Existenznöte und Luxusprobleme

Kommentar Nach der Bayernwahl

Zu wählen lohnt im Freistaat Bayern kaum noch: Der hohe Sieg der Christlich Sozialen Union und die sozialdemokratische Katastrophe waren so sicher wie der Bierfluss auf dem Oktoberfest und die dazugehörigen Alkoholleichen während der Festzeltfeiern.

Größere Schwankungen allerdings waren bei den kleineren Parteien zu erwarten. Die Bündnis-Grünen profitieren vom Abwärtstrend der Sozialdemokraten. Die einstige Arbeiterpartei SPD selbst dagegen ist nun von Existenzangst erfasst. Kein Wunder, verprellt sie doch seit Jahren ihre Stammwählerschaft. Bei den Landtagswahlen rächt sich, dass sich in der Parteispitze niemand mehr ernsthaft um die Basis kümmert. Über 100.000 Genossen haben in der Schröder-Zeit die Partei verlassen. Kaum einer wagt es zu sagen, aber es täte der Regierungsarbeit und der SPD doppelt gut, wenn der Kanzler Gerhard Schröder den Parteivorsitz abgeben würde, denn die Traditionspartei verspielt Tag für Tag ihren Kredit, weil ihre Leute in der Regierung und in der Parteizentrale konzeptionell und handwerklich überfordert zu sein scheinen.

Demgegenüber hat die Union bestenfalls Luxusprobleme: Sie kann vor Kraft kaum laufen. Die christlichen Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber, Roland Koch, Peter Müller und Christian Wulff haben ihre Parteien im Griff und loyale Youngster unter ihren Fittichen. Zudem werden die ehrgeizigen Herrschaften in den Machtzentren klug genug sein, sich über die Kanzlerkandidatur 2006 nicht zu zerfleischen. Vielmehr können sie getrost zuschauen, wie sich die rot-grüne Regierung mit ihren "Reformen" aufreibt und auslotet, wie tief sie in der Wählergunst noch fallen kann.

Nach der Bayern-Niederlage schaut jetzt alles gebannt auf die entscheidende Wahl in der letzten großen SPD-Bastion Nordrhein-Westfalen in zwei Jahren. Sollte dort die Union gewinnen, dann muss Schröder aufgeben und Neuwahlen werden angesetzt. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, wie diese Wahl ausgehen würde. Das Schlimme ist, dass die Alternative in Gestalt eines Unionskanzlers Roland Koch oder einer Regierungschefin Angela Merkel nicht besser sein wird für Menschen, die Hilfe brauchen. Der Abbau sozialer Leistungen und die Schwächung der Gewerkschaften wird mit Sicherheit weitergeführt werden. Zumal eine auf Radikalumverteilung von unten nach oben eingestellte Freie Demokratische Partei an der Seite der Christenpartei für zusätzlichen Druck der Wirtschaft auf die Politik sorgen würde. Es kann immer noch schlimmer kommen, auch wenn man es angesichts des ungerechten Kurses von rot-grün kaum zu glauben vermag.

Doch was für eine Rolle wird der aktuelle Held der Stunde Stoiber bis zum zu erwartenden Debakel des amtierenden Kanzlers spielen? Der hat Berlin zwar einen gehörigen Schock versetzt, doch K-Mann - diese Prognose sei gewagt - wird er nicht mehr werden, weil in wenigen Wochen der Wahlerfolg im Süden vergessen ist. Denn alle wissen es ja: Zu wählen lohnt sich im bayerischen Freistaat kaum.

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