht mehr schützen vor ihrer Einfalt die Welt beherrschen zu können
Sein Name und sein Sport wurden mir bewußt, weil für seine Boxkämpfe weit gefahren wurde,dorthin wo es ,,Westfernsehen'' gab.Mir wurde dann davon erzählt.Persönlich hat mich seine Absage an den Vietnamkrieg beeindruckt.Das war so was von mutig.Traurig ist, daß der Rassismus in seinem Land noch immer das Bestimmende ist.Der Boxsport ist für mich uninteressant.Was er meinte mit seiner Aussage Sklavenname, wurde mir bewußt, als das Buch ,,Roots'' verfilmt wurde und ich diese Filmserie sehen konnte, ohne weit fahren zu müssen.Ali war ein Großmaul mit Rückgrat,das ist heute eine seltene Konstellation.