Fame versemmelt, egal

Alkopop Family 5 sind zurück und treten den Beweis an: Es gibt „ein richtiges Leben in Flaschen“

Dieser Programmpunkt hier – irgendein Workshop über das Songtexten – ist ganz garantiert extra für seinen Besuch aufgestellt worden. Peter Hein soll auf einem Pop-Kongress in Hamburg zu den Seinen sprechen. Aufhänger zweitrangig. Die Veranstalter, wie so viele in ihren Vierzigern, wurden sozialisiert mit „Monarchie & Alltag“, dem bis heute übermächtigen Fehlfarben-Album von Hein betextet und besungen. Der Saal hängt nun an seinen Lippen, Hein allerdings gibt sich desinteressiert, produziert unablässig Kalauer, die nach kurzer Zeit glauben machen: „So ein geiler Typ ist der in echt aber auch nicht.“

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Doch mal von vorn: Je älter ein Entertainer ist, desto sicherer kann er sein, dass auf der Bühne einfach sein bloßes Erscheinen beklatscht wird. So verwunderte es nicht, dass das Comeback-Album von Family 5 nach zwölf Jahren Funkstille viel Applaus einsammelte. Doch „Was zählt“ sah sich in der Lage, diese museale Zuwendung per Handstreich in echte umzuwandeln. Atemlos, ätzend, eingängig – all das, was man an der schrammeligen Gitarrenband plus Bläser seit den Achtziger Jahren schätzte, war hier in ein Album gefallen. Ein Album, das so gar nicht nach Spätwerk klingen wollte. Eher stellte es einen schmissig theatralischen Coming-Of-Age-Entwurf dar, der Männer an der Schwelle zum nächsten Lebensjahrzehnt zeigt. Dass es dabei um die 60 statt 20 oder 30 geht, macht von Sound und Kraft kaum einen Unterschied. Das Ergebnis riss auch die Band um den Exil-Österreicher (lebt heute im Rheinland) Xao Seffcheque und den Exil-Rheinländer (lebt heute in Österreich) Peter Hein mit. Die Folge liegt nun vor mit der Alkopop-Variante eines bekannten Adorno-Zitats: „Ein richtiges Leben in Flaschen“. Noch mal ein neues Album, wieder produziert von Multiinstrumentalist und Erdmöbel-Musiker Ekimas.

Der Kölner ist dann auch der Schlüssel, warum diese Platte das so begeistert angenommene Comeback nicht einfach nur wiederholt. Einen Hinweis stellt bereits das Cover dar, ein nerdiger Nach- und Umbau von Beatles „Sgt. Pepper‘s“. Das Interesse von Family 5 an einer üppigeren Soundkulisse ist geweckt und befeuert worden. Beatles-eske Buzzwords: Sitar, Harfe, Viola. Dennoch hat Ekimas stets darauf geachtet, den Songs nichts von ihrer rumpelig hermetischen Punkschönheit zu nehmen. Die Folge ist ein buntes aber dennoch cooles Treiben, deren heimlicher beziehungsweise unheimlicher Star wie so oft die Lyrik von Peter Hein darstellt. Sie schont keinen, wenn sie fragt, was all die eigene rebellische Folklore abseits einer echten Rebellion eigentlich so taugt. Man muss schlucken, man muss was aushalten bei diesen Storys hier. Peter Hein bleibt als Texter eine Ausnahmeerscheinung: Romantischer Existenzialismus, Frust, Liebe für alles Gescheiterte. Diesem Mann möchte man ewig zuhören, er sollte mindestens Prediger sein.

Doch, Moment, von daher kommen wir ja. Und von all dieser Größe ist auf dem Workshop beim Pop-Kongress nichts zu merken. Peter Hein versemmelt ratlos seinen Fame bei den wohlwollenden Anwesenden. Fast möchte man bedauern, dass er seine Eloquenz nie in die Welt und die Talkshow hinausgeschrien hat. Dann aber hört man einen Song wie „Geh doch nach drüben“ von jener neuen Family-5-Platte und spürt, dass der eben deshalb so gut funktioniert, weil die Musik das einzige Ventil für Heins kauzig rabiate Wut darstellt. Dieses beliebte Narrativ: Er hätte Popstar werden können - geschenkt. Oder ein früher Campino – hey, davon ist einer doch schon mehr als genug. Nein, Peter Hein brauchte, konnte, wollte das alles nicht. Das einzige, was er braucht, ist eine Gang wie Family 5, die ihm wunderbare Songs schneidert und dazu nötigt, solche Texte zu schreiben wie auf „Ein richtiges Leben in Flaschen“. Dann passt es – und dann ist der ganze Rest auch egal.

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