Faulheit als Konzeptkunst

Ausstellung Hart ist das Leben, heiter ist die Kunst: Cosima von Bonin macht im Kölner Museum Ludwig Station mit ihrer "Lazy Susan Series", in der Plüschtiere unter Leistungsdruck leiden

Es ist die letzte Station eines gewaltigen Ausstellungsparcours, der von Rotterdam über Bristol und Genf bis nach Köln reicht. Zwei Jahre sind die Lazy Susan Series von Cosima von Bonin über den Kontinent gewandert, und als ob die Künstlerin nun das Ende herbeisehnt, nennt sie die Schau in ihrer Heimatstadt Cosima von Bonin’s Cut! Cut! Cut! Den „Schnitt“ hat der kleine Kuscheltierzoo im Oberlichtsaal des Museums Ludwig längst gemacht. Zwei aus Stoffen mit Beardsley-Motiven zusammengenähte Hunde lehnen erschöpft oder faul an hölzernen Hundehütten. Deprimiert und ausgepowert hockt ein weißes Stoffküken, das sich gerade vollgekotzt hat, auf einem grün-rosa Raketendildo.

Sloth, deutsch Trägheit, ist eines der zentralen Worte im Werk von Cosima von Bonin. Es formuliert einen Einspruch gegen das auf Effizienz ausgerichtete Arbeitsethos im Kapitalismus. Wenn Cosima von Bonin einen ermatteten schwarzen Stoffhasen auf ein sich drehendes Rondell mit Sonnenschirm und poppig-bunten Knochen platziert, dann formuliert sie einen Einspruch gegen Verfügbarkeit und Verwertung. Ihre Kuscheltiere sind die Oblomows oder Bartlebys der Gegenwart, die unter (Selbst-)Beobachtung stehen. Das Refugium des Hasen ist umstellt von Spiegeln, ein übereinander gestapelter Haufen Meerestiere wird von Scheinwerfern und Kameras ‚beäugt’. Oder pflegen vielleicht all die Plüschkrebse, -muscheln, -hasen und -küken nur ihr von Kapitalismus und menschlicher Dauerzuwendung „erschöpftes Selbst“?

Die Kölner Schau trumpft gegenüber den Vorgängerstationen auf und zeigt zahlreiche bisher nicht zu sehende Werke aus Privatbesitz. Als Resultat umfasst die Ausstellung fast 70 Exponate und macht einfach Spaß. Konzeptkunst ist in der Regel humorlos, überzeugt hier aber durch das Spektrum der Verweise auf Comic, Mode und Kunstgeschichte. Die Leinwände der Stoffbilder sind aus teuren Stoffen oder Geschirrtüchern zusammengenäht und zeigen vierfingrige Mickey-Mouse-Hände. Der Soft Fence besteht aus Schaumstoffpfählen und -balken, die mit Laura-Ashley-Stoff überzogen sind.

Fröhliches Familientreffen

Das Spiel mit dem weiblichen Stereotyp weicher Materialien gehört in den Kosmos der 1962 geborenen Künstlerin genauso wie das theatral-performative Moment. In Köln werden die Skulpturen und Installationen in Käfigen oder auf sechs bis zu fast sechs Meter hohen Tischen ausgestellt, sodass man die Objekte nur von einer Galerie aus betrachten kann.

Verstärkt wird der Bühneneffekt, weil Bonin Künstlerfreunde eingeladen hat, an der Ausstellung mitzuwirken. Unter Klangduschen lauscht man den Elektrosounds des Musikers Moritz von Oswald, Frances Scholz’ fünfteilige Verfilmung von Mark von Schlegells Sci-Fi-Erzählung Starlite ist zu sehen; als Bezugsgröße hat der Komiker Jacques Tati genauso einen filmischen Auftritt wie Horrorfilmer George Romero. Im Rahmenprogramm kommt noch Tocotronic-Musiker Dirk von Lowtzow mit seinem Projekt Phantom/Ghost, auf dessen CD-Cover wiederum Kunstwerke Bonins abgebildet sind.

Ein fröhliches Familientreffen im Reich der popkulturellen Referenzsysteme, dessen Präzeptor nicht nur im Saal, sondern schon vor dem Museum wacht: Auf riesigen Schiedsrichterstühlen sitzt jeweils eine Pinocchio-Figur und dreht jedem eine lange Nase.

Cosima von Bonins Cut! Cut! Cut! Museum Ludwig, Köln. Bis 15. Mai 2012

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