Euer Beschtes! Unser Beschtes?

Jubiläum XII Neues muss nicht immer neu sein - ein Witz zum Merkeln

Da streiten sich die Leut herum, über Ost und West, und so fort. Derweil vergessen sie, was ihr gemeinsames Problem darstellt. Zum Beispiel, das nackte Leben. Dazu ein Witz. Er betrifft meine Tante Emma, die - wie der Freitag - ein Jubiläum hat (geb. 1905). Sie war riesig und hatte einen Kropf. Ich selbst konnte mir niemals Witze merken, auch heute kann ich es noch nicht, aber einer prägte sich mir ein, was definitiv an Tante Emma lag. Eine Rolle in diesem Witz markierend, hielt sie meine Mutter am Kragen gepackt und sagte mit verstellter Stimme: "Aber guter Mann, mir wellet doch bloß Euer Beschtes!" Meiner Mutter fehlten die Worte, während Tante Emma, die Rolle wechselnd, diesmal mit unverstellter, revoluzzerisch anschwellender Stimme fortfuhr: "Unser Beschtes? Genau des wellet mir net hergäbe!"

Niemand lacht?

So ist das immer. Wenn ich einen Witz erzähle und dabei sogar warne, ich hätte eventuell die Pointe vergessen: stets wird es in der Runde totenstill.

Aber diesmal hab ich die Pointe nicht vergessen. Sie liegt mit ihrer Verwendung des Besten als Deckbegriff für das Übelste auf der Hand, unter der es tatsächlich, wie der Protest zeigt, um das Beste geht. Meine Mutter erzählte mir später, dass der Witz sich auf die Steuerpächter des 18. Jahrhunderts bezog, die den Bauern das Hemd vom Leibe rissen. Darüber, was ihr Tante Emma mit diesem Witz sagen wollte, erfuhr ich nichts.

Es wird wohl niemand erwarten, dass ich jetzt unsere Familiengeschichte aufdrösle oder die Steuerung der Bevölkerung durch ihre Besteuerung in den vergangenen Jahrhunderten durchnehme. Aber alle, die dies lesen, werden darauf warten, dass ich endlich das Merkelnswerte dieses Witzes erkläre. Ganz einfach. Es besteht in seiner Wiederkehr in neuer Form, die den Begriff des Besten, wie gehabt, im Spiel hält, und gleichzeitig untern Tisch fallen lässt, ohne dass an der, vom Absolutismus bis in die Demokratie reichenden Geschichte dieses Witzes gerüttelt wird. Denn im herbstlichen Wahlkampf, in dem Tante Emma leider nicht, aber Tante Angie umso mehr zu Wort kam, war von dieser zu hören: "Ich möchte den Menschen geben, was in ihnen steckt."

Na, hat er eingeschlagen, der Witz?

Für den Freitag gilt allerdings das Gegenteil: Er gibt sein Bestes, ohne dass er es jemand nimmt.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden