Fast alles ist möglich an der Saar

Koalitionsfrage Die Grünen könnten nach der Landtagswahl Ende August das Zünglein an der Waage werden

Die saarländischen Grünen sind in diesen Tagen guter Laune. Ende August wird ein neuer Landtag gewählt und den Umfragen nach kann die Öko-Partei nicht nur mit einem erneuten Einzug rechnen. Es ist sogar möglich, dass Grüne auf der Regierungsbank Platz nehmen dürfen. Wenn sich die Stimmung in den kommenden Wochen nicht deutlich ändert, wären sowohl der „bürgerliche Block“ aus CDU und FDP als auch die verfeindeten „Zwillinge“ SPD und Linkspartei auf die Grünen angewiesen.

Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl könnte im Saarland entweder die erste Jamaika-Koalition auf Länderebene oder das erste rot-rot-grüne Bündnis in Westdeutschland entstehen. Den Grünen kommt damit womöglich eine Bedeutung zu, die in keinem Verhältnis zu ihren bisherigen Erfolgen steht. Erst 1994 schafften sie an der Saar den Sprung ins Parlament, flogen fünf Jahre später wieder raus und erreichten den Wiedereinzug 2004 nur denkbar knapp.

Und jetzt könnten alle die Grünen brauchen. „Diejenigen, die das Saarland regieren wollen, egal ob schwarz-gelb oder rot-rot, müssen inhaltlich auf uns zugehen“, sagt Grünen-Landeschef Hubert Ulrich. Keine Option wird ausgeschlossen, alles ist möglich. Man wolle sich „in beide Richtungen“ offen halten. Nur „die Wahl eines Ministerpräsidenten von der Linkspartei werden wir nicht mittragen“, ließ Ulrich vor einiger Zeit bereits wissen – aber mit einem entsprechenden Wahlergebnis ist auch kaum zu rechnen.

Das Verhältnis der Öko-Partei zu den Linken an der Saar ist nicht ungetrübt. Ein Grund dafür heißt Barbara Spaniol. Sie war 2004 für die Grünen in den Landtag eingezogen. Vorletztes Jahr verließ sie die Partei und wechselte zu Lafontaines Truppe. Seitdem hält sie als Fraktionslose die Linkspartei-Fahne im Saar-Landtag hoch.

Aber sind die Beziehungen zur CDU besser? Die Landes-Grünen halten es für denkbar, dem Ministerpräsidenten Peter Müller eine weitere Amtsperiode zu verschaffen. Und das obwohl gerade erst ein Streit öffentlich Wellen schlug: Das Umweltministerium hatte Anzeige gegen den grünen Landesvize Klaus Borger erstattet – der Vorwurf: Betrug und Urkundenfälschung. Eine Klage wurde inzwischen abgewiesen. Für Grünen-Chef Ulrich ist aber klar: CDU-Umweltminister Mörsdorf habe versucht, einen seiner „schärfsten Kritiker mundtot zu machen“. Nicht gerade die beste Voraussetzung für eine schwarz-grüne Kooperation.

Streitthema Großkraftwerk

Geht es nach den Inhalten, dann müsste das Pendel eher in Richtung rot-rot-grün ausschlagen. Denn vom Ausbau der erneuerbaren Energien über die Abschaffung der Studiengebühren bis hin zum Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs haben die Grünen die meisten Gemeinsamkeiten mit den Genossen von SPD und Linkspartei.

Ein großes Problem allerdings könnte der Bergbau werden: Die Landesregierung hat nach einem großen Grubenbeben im vergangenen Jahr beschlossen, dass ab 2012 Schluss sein soll mit der Kohleförderung an der Saar. Zustimmung dafür gab es von FDP und Grünen, die am liebsten schon gestern alle Gruben dicht gemacht hätten. SPD und Linkspartei dagegen wollen auch nach 2012 weitermachen – mit einem Sockelbergbau. Bei diesem Thema würde also eine schwarze Ampel am wenigsten Konfliktstoff zu bearbeiten haben. Aufhorchen ließ in diesem Zusammenhang auch eine Äußerung von Grünen-Chef Ulrich, der das Ende des Bergbaus zur Bedingung für eine Zusammenarbeit mit wem auch immer erklärt hatte: „Wir wollen den Ausstieg und mit uns wird es definitiv keinen Wiedereinstieg geben.“

Ein anderes Thema, bei dem die Grünen anders als alle möglichen Kooperationspartner ticken: die Zukunft der Kohlekraftwerke. Einen Vorgeschmack auf die Frontlinien konnte man bereits Ende 2007 bekommen. Damals wollte die RWE das bestehende Kraftwerk in Ensdorf ausbauen. CDU, SPD und Linke waren dafür, die Grünen dagegen. 70 Prozent der Ensdorfer stimmten schließlich in einer Bürgerbefragung gegen das Projekt.

Doch „der Irrsinn bei der Stromproduktion wird weitergehen, solange es für die Konzerne lukrativ ist“, fürchtet Ulrich. „Sollten die Grünen nach der Wahl im Saarland nicht mit in der Verantwortung sein, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit einen neuen Anlauf für ein Großkraftwerk in Ensdorf geben.“ So ein Vorhaben könnte sogar auf die Koalitionsbildung Einfluss haben. Seine Partei, sagt Ulrich, wolle nicht um jeden Preis an die Regierung.


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