EuroPride in Belgrad: Feiern trotz Verbot

LGBTQIA+ Nach einem Verbot durch das serbische Innenministerium ist die EuroPride am Samstag auf einer geänderten Route durch Belgrads Straßen gezogen. Die Veranstalter*innen sprechen vom „wichtigsten“ Ereignis in der Geschichte der Parade
Trotz Verboten und Anfeindungen auch durch die orthodoxe Kirche haben die Teilnehmer*innen der EuroPride-Parade ein starkes Zeichen gesetzt
Trotz Verboten und Anfeindungen auch durch die orthodoxe Kirche haben die Teilnehmer*innen der EuroPride-Parade ein starkes Zeichen gesetzt

Foto: Andrej Isakovic/AFP via Getty Images

Die diesjährige EuroPride fand trotz eines Verbots durch die Behörden am Samstag in Belgrad statt – und damit das erste Mal auf dem Balkan. Angesichts der weitreichenden Kritik durch die USA und mehrere europäische Länder wie Frankreich und England geriet der EU-Beitrittskandidat Serbien immer mehr unter Druck. Menschen der LGBTQIA+-Community haben es in dort schwer: So dürfen homosexuelle Menschen in Serbien nicht heiraten oder Kinder adoptieren und sind von künstlicher Befruchtung ausgeschlossen. Dazu kommt die alltägliche Diskriminierung, die nicht selten in verbale und körperliche Attacken gegen Betroffene mündet.

LGBTQIA+ ist eine Abkürzung der englischen Wörter Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual. Das Plus steht für sexuelle Identitäten und Orientierungen, die die Abkürzung nicht umfassen kann.

So beispielsweise bei der ersten nationalen Pride-Parade in Belgrad 2001. Weil orthodoxe und rechtsnationalistische Gegendemonstrant*innen, darunter auch viele Hooligans, die Teilnehmer*Innen der Parade brutal angriffen, musste die Parade abgebrochen werden. Daraufhin untersagte die Regierung den Pride-Marsch in Serbien mehrere Jahre lang. Die zweite Pride, die 2009 stattfinden sollte, jedoch aufgrund von Gewaltandrohungen abgesagt werden musste, fand dann im Folgejahr 2010, statt. Tausende Gegendemonstrant*innen aus dem rechtsnationalen Lager griffen Polizist*innen an, plünderten Geschäfte und steckten Gebäude und Fahrzeuge in Brand. Erst ab 2014 konnte die Pride ohne große Zwischenfälle wieder stattfinden.

Im August sprach sich Serbiens Präsident Aleksandar Vučić gegen die geplante große paneuropäische Parade der Pride-Week aus. Aufgrund der Androhungen von rechtsextremen Gruppen, dem Konflikt mit Kosovo und wirtschaftlichen Problemen könne die Regierung die Sicherheit des Umzugs nicht garantieren. Vučić betonte, dass sei mit der offen lesbisch lebenden Ministerpräsidentin Ana Brnabić abgesprochen. Ein Totschlagargument, dass das Verbot nichts mit Diskriminierung zu tun haben kann.

Homphobe Protestzüge vor der EuroPride

Nach dem offiziellen Verbot der EuroPride in der vergangenen Woche durch das serbische Innenministerium hatten die Veranstalter umgehend reagiert. Der Beschluss sei verfassungswidrig, sie würden trotz des Verbots auf die Straßen gehen, sagte Goran Miletic, einer der Organisatoren.

Jedoch fanden in den Wochen vor der EuroPride viele homophobe Protestzüge statt, an denen Tausende teilnahmen: In erster Linie Anhänger der serbisch-orthodoxen Kirche und rechtsnationalistischer Gruppen, die Stimmung gegen die Veranstaltung und die LGBTQIA+-Community machten und sich oft vor Kirchen trafen. In diesen Gruppen tritt Homophobie gepaart mit einer pro-russischen und anti-westlichen Ideologie auf. Auf den Demonstrationen kursierten Bilder von Wladimir Putin und russisch-serbischen Flaggen sowie Schilder mit Aufschriften wie: „Wir wollen keine Schwulen-Parade und keine Besatzung durch den Westen!“ oder „Lasst eure Hände von unseren Kindern!“.

Zu Beginn der Pride-Woche zeigte sich die Premierministerin Ana Brnabić im Belgrader Jugendzentrum Dom Omladine, das zum diesjährigen Pride-Center umfunktioniert worden war. Als die Zuhörer*innen sie aufforderten, am Samstag mitzulaufen, reagierte sie nicht, sondern ermutigte die Anwesenden, die Pride-Parade am Samstag, mitzulaufen. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft den Pride-Teilnehmer*innen mit hohen Geldstrafen drohte, falls sie mitlaufen würden. Die Veranstalter arbeiteten deshalb eine alternative Route aus.

Das wichtigste Ereignis in der Geschichte des EuroPride

So liefen die knapp 1000 Teilnehmer*innen aus dem In-und Ausland am Samstag im strömenden Regen nicht durch die Innenstadt, wie ursprünglich angedacht, sondern die verkürzte Strecke quer durch den nahegelegenen Park Tašmajdan zum Stadion, wo im Anschluss Drag-Shows und Konzerte stattfanden. Am Sonntag erklärte die Premierministerin Ana Brnabić, dass sie „stolz“ sei, dass die Pride-Parade ohne große Zwischenfälle verlaufen sei. Auch die Veranstalter*innen der EuroPride sprachen vom „wichtigsten“ Ereignis in der 30-jährigen Historie des EuroPride.

Doch trotz des Verbots der rechten Gegendemonstrationen gab es Angriffe von rechten Gegendemonstrant*innen auf die Teilnehmer*innen der Pride-Parade, darunter auch auf deutsche und albanische Journalist*innen. Nach Angaben der serbischen Behörden wurden 64 Gegendemonstrant*innen festgenommen und 13 von 6000 eingesetzten Polizist*innen seien verletzt worden.

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