Etwas schmierig, aber furios

Musik Black Grape lassen die New Raver auch nach 20 Jahren so farblos aussehen wie einen Klumpen Diät-Mozzarella
Ausgabe 31/2017

Es ist natürlich ein wenig übertrieben, wenn Trainspotting-Autor Irvine Welsh schreibt, diese Musik bringe wirklich jede Disco zum Bersten. Zu diesem Album kann man tanzen, das schon. Aber eher so, wie es Leute machen, die markant auf die 50 zugehen – oder diese schon überschritten haben.

It’s Great When You’re Straight ... Yeah, das Debüt des Happy-Mondays-Nachfolgers Black Grape erschien 1995, es folgte Stupid Stupid Stupid im Jahr 1997. Heute, 20 Jahre später, kommt mit Pop Voodoo ein neues Werk von Shaun Ryder und seinem langjährigen Mitstreiter Paul Leveridge alias „Kermit“ heraus, den ältere Brit-Hop-Spezialisten noch als „MC Kermit La Freak“ von den Ruthless Rap Assassins aus Manchester kennen könnten. Und schon nach einigen Takten lässt sich berichten: Nur wenig hat sich bei diesen Typen aus Manchesters Vorort Salford verändert. Shaun Ryders nölt (wie eh und je) über Beats, die (wie eh und je) aus Funk, Madchester-Rave, Brit-Pop und Big Beat gebastelt werden. Stücke wie Nine Lives, Pop Voodoo oder Everything You Know Is Wrong sind vor allem aus Rhythmus gemacht, ein Rhythmus garniert mit Bläsern und Gitarren, pumpend eher im schönen Mid- als Eiltempo – der alles in allem ein wenig daran erinnert, wie die Stereo MCs nach ihren furiosen Anfängen geklungen haben.

Dennoch darf man sich über ein neues Black-Grape-Album auch übertrieben freuen. Nicht nur, weil wir hier ein Wiederhören mit Martin Glover feiern dürfen, dem legendären Gitarristen von Killing Joke und Produzent diverser Alben und Remixe von und für The Verve, Guns n’ Roses, Kate Bush und, und, und. Sondern auch, weil Nine Lives wirklich ein echter Hit ist, weil Set the Grass on Fire eine Prise Ska in die alte Manchester-Tüte mischt, weil Whiskey, Wine and Ham die Euphorie wieder in herrliche Lounge-Jazz-Lakonie auslaufen lässt, weil Money Burns den Hörer in eine leicht schmierige Acid-Jazz-Atmosphäre versetzt, um dann mit String Theory wieder Fahrt aufzunehmen.

Gelungenes Comeback

Gegen Ende, zugegeben, wiederholt sich alles ein bisschen, erinnert an das, was wir zuvor gehört haben, an die beiden früheren Black-Grape-Alben und natürlich – man höre etwa die Songs Losing Sleep oder Money Burns – ganz explizit auch an die Happy Mondays.

Das Ganze ist alles andere als neu, aber trotzdem ist es gut. Und man hört es tatsächlich, was Shaun Ryder sagt: dass ihm das ganze Musikmachen mehr Spaß als früher bereitet. Auch wenn das komisch klingt: Besser gelaunt kann Elektro-Funk nicht klingen. Und was man 2007 schon anlässlich des letzten Albums der Happy Mondays feststellen konnte, dass gegen Shaun Ryder alle New Raver so farblos aussehen wie ein Klumpen Diät-Mozzarella, das gilt natürlich – uneingeschränkt – noch heute.

Doch in den vergangenen zehn Jahren, seit dem Erscheinen des Werks Uncle Dysfunktional der Happy Mondays also, hat sich Ryders Pop-Ansatz noch einmal leicht verändert. Ging es bei den Mondays des Jahres 2007 noch darum, dem Hörer die Ohren frei zu pusten, ein Album hinzulegen, das schlingernd ständig die Richtung wechselt, so ist Pop Voodoo etwas zahmer, weniger irrational, etwas vorhersehbarer geraten. Dennoch: Ein schöneres Comeback wird es diesen Sommer nicht mehr geben.

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