Es knittert der rissige Stahl im Park

Ausstellung Die Bilderhauergruppe Odious im Berliner Kolbe-Museum

Jubiläen kann man in der Pfeife rauchen. Manchmal sind sie aber auch ein willkommener Anlass, um Altes aus der Mottenkiste zu holen und neu zu bewerten wie im Fall einer Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum über eine Bildhauergruppe aus den achtziger Jahren.

30 Jahre ist es her, dass ein Dutzend Studenten der Hochschule der Künste das erste Mal bei der Freien Berliner Kunstausstellung auftrat. Das Bildhauerensemble nannte sich Odious, übersetzt bedeutet das Adjektiv „widerlich, abstoßend“. Dieses selbstbewusste Titulieren bezog sich auf den robusten Arbeitsstoff und dessen kraftvolle Bearbeitung. Die Gruppe reduzierte sich schnell auf einen harten Kern, der sich gerne in Abgrenzung zu den zeitgleich für Furore sorgenden „jungen wilden“ Malern inszenierte. Dort war man subjektiv, fast expressionistisch. Bei Odious liebte man es nach amerikanischer Tradition abstrakt. Fünf Männer: Klaus Duschat, Klaus H. Hartmann, Gustav Reinhardt, Hartmut Stielow, David Lee Thompson und eine Frau, Gisela von Bruchhausen, die sich 1987 vor ihrem Atelier am Humboldthafen in legerer Rockerpose ablichten ließen, sind auf dem Plakat der Ausstellung zu sehen.

Sie alle arbeiteten bis Ende der achtziger Jahre gemeinsam unter anderem an Skulpturen für den öffentlichen Raum, mit Schrott und Stahl, zum Teil knallgelb oder in dunklem Blau lackiert, kunstvoll und wuchtig in die urbane Landschaft drapiert. Danach trennten sich ihre Wege; Duschat und Hartmann führen den Namen Odious weiter. 1989, sagt Gisela von Bruchhausen, sei es für sie einfach an der Zeit gewesen, etwas anderes zu machen.

Individuelle Stile bereichern

Die Ausstellung in Neubau, Atelierhaus und Skulpturengarten des Kolbe-Museums führt die sechs Künstler erneut mit Arbeiten aus den Jahren 1982 bis heute zusammen. Sie veranschaulicht, wie individuelle Stile eine temporäre Arbeitsgemeinschaft bereichern, etwa in dem Projekt Große Parabel für das Landratsamt in Aalen 1984 oder bei Ausstellungsprojekten in den Folgejahren. Eine Entdeckung sind sechs frühe Werke im ersten Raum: Bei Hartmann knittert hier rissiger Stahl auf blau gestrichenem Holz (Verlorener Brief, 1985). Gefärbtes Holz dominiert ebenfalls das knuffige Gabelfrühstück des Amerikaners David Lee Thompson, der in seinen Assemblagen Alltagsutensilien mit Stahl und Glas verzahnt und in einigen Werktiteln eine Vorliebe für die Alliteration offenbart.

Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten führt die künstlerische Entwicklung zu Kapriolen: Gustav Reinhardt schweißt inzwischen keinen Stahl mehr zu kompakten Figuren (Pablo, 1986), sondern fügt Raminholz mit Japanpapier zu federleichten Himmelskörpern (Flug des Schattens, 2009) zusammen, die von der Decke baumeln oder im Raum schweben. Gisela von Bruchhausen fächert in schwarz-weißen Wandreliefs verzinkten Stahl in asymmetrischen Strukturformen an- und ineinander (Concentus, 2008) oder bringt mit einem Schuppenpanzeranstrich Farbe in die Skulpturen. Gegen die Schwerkraft balanciert bei Stielows Kubus 04 Granit auf einem rostbraunen Stahlträger, auch ein Anklang an seine Skulptur Zephyr von 1989.

Wie harmonisch sich rostbrauner Stahl wiederum an die Wand (Schlangenrelief, 1991) oder in die Natur schmiegen kann, beweist eine der jüngsten Arbeiten von Duschat: Das Haus der Wächter ist eine imposante Erscheinung im mit Kiefern bestandenen Garten des Georg-Kolbe-Museums.

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