Es muss sein, was nicht sein darf

Euro-Crash Die Finanzminister der Euroländer einigen sich doch auf Hilfsmaßnahmen für Griechenland, die ergriffen werden sollen, wenn der Eurozone existenzielle Gefahren drohen

Starke Worte, große Töne aus Brüssel: Die Finanzminister aus den 16 Ländern der Eurozone haben getagt, scharf beobachtet von den Klienten der Finanzmärkte. Am Ende kam ein Hilfsplan heraus – eine Geste, im Falle des Falles werde man Athen beispringen mit bis zu 25 Milliarden Euro. Das wird kaum reichen. Bis Ende 2010 muss Griechenland 55 Milliarden an Krediten refinanzieren. Im Januar und Februar sind die griechischen Anleihen hoch überzeichnet worden, dank deutlich erhöhter Zinsen. Jetzt haben die Finanzminister der Regierung Ppandreou demonstrativ den Rücken gestärkt – ihr Sparkurs sei notwendig und richtig. Symbolpolitik einstweilen, um die Finanzmärkte günstig zu stimmen und den Schein zu wahren. Der Vertrag von Maastricht, der eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Länder verhindert und alle an die Fessel kindischer Dogmen legt, darf offiziell nicht verletzt werden. Noch nicht.

Längst zu spät

Nichts kann darüber hinweg täuschen, dass die Eurozone am Scheideweg steht: Entweder fällt der Stabilitäts- und Wachstumspakt – oder es fällt der Euro. Das Erste verstört nur Ideologen, das Zweite kann sich niemand leisten, am wenigsten Deutschland, für dessen Export der Zerfall der Währungsunion eine Katastrophe wäre. Die Regierung Merkel weiß längst, dass sie den Partnern in der Eurozone beizuspringen hat, mit Krediten und Kreditgarantien. Es muss sein, auch wenn es nach dem unsinnigen Knebelvertrag von Maastricht nicht sein darf. Der Vorschlag, einen Europäischen Währungsfonds zu gründen, gerät in dieser Lage zum Ausweichmanöver. Er käme zu spät und würde jede Hilfsaktion nur unnötig komplizieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) darf heute schon – mit Zustimmung aller Euro-Länder – die Staatsanleihen seiner Mitglieder kaufen, ohne sich um die unmaßgeblichen Ansichten inkompetenter Rating-Agenturen zu kümmern. Und auch die Euro-Länder selbst können ohne weiteres Euro-Anleihen ausgeben, die – gäbe es sie – von den Finanzmärkten mit Kusshand genommen würden.

Zum ersten Mal

Wäre das die Wende hin zu einer halbwegs gemeinsamen Wirtschaftspolitik in der EU? Die Franzosen – seit jeher schnell von Begriff – verlangen eine Debatte um sämtliche Ungleichgewichte, die sich in der Eurozone angesammelt haben, nicht nur über Haushaltsdefizite. Das trifft die Deutschen zuerst, die dank eines unverschämten Lohn- und Steuerdumpings der vergangenen Jahre gewaltige Außenhandelsüberschüsse auf Kosten anderer EU-Staaten eingefahren haben. Korrekturen werden verlangt, unsere Nachbarn mischen sich in die deutsche Wirtschaftspolitik ein – und sie haben Recht. Sie haben sogar Erfolg. Die Bundesrepublik musste ihr striktes Nein zu Finanzhilfen für Griechenland fallen lassen, weil sie begriffen hat, dass sich niemand einer akuten Krise des Euro entziehen kann.
Deshalb verändert sich auch die politische Rhetorik. Zum ersten Mal hat selbst Angela Merkel gewagt, das Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten einzufordern. Zum ersten Mal wurde die Weisheit der Rating-Agenturen öffentlich in Zweifel gezogen. Zum ersten Mal wurde damit gedroht, der Spekulation mit Kreditausfallversicherungen, die zum Angriff gegen den Euro und das Pfund genutzt werden, einen Riegel vorzuschieben. Noch versuchen die Akteure, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu umgehen, ohne ihn, ohne das neoliberale Dogma insgesamt über Bord zu werfen. Noch.
Die Einführung des Euro hat politische Folgen, denen sich in der akuten Krise niemand mehr entziehen kann. In einer Währungsunion sind die Staatsfinanzen ebenso wie der Außenhandel Sache einer gemeinsamen Politik, die alle angeht. Man kann darum feilschen, das ist beim Finanzausgleich in einem föderativen Staat nicht anders. Gebraucht werden Verstand und Mut der Euro-Länder zur solidarischen Aktion in der Krise. Wenn sie dazu imstande sind, werden sie sich vor Beitrittskandidaten kaum retten können.

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