Fairbnb statt Airbnb

Niederlande Ein linker Politiker will die Vermietbörse an die Kandare nehmen
Ausgabe 33/2019
Vielleicht nicht gut geschrieben, aber definitiv gut gemeint
Vielleicht nicht gut geschrieben, aber definitiv gut gemeint

Foto: Imago Images/Manngold

Amsterdam ist eine der am meisten besuchten Metropolen in Europa, acht Millionen Besucher trampeln jährlich hindurch. Mit dem Erfolg der Online-Vermietbörse Airbnb droht die begehrte Altstadt zum Skansen ohne Amsterdamer herunterzukommen. Wer hier nur an einigen verlängerten Wochenenden seine Wohnung vermietet, verdient genug für teure Urlaube oder für ein karges arbeitsfreies Auskommen. Die merkantile Tradition der Niederlande ist stark, immerhin waren die Grachtenhäuser einst Handelskontore, heute werden auf Airbnb mehr als 20.000 Amsterdamer Wohnobjekte angeboten.

Der Linkssozialist Laurens Ivens, seit 2014 Wohnungsbaustadtrat in Amsterdam, kämpft unverdrossen gegen Airbnb. Im Frühling erlaubten sich unbekannte Täter einen Scherz und boten die Amsterdamer Airbnb-Zentrale zur Vermietung auf Airbnb an. Im Inserat stand: „Ein schönes Büro mit fünf Schlafzimmern, wo zehn Personen übernachten können. Es ist voll teurer Kunst, die wir uns von euren Centjes kaufen.“ Die Fotografien machten was her, Couch-Landschaften, dazu ein Jacuzzi. War das die Idee von Ivens?

Also zum ersten Mal nach Amsterdam. Ich kam an einem Sommertag der Hochsaison und fragte mich in mancher Gasse, ob ich von den allseits herbeiwabernden Kiffer-Schwaden nicht auch schon ein wenig eingeraucht war. Zwischen den Grachten stand ein grässlicher Neubaublock – das Rathaus. Ich hatte mit Laurens Ivens vereinbart, dort auf ihn zu warten, bis er aus einer Gemeinderatssitzung herauslaufen konnte. Holländer begegnen mir zumeist desinteressiert oder kaltschnäuzig, allein im Amsterdamer Rathaus empfing man mich herzlich. Exotische Schönheiten servierten mir in der Lobby-Bar des Gemeinderates Macchiato und Mineralwasser, auch wollte mir Ivens’ Assistentin etwas zu essen bringen. Sie fragte mich: „Mögen Sie etwas mit Wurst oder mit Käse?“ – „Mit Käse, bitte.“ – „Mit jungem oder altem Käse?“ – „Weiß nicht, mit altem.“ – „Soll der alte Käse hell oder dunkel sein?“ Ich prüfte die Miene der Assistentin auf Anzeichen von Verarsche, sie wirkte aber ernst, ja aufrichtig besorgt. Ich kürzte die Bestellung ab: „Das ist mir ganz gleich, ich habe keine Allergien und esse alles.“ – „Sie essen also alles. Und was für eine Art von Brot möchten Sie?“ – „Wie bitte?“ – „Soll das Brot hart oder weich sein?“ – „Hm, weich.“ – „Und wollen Sie das Brot mit Butter oder ohne?“ – „Ohne!“ Eine Stunde später brachte sie mir eine trockene Schrippe mit einer Scheibe Käse drin.

Für gemeinnützige Projekte

Auch Stadtrat Ivens war herzlich und bekannte, einst selbst Couchsurfer gewesen zu sein. „Ich bin nicht gegen die effiziente Nutzung von Wohnraum. Mein Problem ist, dass daraus ein Verdienstmodell wurde.“ Er hielt es für unmöglich, den Touristenstrom zu begrenzen, war aber „stolz auf die Regeln, mit denen wir ihn zügeln“: die Pensionen im Zentrum reduzieren, sie über die ganze Stadt streuen, das Vermieten über Airbnb auf 30 Tage im Jahr beschränken. Andere Städte wollten davon lernen. „Wir hatten ein Symposium zum Thema.“

Ivens tritt für Fairbnb ein, eine in Gründung befindliche Alternative, bei der die Hälfte des Erlöses aus Vermietungen in gemeinnützige Kiez-Projekte gehen soll. Ich fragte ihn: „Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Fairbnb nicht scheitert? Die Leute sind gierig!“ Er antwortete: „Ich denke, dass es ein großer Erfolg wird. Aber nicht, weil so viele Menschen daran teilnehmen, sondern weil es Airbnb ideologisch demaskieren wird.“ Plötzlich fuhr der Rollladen an der Fensterfront runter, automatisch ausgelöst vom ersten Sonnenstrahl. Zum Glück ließ sich der Rollladen per Knopfdruck handhaben, Ivens trieb ihn lächelnd wieder hinauf.

Einmal fixierte ich ihn und fragte geradeheraus: „War das Ihre Idee, das Büro von Airbnb auf Airbnb zu stellen?“ Ivens beteuerte: „Ich bin nie dort gewesen.“ Abgesehen davon bezweifelte er, dass die Fotos des Scherz-Inserats tatsächlich die Zentrale von Airbnb Holland zeigten. Dass die Airbnb-Manager ein Jacuzzi haben – das glaubte auch ihr ärgster Gegner nicht.

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