Patrick Catuz beschreibt in seinem Buch mit dem sprechenden Namen Feminismus fickt! (Lit Verlag) die sich wandelnde Beziehung von Feminismus und Pornografie. Neben theoretischen Arbeiten bediente sich der 29-jährige Österreicher dabei auch persönlicher Erfahrungen. Ein Jahr lang arbeitete er für die Pornoregisseurin Erika Lust. Ein nicht ganz gewöhnlicher Rechercheansatz ...
Der Freitag: In Ihrem Buch suchen Sie nach feministischen Alternativen zum konventionellen Porno. Nicht das übliche Forschungsgebiet für einen Kulturwissenschaftler.
Patrick Catuz: Tatsächlich hatte ich Bedenken, dass Feminismus fickt! für den allgemeinen Markt zu trocken und für die akademische Welt zu poppig sein könnte. Denn auch wenn sich die Kulturwissenschaften mit Popkultur auseinandersetzen, bleibt das meist bei Film und Fernsehen stecken, Porno ist da oft noch eine zu „niedere“ Angelegenheit. Ich hatte einmal ein Streitgespräch mit einem namhaften Vertreter der deutschsprachigen Cultural Studies, der mich angriff, weil er es unmöglich fand, sich mit so etwas auseinanderzusetzen.
Wieso das?
Er konnte und wollte Porno nicht als populäre Kultur denken. Für ihn handelte es sich bloß um eine knallharte Industrie, die sich nur fürs Kohlemachen interessiert. Wer etwas anderes darin sehen will, der würde nur Marketingtricks auf den Leim gehen. Porno ist einfach immer noch eine Spur zu dreckig und kämpft innerhalb der akademischen Auseinandersetzung mit Popkultur noch damit, anerkannt zu werden.
Aber Porno ist nicht gleich Porno: Es passiert doch unheimlich viel im Independentbereich und in der von Ihnen beschriebenen feministischen Szene.
Aber um zu dieser Differenzierung zu kommen, darf man eben keine Berührungsängste haben. Wenn man sich nicht intensiver damit beschäftigt, wird man nie entdecken, was in diesem weiten Feld so alles passiert. Man tut dem Porno keinen Gefallen, wenn man nur einen scheuen Blick darauf zulässt, vor allem jedoch tut man seiner Kritik nichts Gutes. Denn man sollte ja gerade dort genau hinschauen, wo man etwas kritisieren will. Deshalb habe ich konkrete Filmbeispiele in meinem Buch diskutiert.
Das genaue Hinsehen fällt vielen offenbar schwer.
Ja, ich kann auch verstehen, dass Leute überwältigt sind von der rohen Art mancher Produktionen oder von der Flut an Bildern expliziter Nacktheit. Man kann sich durchaus schwer damit tun, überhaupt hinzusehen oder sich darüber hinaus noch damit zu beschäftigen. Es gehört auch Überwindung dazu, sich nicht gänzlich von der eigenen Erfahrung zu distanzieren, sondern sich selbst und seine möglichen körperlichen Reaktionen zu reflektieren. Das ist vielleicht auch nicht immer angenehm, wenn man sich körperlich von einem Porno angesprochen fühlt, den man aus intellektuellen Gründen eher ablehnen würde. Mir fällt dazu ein guter Aufsatztitel der feministischen Soziologin Frigga Haug ein: Als ich einen Film genoss, den ich schlecht fand. Die Formulierung bezog sich zwar auf einen Liebesfilm, ist aber auch für den Porno anwendbar.
Also gibt es sie, die intellektuell-rationalen Bedenken beim Konsum von Pornografie?
Sicher. Ich habe während meiner Forschung auch viel in Foren gestöbert und bin auf Kommentare von Männern gestoßen, die geschrieben haben, dass sie bei einem Porno von einer gewalttätigen oder erniedrigenden Situation erregt waren, onaniert haben, im Anschluss aber ein extrem schlechtes Gewissen hatten. Das hat zum Teil damit zu tun, sich davor zu erschrecken, von sexualisierter Gewalt erregt zu sein, zum Teil aber auch mit mangelnder Medienkompetenz. Oft wird der Pornografie zu große Authentizität zugesprochen, also das Bild nicht als Inszenierung verstanden. Das, was legal in der Pornoindustrie vertrieben wird, ist eine Inszenierung, und wenn man genauer hinschaut, sogar eine unglaubwürdige Schmierenkomödie. Aber viele Menschen sprechen diesen Bildern einen großen Wahrheitsgehalt zu. Vielleicht wäre es für sie auch nicht so erregend, wenn sie nicht glaubten, was sie dort sehen.
Welche Unterschiede macht die feministische Pornografie im Vergleich zum Mainstream?
Das ist vielschichtig. Wir sollten feministische Pornografie aber weniger danach beurteilen, was sie ist, als danach, was sie sein könnte. Es gibt kein klares Schema, an gewissen Dingen können wir es allerdings umreißen: Man kann einen feministischen Porno dahingehend definieren, wer ihn produziert oder wie produziert wurde. Ich kann auch einen gewissen feministischen Wert darin sehen, wenn sich eine Regisseurin oder Produzentin einen Platz in der Industrie erkämpft und ihre eigenen Filme produziert, selbst wenn sie sich in der Bildsprache wenig vom Mainstream unterscheiden sollte.
Aber das ist nicht das, was man eigentlich unter feministischen Pornos versteht ...
Die meisten dieser Pornografinnen haben auch ein Interesse daran, andere Filme zu machen. Dort lässt sich beobachten, dass die Frau das Subjekt des Films ist, die ihre eigene Geschichte erzählt, ihren eigenen Intentionen folgt und nicht nur die Wünsche von Männern erfüllt. Das ist im Mainstream-Porno immer noch kaum denkbar.
Interessant ist, dass der feministische Porno die Frau im Film ermächtigt, ihre Lust zu zeigen. Andererseits die Frau hier aber auch hinter den Kulissen bestimmt. Die PorNo-Bewegung, die in den USA von Andrea Dworkin und CatherineMacKinnon, in Deutschland von Alice Schwarzer angeführt wird, negiert diese Möglichkeiten weiblicher Teilhabe aber völlig.
PorNo setzt Pornografie quasi mit Gewalt an Frauen gleich. Sie gehen davon aus, dass ein Nein der Frauen zu einem Sexakt in ein Ja transformiert wird, indem sie gezwungen werden, an sexuellen Handlungen teilzunehmen und dem noch zuzustimmen. Ganz abgesehen davon, dass dadurch hinter jedem Ja einer Frau ein Nein gemutmaßt wird, was die Frau als unmündig betrachtet und nicht unbedingt eine Fürsprache zur sexuellen Selbstbestimmung der Frau ist, wird davon ausgegangen, dass es schon bei der Produktion zu drastischen Gewaltanwendungen kommt: Pornofilm als gefilmte Vergewaltigung. Ich habe aber weder von Dworkin noch MacKinnon je gelesen, dass sie sich konkret mit den Produktionsbedingungen am Set auseinandergesetzt oder Einblick in die Industrie gehabt hätten.
Die Kritik bezieht sich aber auch auf die Seite der Konsumenten.
Ja, sie gehen davon aus, dass diese Bilder von Männern, die Frauen vergewaltigen, wiederum Männer, die dazu onanieren, anregen, Frauen zu vergewaltigen. Sie unterstellen der Pornografie also eine direkte Wirkung.
In Ihrem Buch widersprechen sie diesen Ansichten aber nicht vollkommen ...
Ich greife PorNo in meinem Buch eher deshalb auf, um zu erklären, wo wir herkommen, wie sich die Sichtweisen gewandelt haben und wo wir damit hingehen können. Jedoch nicht, um in diese Diskussion einzusteigen. Wir sind in dieser Debatte schon viel weiter. Ich betrachte PorNo als etwas, das seine Zeit hatte. Zu versuchen, Pornografie zu verbieten und dadurch in Kauf zu nehmen, alle Frauen in der Industrie als Opfer darzustellen, hilft niemandem – am wenigsten den Frauen in der Industrie. Man hätte sich besser damals schon hinter die gewerkschaftlichen Bestrebungen gestellt, die wurden von den PorNo-Aktivistinnen aber konsequent ignoriert.
Ein Problem des feministischen Ansatzes der Sichtbarmachung weiblicher Lust ist, dass sie nicht so deutlich erkennbar ist wie die Erektion beim Mann.
Das ist auch eine Frage des Mediums: In Japan zum Beispiel sind Porno-Mangas populär. Durch die Illustration, die gezeichneten Bilder, kann man da wesentlich fantasievoller vorgehen, als wenn man eine Filmkamera auf einen Menschen hält. So ist beispielsweise eine feuchte Scheide ganz anders visualisierbar. Beim Film tun wir uns da schwerer. Aber es ist auch eine Frage der Konvention. Müssen wir überhaupt den körperlichen und visuellen Beweis dafür finden, dass jemand erregt ist oder kann man das anders lösen?
Ein Porno ohne Beweise der Lust, erregt der denn noch?
Ja, das glaube ich ganz sicher. Nicht alle Leute stehen auf den Cum Shot, zumindest nicht in der Form, in der dieser zum obligatorischen Element des Pornofilms geworden ist.
Was könnte an dessen Stelle treten?
Eine Möglichkeit wäre, nach anderen Darstellungsformen zu forschen, nämlich Lust zu vermitteln und nicht bloß nach deren Beweis zu suchen. Außerdem könnten wir versuchen, Lust darzustellen, ohne sie allein an der Befriedigung zu orientieren, oder Lust nur dann als erfolgreich zu betrachten, wenn Befriedigung eingetreten ist. Auch viele Männer könnten dadurch einen entspannteren Zugang zu ihrer Sexualität finden, wenn sie erkennen, dass sie nicht nur dann erfolgreich ist, wenn sie mit einem Orgasmus abschließen können. Und dass Sex nicht nur mit Penetration vollwertig ist.
Patrick Catuz, 29, lebt als Autor und Filmemacher in Wien. Für sein Buch über die Perspektiven feministischer Pornografie forschte er unter anderem direkt an einem Porno-Set. Zur Zeit arbeitet Catuz an der Universität für Angewandte Kunst in Wien an seiner Doktorarbeit
Kommentare 10
Interessant
Naja. Wirkt, als hätte das Ergebnis seiner „Forschungen“ schon vorher festgestanden und er versucht es jetzt so hinzubiegen, dass es zusammen passt.
Ganz gute Interview, Danke. Wenn ich überzeugter Alice-Schwarzer-Feminist wäre, würde ich das Buch jetzt kaufen :-)
"und bin auf Kommentare von Männern gestoßen, die geschrieben haben, dass sie bei einem Porno von einer gewalttätigen oder erniedrigenden Situation erregt waren"
Auf Kommentare von Frauen nicht? Meiner privaten Erfahrung nach sprechen viele nämlich auf sowas stark an, solange es nicht zu extrem ist.
"Dort lässt sich beobachten, dass die Frau das Subjekt des Films ist, die ihre eigene Geschichte erzählt, ihren eigenen Intentionen folgt und nicht nur die Wünsche von Männern erfüllt. Das ist im Mainstream-Porno immer noch kaum denkbar."
Ich weiß nicht. Ich würde sowas gern anschauen, wenn es gut gemacht ist. Man muss wohl einfach sagen: es gibt so unglaublich VIEL, dass es schon schwer ist, überhaupt aufzufallen.
Und nach wie vor gibts viel langweiligsten Rammelschrott. Entweder weil es sich trotz allem verkaufen lässt oder vielleicht stehen auch tatsächlich viele drauf.
Zum Thema PorNo. Es gibt absolut nichts, was ich mit Alice Schwarzer teilen würde, nur hat die Frau mit ihrer Sicht auf Pornos recht, allerdings aus ganz anderen Gründen. Weibliche Lust bedingt, dass eine Frau selbstbewusst ist, sie sicher weiß, in welchem Körper sie steckt. Das wurde von der katholischen Kirche über Jahrhunderte konditioniert bis etwas entstand, was dazu nur unter Mühen imstande war. Dieses Bild der Frau, die in Pornos als Samenklo dargestellt wird, ist falsch, weil es die weibliche Lust komplett amputiert. Ich bezweifle, dass feministische Pornos daran etwas ändern können, weil die Verletzung der Identität zu tief ist.
In jedem Körper wohnt eine Seele. Warum das bei Frauen anders sein soll? Ich weiss es nicht.
Lust kann man nicht verordnen oder untersagen, muss auch die katholische Kirche mittlerweile akzeptieren.
Unsere lebenslange Neugier auf das Sexuelle hat ja was gutes, wir erhalten unsere Art.
Wer Frauen diese Lust aberkennt, wie Frau Schwarzer, will damit eigentlich nur Geld verdienen, nämlich dem Handel mit Moral.
Moral hat mit Lust nichts zu tun. Moral dient ausschließlich der Macht.
Viel erfahren haben wir schon von Shere Hite oder auch ihrem Vorschreiber Kinsey.
Bis heute lesenswert und gültig.
Es gibt allerdings bis heute Kräfte, die Frauen nicht teilhaben lassen wollen. An der Lust.
Und die erklären Frauen immer mit "anders".
Dabei sind sie es nicht, bis zum Beweis des Gegenteils.
Das Thema wird hier total "verkopft", das Herz ausgeschaltet.
Sich für Sex vor der Kamera herzugeben bedeutet doch vor allem, sein menschliches Fühlen auszuschalten und auch Schamgefühle beiseite zu schieben. Dass viele Porno-Akteure dies anders darstellen würden, versteht sich (das kennen wir auch aus der Prostitution). Dies gilt für "feministische Pornos" genau wie für klassische.
Bzgl. Prostituierten gibt es eine vielzahl von Studien, die dem Verschütten von Gefühlen nachgehen, indem nach destruktiven Kindheitserfahrungen gefragt wird. (http://kriegsursachen.blogspot.de/2013/12/kindheit-und-prostitution-eine-branche.html) Und siehe da, die Zusammenhänge zu Misshandlungs-/Missbrauchserfahrungen sind mehr als offensichtlich!
Leider habe ich noch keine Studie gefunden, für die PornodarstellerInnen nach ihren Kindheiten befragt wurden. Ich vermute, dass sich da ähnliches abzeichnet, wie bei prostituierten.
Ich finds traurig, dass Frauen so oft die Fähigkeit auch einfach sexuell selbstständig und offensiv sein zu können abgesprochen wird. Dann sind es gleich die Kindheitstraumata o.Ä. Ich will nicht abstreiten, dass es sicher auch einige Fälle gibt, vor allem in der Prostitution, in denen es solche Vorgeschichten gibt, aber ich bin es so Leid, dass Pornodarsteller natürlich immer wie selbstverständlich sich sexuell zeigen können (ohne, dass es hinterfragt wird), aber die Frau muss natürlich irgendein Trauma haben, kaputt oder falsch sein - sonst würde sie es ja nicht machen. DAS ist Sexismus. Und das ist so traurig.
@Muschimieze
Ich bezog meinen Beitrag nicht nur auf die Frauen, sondern schrieb etwas von "Porno-Akteuren" (Produzenten und männliche wie weibliche DarstellerInnen). Der Begriff "Trauma" verstört hier nur den Blick. Es geht eher um das Ganze, die Kindheit und das Wie der elterlichen Fürsorge oder eben auch dem Gegenteil davon und in der Folge der fehlenden emotional gesunden Entwicklung, sofern Eltern destruktiv und nicht fürsorglich agierten.
Ok, du sprichst in dem Fall von beiden Geschlechtern. Aber meinst du tatsächlich, dass Menschen Pornos nicht auch aus Spaß&Lust drehen können? Muss es tatsächlich immer ein Akt des emotionalen "beiseite schiebens" sein? Resultierend aus destruktiver oder fehlender Fürsorge der Eltern?
Die meisten Menschen drehen Pornos in erster Linie fürs Geld. Spaß und Lust? Was mann/frau als Spaß und Lust erlebt, ist sehr stark von der eigenen psychischen. individuellen Entwicklung abhängig. Bzgl. der Porno-Branche ebenso wie bzgl. der Prostitution (wobei sich beides stark überschneidet) fällt mir vor allem ein Wort ein: Selbstbetrug. Da kann man von außen dann auch schwerlich argumentieren.
Ich würde - sofern ich das ganze einmal sozialwissenschaftlich erfassen wollen würde - vor allem Leute ab 50 Jahre befragen, die lange Pornos gedereht haben. Wie sehen sie ihr Leben (und auch ihre Kindheit) im Rückblick? Sind es glückliche, emotionale Menschen?