Zeit für die Nachfolge!

Facebook Wenn der ehemalige Plattform-Platzhirsch geht, ist endlich Raum für eine linke Alternative
Ausgabe 11/2019
Kämpft nicht nur vor dem US-Senat um seine Deutungshoheit: Facebook-Chef Mark Zuckerberg
Kämpft nicht nur vor dem US-Senat um seine Deutungshoheit: Facebook-Chef Mark Zuckerberg

Foto: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Wer hat eigentlich noch Lust auf Facebook? Also ich nicht. Ich bekomme nicht die Nachrichten, die ich will, ich fühle mich manipuliert, habe keine Lust, meine Daten zu verschleudern. Warum ich dann nicht einfach gehe? Weil es politisch falsch wäre. Und weil ich nicht weiß, wohin sonst.

Facebook bringt mir etwas, das mir keine andere Plattform gibt: Nachbarschaftsgruppen aus meinem Kiez, den Kontakt zu alten und neuen Freundinnen, Plaudereien unter Postings, die mich während meiner Arbeit angenehm ablenken. Und ich sehe, wann meine Lieblingsbands Konzerte in meiner Nähe spielen. Ich beschäftige mich seit Jahren beruflich mit den Auswirkungen der Digitalmonopolisten auf unser Leben und ich weiß, dass das, was ich hier als positiv beschreibe, eigentlich negativ ist: die digitalen Plattformen erzeugen Netzwerkeffekte. Das heißt, die Plattform mit den meisten Followern wird noch mehr dazugewinnen, Konkurrenz wird quasi ausgeschlossen. Das ist auch der Grund, warum all die Alternativen wie Diaspora nicht funktioniert haben. Bisher!

Denn die Nachrichten, dass es mit Facebook doch zu Ende gehen könnte, häufen sich. Wirtschaftswissenschaftler gehen vermehrt davon aus, dass Facebook langfristig nicht mehr in der Lage sein wird, Vertrauen aufzubauen. In seinem Buch Platform Capitalism nimmt auch der britische Politikwissenschaftler Nick Srnicek die mächtigen Plattformen unter die Lupe. Die rosigste Zukunft sieht er bei Amazon. Google und Facebook hingegen sagt er schlechte Überlebenschancen voraus. Während Amazon auf Logistik, das Ersetzen des stationären Handels und dem Monopolisieren einer Business-Cloud setzt, verdient Facebook Geld mit Werbung. Selbst, wenn das Vertrauen in die Marke noch vorhanden wäre: Der Geschäftsbereich ist limitiert.

Gute Nachrichten. Aber wenn wir nicht über Alternativen zu Facebook nachdenken, rückt einfach der nächste aggressive Konzern nach – so wird nie etwas Demokratisches an diese Stelle treten. Wer also könnte darüber nachdenken? Die europäischen Öffentlich-Rechtlichen, die BBC, die ARD? Ihre Aufgabe wäre es wohl. Statt alternativlos die privatwirtschaftlichen Plattformen mit ihren eigenen Inhalten zu füttern, sollten sie eigentlich an einem Tisch sitzen und ganz praktisch darüber sprechen, wie öffentlich-rechtliche Medien heute aussehen könnten. Fernsehen und das lineare Radio nämlich sind nun wirklich auf dem absteigenden Ast. Aber zu viel Hoffnung sollte man in die Öffentlich-Rechtlichen nicht stecken.

In wen dann? Über alternative Plattformen nachzudenken, scheint doch eine Aufgabe für jene, die gerne in einer gerechten Welt leben würden, in der das Online-Leben von Menschen nicht durch Datenraub profitabel gemacht wird und am Ende nur sehr wenige daran verdienen. Also für Linke.

Selbst die nicht für wahnsinnige Radikalität bekannte demokratische Kandidatin für die US-Präsidentschaftswahl Elizabeth Warren hat einen Plan vorgelegt, wie man die großen Plattformen entmachten und aufbrechen kann. Da werden wir doch wohl ein Konzept hinbekommen, wie demokratische, weltumspannende, menschenverbindende Medien aussehen könnten, oder? Links sein bedeutet doch, kollektive Lösungen zu finden, von denen die meisten profitieren – und eben nicht: sich einfach von Facebook abzumelden und sein eigenes Ding zu machen.

Info

Nina Scholz arbeitet u. a. in der Multimedia-Abteilung des Deutschlandradios, wo natürlich auch Facebook gefüttert wird. Am liebsten würde sie über Alternativen zu und die Demokratisierung von Facebook & Co. sprechen. Ebenfalls Interessierte dürfen sich gerne melden!

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