Erinnern mit dem Hammer

DDR-Erinnerung Der Comic "Berlin – Geteilte Stadt" illustriert bewegende Einzelschicksale, kann den Geschichtsunterricht aber nicht ersetzen
Nah am Original: So sieht das Lazarus-Krankenhaus im Comic aus
Nah am Original: So sieht das Lazarus-Krankenhaus im Comic aus

Susanne Buddenberg, Thomas Henseler / avant-Verlag 2012

Geschichte ist furchtbar komplex. So viele Akteure, Strukturen und Ereignisse, da fällt es oft schwer, den Überblick zu behalten. Die Anmahnung einer weiteren „Differenzierung“ jeder Erkenntnis gehört zu den Standardfloskeln der Geschichtswissenschaft. Der Popularisierung von Geschichte stehen solche Unübersichtlichkeiten im Weg, man mag seine Narrationen eben doch lieber simpel. Für die breitenwirksame Aufklärung über weniger komplexe, dafür aber umso anschaulichere historische Sachverhalte scheint der Comic ein geeignetes Medium zu sein, stehen hier doch Bild und Text in wunderbar ergänzender Manier nebeneinander. Vor allem für die Zeitgeschichte sind Comics mittlerweile zum anerkannten Bildungsträger avanciert, mit der Betonung der „piktoralen Lesekompetenz“ von Schülern ist auch das notwendige didaktische Schlagwort schon geprägt.

Der Comic Berlin – Geteilte Stadt von Susanne Buddenberg und Thomas Henseler macht nun die Geschichte der Berliner Mauer zum Thema. In fünf Einzelgeschichten spannen sie einen Bogen von 1961 bis 1989 und decken verschiedene Aspekte der Mauergeschichte ab; letztlich enden alle Stories mit der Ankunft im gelobten Westen. Mit dem Bahnhof Friedrichstraße, dem Lazarus-Krankenhaus in der Bernauer Straße oder dem Haus der Ministerien sind Brennpunkte der Berliner Teilungsgeschichte die Handlungsorte. Interessant an den unterschiedlichen Episoden ist vor allem die enge Anbindung an die Wissenschaft. Die Comics basieren auf recherchierten Schicksalen und entstanden zum Teil im Gespräch mit den Zeitzeugen. Beeindruckend akkurat haben die beiden Künstler die Kulissen und handelnden Personen aus alten Fotografien rekonstruiert und zu Papier gebracht. Für eine Einordnung in den größeren politikgeschichtlichen, aber auch kulturellen Rahmen sorgen die kurzen Texte des Wissenschaftlers Christian Halbrock, die sich zwischen den einzelnen Kapiteln finden. Den Comics gelingt so die didaktisch glückliche Kopplung von authentischen Orten, persönlichen Geschichten und historischen Informationen – das sind ja gleich drei Dinge auf einmal.

Ohne Zwischentöne

Problematisch ist dagegen die inhaltliche Ausrichtung des Werkes. Die Förderung durch die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ ist auf jeder Seite spürbar. Die DDR ist das große, böse Andere – der Unrechtsstaat ohne Legitimation. Wenn es bei Nietzsche noch um die Frage ging, wie man mit dem Hammer philosophiert, ist der bundesdeutsche Gedenkkonsens in einem Stadium angelangt, in dem mit dem Hammer erinnert wird. Für Zwischentöne und Uneindeutigkeiten ist da kein Platz. Die Bildsprache lässt so etwas noch um einiges deutlicher erkennen als das gedruckte Wort. So ist der Comic vielleicht auch als Versuch zu verstehen, den Studien, die zutage fördern, dass Schüler über die DDR zu wenig (oder das vermeintlich Falsche) wissen, etwas entgegen zu setzen, indem die Kontur der DDR als reiner Mauerstaat mal wieder geschärft wird.

Für einen ersten Einstieg in die Thematik ist dieser Comic sicher geeignet, Schüler , die mehr über das Berliner Leben mit der Mauer erfahren wollen, finden hier aber keine vollends befriedigenden Antworten.

Berlin – Geteilte Stadt Susanne Buddenberg, Thomas Henseler avant-Verlag 2012, 97 S., 14,95 €

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